27. Mai 2017

Lehrplan-Einführung bringt Schulausfälle

Mattia Marchetti wurde stutzig. Im Februar erhielt er das Informationsblatt der Schule Wohlen. Darin wurden er und seine Frau informiert, dass die Schulkommission für das nächste Schuljahr den Lehrpersonen 14 Halbtage für Weiterbildung, Feiertagsbrücke und den Nachmittag vor den Sommerferien gewährt. «Das ist etwas gar viel», findet Mattia Marchetti, selber Lehrer und ­Vater von zwei schulpflichtigen Kindern. Deshalb hat er eine Petition lanciert, mit der er verlangt, dass diese Anzahl von Halbtagen künftig auf 10 begrenzt wird. Darin soll auch der kantonale Tag der Bildung eingeschlossen sein.
Petition gegen 14 freie Halbtage, Berner Zeitung, 24.5. von Hans Ulrich Schaad


Mit den 14 Halbtagen nutzt die Schulkommission ihren Spielraum aus. Für Mattia Marchetti gibt es bei dieser «rücksichtslosen Haltung», wie er auf einem Plakat schreibt, fast nur Verlierer. An erster Stelle nennt er die Kinder, die den Stoff nun in kürzerer Zeit und zu Hause büffeln müssen. Er rechnet vor, dass die ausfallenden Halbtage etwa einer Jahreslektion entsprechen. «Der Unterricht sollte möglichst wenig ausfallen», betont er. Besonders benachteiligt seien Kinder aus bildungsfernen Haushalten.

Nur Verlierer
Verlierer seien ebenfalls berufstätige Eltern, die während des ausfallenden Unterrichts die Betreuung ihrer Kinder organisieren und finanzieren müssen. Die Maximalregelung sei auch für die Lehrer nicht nur vorteilhaft. Er betont, dass eine gute Ausbildung und Vorbereitung im Hinblick auf den Lehrplan und einen qualitativ guten Unterricht wichtig seien. Aber dem Image der Lehrpersonen sei es nicht zuträglich. «Sie haben bereits 13 Wochen Ferien», sagt Marchetti. Die Kinder sollten nicht frei haben, damit sich die Schule mit sich selber beschäftigen kann.

Für Mattia Marchetti sollten die im Lehrplan vorgesehenen vorgeschlagenen 10 Halbtage ausreichen. Er vertritt klar die Haltung, dass der grosse Teil der Aus- und Weiterbildung ausserhalb der Unterrichtszeit stattfinden sollte, auch während der ­Ferienzeit. Er verweist auf die Lehreranstellungsverordnung, wonach bei einer Jahresarbeitszeit von 1930 Stunden rund drei Prozent auf die Weiterbildung sowie weitere zwölf Prozent auf Mitarbeit und Zusammenarbeit entfallen.

Mattia Marchetti möchte die Petition Anfang Juni einreichen. Er hofft auf mindestens 100 Unterschriften, um dem Begehren den nötigen Rückhalt zu geben. Er ist sich aber bewusst, dass eine Petition keine direkten Auswirkungen hat. Gemäss der Wohlener Gemeindeverfassung muss der Gemeinderat die Petition prüfen und innert zweier Monate antworten.

Petition mit Unterton
Die Gemeinde mache nichts Verbotenes und halte die Richtlinien ein, sagt Gemeindepräsident Bänz Müller (SP plus), früher selber Lehrer. Er weist auf die vom Kanton angeordneten Weiterbildungstage für den Lehrplan 21 hin. Und von einzelnen Halbtagen würden auch die Eltern profitieren, wie etwa beim Nachmittag vor den Sommerferien oder der Brücke über Auffahrt. Im Moment sieht Müller kaum einen Spielraum, um die Anzahl Halbtage gross zu reduzieren. An der Petition findet er den «leicht despektierlichen Unterton gegenüber den Lehrern» schlecht. Für die Lehrpersonen ist die Weiterbildung ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit.

Der Gemeinderat wird die Petition nach dem Eingang prüfen und beantworten.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen