Schlag auf
Schlag werden die Initiativen gegen den Lehrplan 21 nun abgeschmettert: vor
einer Woche in Solothurn mit 66 Prozent Nein, in Schaffhausen, Aargau, St.
Gallen und im Thurgau mit 69 bis 75 Prozent. Selbst in Appenzell Innerrhoden
wollte die Landgemeinde vom Anliegen nichts wissen und lehnte dieses ohne
Diskussion ab. Zwar stehen noch in fünf weiteren Kantonen Volksabstimmungen an
(BE, ZH, LU, BL, GR), aber das Verdikt steht bereits fest: Der Aufstand gegen
den Lehrplan 21 ist gescheitert. Die Kritik der Gegner, es handle sich um ein
zentralistisches, niveausenkendes, kopflastiges Machwerk, verfängt nicht. Beat
Zemp, der Präsident des Schweizerischen Lehrerverbands, prognostiziert denn
auch: «Der Lehrplan 21 kommt, in allen Deutschschweizer Kantonen.»
Lehrplan 21: Gegner sind gescheitert, NZZaS, 28.5. von Felix E. Müller
Dieser
Durchmarsch der offiziellen Bildungspolitik konnte nicht unbedingt erwartet
werden. Die Opposition dagegen war aktiv, laut, landesweit gut vernetzt und
erfolgreich. In nicht weniger als zwölf Kantonen wurden seit 2014
Volksinitiativen eingereicht. Hier schien sich, angeschoben von einer Gruppe
von 500 Lehrpersonen, eine Grundwelle gegen Schulreformen in der Bevölkerung zu
bilden. Diesen Eindruck gewann auch die SVP, die – als «Trittbrettfahrerin»,
wie die ehemalige Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli meint – davon zu
profitieren hoffte. An einem Sonderparteitag 2008 wurde die Volksschule
offiziell zur neuen Kampfzone der Partei erklärt, 2011 bildete das Thema einen
Schwerpunkt für die nationalen Wahlen, eine innerparteiliche Expertengruppe um
alt Nationalrat Ulrich Schlüer verfasste ein 139 Seiten starkes
Grundlagenpapier, das am neuen Lehrplan keinen guten Faden liess.
Zusammen mit
Supportern aus der EVP und der EDU schien sich da eine schlagkräftige
Gegnerschaft im rechten politischen Lager zu formieren. Umso erstaunlicher,
dass der Erfolg selbst in Kantonen, die nicht gerade als Hochburg der Linken
gelten, so bescheiden blieb.
Auf der Suche
nach Gründen verweist Regine Aeppli auf den Bildungsartikel in der
Bundesverfassung, welcher der Harmonisierung im Schulwesen starke Impulse
verlieh. Dieser erzielte 2006 unglaubliche 86 Prozent Zustimmung – ein
Resultat, das offensichtlich kein Zufall darstelle, sei doch bis heute kein
einziger Kanton davon abgewichen. Zemp ergänzt, dass «der Kantönligeist in der
Bildung vielen Leuten suspekt ist, weil dieser auch die Mobilität behindert».
Für den
ehemaligen Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann mangelt es der Opposition
an Substanz. Diese operiere nach dem Motto: «Jeder kann draufhauen.» Der
Glaubwürdigkeit der Kritiker half die Tatsache nicht, dass ehemalige Mitglieder
der Psychosekte VPM bei den Lehrplangegnern eine teilweise dominierende Rolle
spielen. Zudem erwies es sich als Handicap für die SVP, dass die
SVP-Bildungsdirektoren in St. Gallen oder Aargau dezidiert für den Lehrplan 21
einstanden und im Wahlkampf gegen die eigene Partei kämpften.
Einen weiteren
möglichen Grund nennt die Präsidentin des Zürcher Lehrerverbands, Lilo Lätzsch.
Sie deutet den Ausgang der Abstimmungen als Vertrauensbeweis für die Lehrer. In
einer Umfrage der Zürcher Fachstelle für Schulevaluation hätten sich 80 Prozent
der Eltern zufrieden oder sehr zufrieden mit der Schule gezeigt. «Schon
Regierungsrat Gilgen sagte: ‹Am Stammtisch wettert man über die Schule, aber
die Lehrer der eigenen Kinder nimmt man davon aus.›»
Leider war es
nicht möglich, einen Vertreter der Opposition zu einer Stellungnahme zu
motivieren. Offensichtlich setzt in diesen Kreisen die Ernüchterung über die
schlechte Resonanz der Kritik ein. Aus den SVP-nahen Medien ist das Thema
weitgehend verschwunden. Warum? Christoph Eymann sagt: «Die SVP als wesentliche
Treiberin der Gegnerschaft hat offenbar nicht mehr die gleich starke Triebfeder
wie zu Beginn der Diskussion.» Die letzte SVP-Mitteilung zum Lehrplan 21
datiert vom Februar 2014.
Damit scheint
sich auch in diesem Bereich zu wiederholen, was sich etwa in der
Energiepolitik, der Steuerpolitik oder der Gesundheitspolitik beobachten lässt:
Der Versuch, die Themenpalette zu erweitern, scheint zu scheitern. Die SVP
vermag nur in der Ausländerpolitik und mit der Pflege des Feindbilds EU
politisch wirklich zu punkten.
Die Medien machen schon wieder auf "Fake News": Das Volk konnte gar nicht gegen den Lehrplan 21 abstimmen, sondern nur, dass Parlament und Volk (Referendum) generell die Möglichkeit hätten, bei Lehrplänen abstimmen zu können.
AntwortenLöschenDeshalb ist der Lehrplan 21 weiterhin ohne direktdemokratische Legitimation, weil der oft falsch zitierte Bildungsartikel nichts über Lehrpläne enthält. So kann die Exekutive (fremdgesteuert von der OECD) weiter wursteln wie bisher und unser bewährtes Volksschulsystem an die Wand fahren.