22. Mai 2017

Botschaft nicht angekommen

Es bleibt beim geltenden Fremdsprachenkonzept in der Zürcher Volksschule. Die Erleichterung darüber ist namentlich in der Bildungsdirektion gross.
Die befürchtete Abschaffung des Frühenglischen zeigt Wirkung, NZZ, 22.5. von Walter Bernet

Das Verdikt ist überraschend eindeutig ausgefallen: Über 60 Prozent der Zürcher Stimmenden haben sich am Sonntag für das Festhalten am geltenden Fremdsprachenkonzept in der Volksschule ausgesprochen, kein einziger Bezirk hat der Volksinitiative «Mehr Qualität – eine Fremdsprache in der Primarschule» zugestimmt, nur 21 Gemeinden sagten – in den meisten Fällen eher knapp – Ja. Die Extremresultate boten Hofstetten mit einer Zustimmung von 61 Prozent und die Stadtzürcher Kreise 4 und 5 mit einem Ja-Anteil von ganzen 20,3 Prozent. Es bleibt also beim Beginn des Englischunterrichts in der 2. (nach der Umsetzung des Lehrplans 21 in der 3.) Klasse und des Französischunterrichts in der 5. Klasse der Primarschule.

Botschaft nicht angekommen
Die grossen Verlierer sind der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband ZLV, die Zürcher Kantonale Mittelstufe und der Sekundarlehrerverband SekZH, welche die Initiative zusammen mit dem Verein «Schule mit Zukunft» getragen haben. Das Resultat fiel mit 39,2 Prozent Ja-Stimmen sogar noch schlechter aus als bei der ersten Fremdspracheninitiative, die ohne Lehrer-Unterstützung im November 2006 auf 41,4 Prozent Ja-Stimmen gekommen war.

Vor allem über die Höhe der Niederlage enttäuscht war denn auch ZLV-Präsidentin Lilo Lätzsch. Für sie haben zwei Gründe den Ausschlag für die Niederlage gegeben. Erstens sei die Botschaft nicht angekommen, dass auch die Initianten für zwei Fremdsprachen in der Volksschule einträten. Und zweitens habe die von der Gegenseite genährte Annahme, die Initiative führe zur Abschaffung des Frühenglischen, ihre Wirkung gezeigt. Für Lätzsch gilt es sich jetzt ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen, warum der Französischunterricht in der Volksschule so schlecht funktioniere.

Das Initiativkomitee akzeptiert die Niederlage zwar, fordert aber jetzt erst recht wirksame Massnahmen zur «operativen Verbesserung» des Sprachenkonzepts im Kanton Zürich. Als Sofortmassnahme denkt es an mehr Halbklassenunterricht. Ausserdem insistiert es auf einer Evaluation des Fremdsprachenunterrichts im Kanton Zürich, eine Forderung, welche die Bildungsdirektion seit sieben Jahren «aus unerfindlichen Gründen» ablehne. SekZH verlangt zudem, dass der kulturelle Austausch unter den Sprachregionen gefördert und neue Formen der Entlastung für schwache Schüler bis hin zur Abwahl einer Fremdsprache geschaffen werden.

Der grösste Stein dürfte Bildungsdirektorin Silvia Steiner vom Herzen gefallen sein. Als Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) wäre sie im Zentrum künftiger Sprachendiskussionen gestanden, die ihr Kanton ausgelöst hätte. Die Medienmitteilung der EDK zum Zürcher Abstimmungsausgang ist denn auch betont zurückhaltend und erwähnt Silvia Steiner mit keinem Wort. Sie umschreibt lediglich den Zürcher Entscheid und weist darauf hin, dass die geltende Sprachenstrategie der Kantone flächendeckend bis auf den Aargau, Appenzell Innerrhoden und Uri umgesetzt werde. Nidwalden habe schon im März 2015 eine ähnliche Initiative abgelehnt, heisst es in der Mitteilung. Nicht erwähnt wird der im Juni bevorstehende Entscheid des Thurgauer Parlaments, den Französischunterricht auf die Sekundarstufe zu verlegen.

Signalwirkung erhofft
Silvia Steiner deutete das Resultat an der Medienkonferenz der Zürcher Regierung am Sonntag als klare Bestätigung der Zürcher Bildungspolitik und als Bekenntnis zur Vielsprachigkeit des Landes. Die Zürcher seien für eine moderne, zukunftsgerichtete Schule mit Fremdsprachen eingetreten. Letztere seien für die Schüler Schlüsselkompetenzen, wenn es darum gehe, den Weg ins Leben und in den Beruf zu finden. Mit dem Entscheid sei der Zürcher Volksschule eine erneute grosse Reform erspart worden, die mit jahrelangen Umstellungen, Entwicklungen neuer Lehrmittel und Weiterbildungen verknüpft gewesen wäre.

Eine Zürcher Evaluation des Fremdsprachenunterrichts lehnte sie mit Verweis auf entsprechende nationale Pläne vorläufig ab. Nicht gerade auf Entzücken bei den Verlierern stiess ihre Erwartung, dass der Lehrplan 21 im Schulfeld entlastend wirken werde. Konkret nannte sie als Beispiel dafür nur die Aufstockung der Stundendotation für die Fremdsprachen in der Startphase.

Als EDK-Präsidentin ist Steiner froh um das Bekenntnis zum Harmos-Konkordat, das die Harmonisierung der Volksschulen regelt. Sie erhofft sich davon auch eine Signalwirkung für andere Kantone, in denen ähnliche Abstimmungen noch bevorstehen. Ob sich der Thurgau von Zürich noch beeinflussen lässt, ist offen. Der Kanton ist auch dem Harmos-Konkordat ferngeblieben.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen