1. April 2017

Thurgauer Lehrer weiterhin für eine Primarfremdsprache

Ob der Grosse Rat seine Absage ans Frühfranzösisch zurücknehmen wird, ist offen. Die Lehrer haben sich schon entschieden: Trotz nationaler Drohkulisse wollen sie nur eine Fremdsprache in der Primarschule.
Die Lehrer sagen weiter "non", Thurgauer Zeitung, 31.3. von Christian Kamm


Wenn die Lehrerschaft in Sachen Sprachenunterricht das Sagen hätte, dann wären die Tage des Frühfranzösisch im Kanton definitiv gezählt. In einer Umfrage des Lehrer-Dachverbandes Bildung Thurgau haben sich 54 Prozent und damit die Mehrheit der teilnehmenden Lehrpersonen für das Modell mit nur einer Fremdsprache auf der Primarstufe ausgesprochen.

Das Resultat fällt bei den Mittelstufenlehrern, die den eidgenössischen Sprachenkompromiss im Schulalltag umsetzen müssen, sogar noch deutlicher aus. 62 Prozent der am direktesten betroffenen Lehrkräfte sind für den Frühunterricht in nur einer Fremdsprache − dabei wird dem Englischen klar der Vorzug gegeben (70 Prozent).

Sekundarlehrer änderten Meinung
Das hätte man durchaus auch anders erwarten können. Denn nach der Ankündigung, den Französischunterricht auf der Primarstufe abzuschaffen, prasselte ein mediales Trommelfeuer auf den Thurgau nieder.

«Wir gingen davon aus, dass es kippen könnte», sagt auch Anne Varenne, Präsidentin von Bildung Thurgau, auf Anfrage. Erstaunlicherweise sei das nicht geschehen. Genauer gesagt: nur zum Teil. Die Sekundarlehrer für sich betrachtet, sind im Vergleich zur ersten Umfrage vor drei Jahren sehr wohl umgeschwenkt. Damals sprachen sich auch die Seklehrer noch für eine Fremdsprache aus, diesmal ist fast eine Zweidrittelmehrheit (63 Prozent) dafür, auf der Primarstufe Englisch und Französisch zu unterrichten. Geht im Gefolge der Verpolitisierung des Sprachenstreits der Röstigraben jetzt also mitten durch die Thurgauer Lehrerschaft? Hat sich ein Graben zwischen den verschiedenen Stufen aufgetan?

«Dem ist nicht so», antwortet Anne Varenne. Der Verband habe intensive Ursachenforschung betrieben, das Gespräch mit den Beteiligten gesucht und die Kommentare, die in der Umfrage gemacht worden seien, ausgewertet. Mit dem Resultat, dass «bei beiden Positionen die pädagogischen Argumente klar im Vordergrund stehen». Die nationale beziehungsweise interkantonale Argumentation spielt hingegen laut Erkenntnissen von Bildung Thurgau keine Rolle. Für die Haltung der Mittelstufenlehrer sei entscheidend, dass man seit zehn Jahren vergeblich für bessere Rahmenbedingungen im Sprachenunterricht kämpfe. Konkret: In der Mittelstufe brauche es zwingend eine vom Kanton bezahlte Lektion Halbklassenunterricht beim Sprachenlernen, sagt Varenne. Zudem wird eine unbürokratische Dispensationsregelung gefordert, um schwächere Schüler von Prüfungen und Noten zu befreien. Mehr als ein Drittel der Mittelstufenlehrer (37 Prozent) hat in der Umfrage denn auch angegeben, dass ihre Schüler mit zwei Fremdsprachen überfordert sind.

Mitte April kommt der Kommissionsbericht
Der Schwenker der Seklehrer lässt sich gemäss Bildung Thurgau mit der sprachenlastigen Stundentafel auf der Sekundarstufe erklären, welche die Regierung für den Fall der Abschaffung des Frühfranzösisch präsentiert hat. «Das kann man pädagogisch nicht akzeptieren», so Varenne. In den Stundentafeln würden − mit oder ohne Frühfranzösisch − nicht mehr alle Lektionen finanziert. «Diesen Abbau goutieren die Seklehrer überhaupt nicht.» Die Botschaft der Präsidentin von Bildung Thurgau an die Adresse der Politik heisst deshalb: «Unabhängig davon, ob sich der Grosse Rat für eine oder zwei Fremdsprachen entscheiden wird, es muss sich so oder so etwas ändern.»

Derweil rückt der Tag der politischen Entscheidung im Sprachenstreit näher. Die vorberatende Kommission des Grossen Rates hat ihre Beratungen über das Schicksal des Frühfranzösisch laut Präsident Urs Schrepfer (SVP, Busswil) abgeschlossen. Mitte April wird der mit Spannung erwartete Kommissionsbericht veröffentlicht. Dann wird sich weisen, ob die Politiker standhaft bleiben wollen wie die Lehrer oder umkippen.


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