Die vorberatende Kommission hält an
der Abschaffung des Frühfranzösisch fest. Sie lehnt einen Kompromissvorschlag
von Regierungsrätin Knill ab, mit dem Unterricht in der sechsten Klasse zu
beginnen.
Frühfranz im Thurgau: Auch nicht ab der Sechsten, St. Galler Tagblatt, 15.4. von Thomas Wunderlin
Die schweizweite Kritik macht im Thurgau keinen Eindruck. Ebenso
wirkungslos ist die Drohung von Bundesrat Berset, den Thurgau per Bundesgesetz
zur Räson zu bringen – jedenfalls bei der vorberatenden Kommission des Grossen
Rats, die sich mit der Abschaffung des Frühfranzösisch befasst. Sie empfiehlt
dem Grossen Rat mit neun zu fünf Stimmen, Bersets Muttersprache vom Stundenplan
der Thurgauer Primarschulen zu streichen.
Seit 1991 wird Französisch an Thurgauer Primarschulen ab der fünften
Klasse unterrichtet. 2009 kam Englisch ab der dritten Klasse dazu. Der Grosse
Rat erklärte 2014 mit 71 zu 49 Stimmen eine Motion zur Abschaffung des
Frühfranzösisch für erheblich: Die Schüler seien von einer zweiten Fremdsprache
überfordert. Der Regierungsrat, der sich dagegen gestellt hatte, versuchte, die
Motion in eigener Regie umzusetzen. SVP-Regierungsrätin Monika Knill kündigte
den Ausbau des Französischunterrichts an der Sekundarschule an. Damit sollten
Thurgauer Schulabgänger ebenso gut – oder schlecht – Französisch sprechen wie
bisher.
Die vom Amt für Volksschule erarbeiteten Stundentafeln stiessen auf
Kritik: Die Gesamtstundenzahl werde zu hoch, der Unterricht zu sprachenlastig.
Der Regierungsrat entschied, dem Grossen Rat eine Gesetzesvorlage zur
Abschaffung des Frühfranzösisch zuzustellen. Somit kann das Kantonsparlament
ein zweites Mal darüber entscheiden. Ausserdem erhalten so allenfalls die
Thurgauer Stimmbürger das letzte Wort.
Die Kommission lehnte mit zehn zu drei Stimmen einen Kompromissvorschlag
der Erziehungsdirektorin ab, mit dem Französischunterricht erst in der sechsten
Klasse zu beginnen, mit drei Lektionen pro Woche. Damit wäre das Problem der
überfüllten Stundentafeln an den Sekundarschulen gelöst worden. «Zudem dürfte
sich auch der Bund mit dieser Lösung zufrieden geben», heisst es im
Kommissionsbericht. Bestehen bliebe der Nachteil, dass der Thurgau mit der
Sprachenstrategie der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) brechen würde und den
Sprachenfrieden störe. Die EDK hatte sich 2004 auf das Modell 3/5 geeinigt: die
erste Fremdsprache soll ab der dritten Klasse gelernt werden, die zweite ab der
fünften. 23 Kantone haben dieses Modell mittlerweile eingeführt.
Die Wissenschaft hilft nicht weiter
«Die Kommission nahm zur Kenntnis, dass man auf den Beizug von Studien
als Entscheidungsgrundlage zum jetzigen Zeitpunkt verzichten sollte», schreibt
Kommissionspräsident Urs Schrepfer (SVP). Im Auftrag von Bund und Kantonen
erstellte die dänische Universität Aarhus eine Forschungsübersicht. «Das
ernüchternde Fazit» gemäss Schrepfer: «Keine der verschiedenen Präferenzen zum
Fremdsprachenunterricht kann wissenschaftlich positiv oder negativ untermauert
werden.»
Mehrere Kommissionsmitglieder äusserten gemäss Schrepfers Bericht ihren
Unmut darüber, dass die Stundentafeln der Sekundarschule «keinen wirklichen
Lösungsansatz» enthalten hätten: «Man stellte sich die Frage, ob die
präsentierte Lösung nicht einfach die ablehnende Haltung des Regierungsrats
gegenüber der Motion widerspiegle.» Kritisiert wurde insbesondere, dass die
Schüler der Stammklasse G Französisch nach der ersten Sekundarklasse nicht mehr
abwählen könnten.
Die Frühfranzösischgegner in der Kommission erklärten ihre Haltung auch
damit, dass die ab August 2017 geltenden Stundentafeln keine Verbesserung des
Französischunterrichts brächten. Gemäss Bericht fehlt ihnen «das Vertrauen in
das Amt für Volksschule», die Situation mit dem Modell 3/5 nachhaltig und
deutlich zu verbessern.
Die Kommissionsmehrheit sieht kein Problem in der gefährdeten
Harmonisierung der kantonalen Schulsysteme. Auch innerhalb der Thurgauer
Schulgemeinden gebe es Unterschiede. Zudem sei ein Wechsel von Schulkindern
zwischen den Kantonen vernachlässigbar. Den nationalen Zusammenhalt sieht die
Kommissionsmehrheit nicht gefährdet. Laut Bericht ist die «grosse Mehrheit» der
Kommission der Meinung, «dass Frühfranzösisch in dieser Hinsicht überbewertet
sei».
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