Mattia Marchetti wurde stutzig. Im Februar erhielt er das
Informationsblatt der Schule Wohlen. Darin wurden er und seine Frau informiert,
dass die Schulkommission für das nächste Schuljahr den Lehrpersonen 14 Halbtage
für Weiterbildung, Feiertagsbrücke und den Nachmittag vor den Sommerferien
gewährt. «Das ist etwas gar viel», findet Mattia Marchetti, selber Lehrer und Vater
von zwei schulpflichtigen Kindern. Deshalb hat er eine Petition lanciert, mit
der er verlangt, dass diese Anzahl von Halbtagen künftig auf 10 begrenzt wird.
Darin soll auch der kantonale Tag der Bildung eingeschlossen sein.
Petition gegen 14 freie Halbtage, Berner Zeitung, 24.5. von Hans Ulrich Schaad
Mit den 14 Halbtagen nutzt die Schulkommission ihren Spielraum aus. Für
Mattia Marchetti gibt es bei dieser «rücksichtslosen Haltung», wie er auf einem
Plakat schreibt, fast nur Verlierer. An erster Stelle nennt er die Kinder, die
den Stoff nun in kürzerer Zeit und zu Hause büffeln müssen. Er rechnet vor,
dass die ausfallenden Halbtage etwa einer Jahreslektion entsprechen. «Der
Unterricht sollte möglichst wenig ausfallen», betont er. Besonders
benachteiligt seien Kinder aus bildungsfernen Haushalten.
Nur Verlierer
Verlierer seien ebenfalls berufstätige Eltern, die während des
ausfallenden Unterrichts die Betreuung ihrer Kinder organisieren und
finanzieren müssen. Die Maximalregelung sei auch für die Lehrer nicht nur
vorteilhaft. Er betont, dass eine gute Ausbildung und Vorbereitung im Hinblick
auf den Lehrplan und einen qualitativ guten Unterricht wichtig seien. Aber dem
Image der Lehrpersonen sei es nicht zuträglich. «Sie haben bereits 13 Wochen
Ferien», sagt Marchetti. Die Kinder sollten nicht frei haben, damit sich die
Schule mit sich selber beschäftigen kann.
Für Mattia Marchetti sollten die im Lehrplan vorgesehenen
vorgeschlagenen 10 Halbtage ausreichen. Er vertritt klar die Haltung, dass der
grosse Teil der Aus- und Weiterbildung ausserhalb der Unterrichtszeit stattfinden
sollte, auch während der Ferienzeit. Er verweist auf
die Lehreranstellungsverordnung, wonach bei einer Jahresarbeitszeit von
1930 Stunden rund drei Prozent auf die Weiterbildung sowie weitere zwölf
Prozent auf Mitarbeit und Zusammenarbeit entfallen.
Mattia Marchetti möchte die Petition Anfang Juni einreichen. Er hofft
auf mindestens 100 Unterschriften, um dem Begehren den nötigen Rückhalt zu
geben. Er ist sich aber bewusst, dass eine Petition keine direkten Auswirkungen
hat. Gemäss der Wohlener Gemeindeverfassung muss der Gemeinderat die Petition
prüfen und innert zweier Monate antworten.
Petition mit Unterton
Die Gemeinde mache nichts Verbotenes und halte die Richtlinien ein, sagt
Gemeindepräsident Bänz Müller (SP plus), früher selber Lehrer. Er weist auf die
vom Kanton angeordneten Weiterbildungstage für den Lehrplan 21 hin. Und von
einzelnen Halbtagen würden auch die Eltern profitieren, wie etwa beim
Nachmittag vor den Sommerferien oder der Brücke über Auffahrt. Im Moment sieht
Müller kaum einen Spielraum, um die Anzahl Halbtage gross zu reduzieren. An der
Petition findet er den «leicht despektierlichen Unterton gegenüber den Lehrern»
schlecht. Für die Lehrpersonen ist die Weiterbildung ein wichtiger Bestandteil
ihrer Arbeit.
Der Gemeinderat wird die Petition nach dem Eingang prüfen und
beantworten.
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