29. April 2017

Ombudsstelle für Schulen

Heute enden Schulkonflikte des Öfteren vor Gericht. Im Kanton Zürich klagten kürzlich Eltern eines 6.-Klässlers gegen die Benotung eines Aufsatzes. Der Schüler hatte durch die schlechte Note 2 die Aufnahme ans Langzeitgymnasium verpasst. Zu viel für die Eltern, die ihren Sohn unbedingt an der Mittelschule sehen wollten. Letztlich gab das Gericht ihnen teilweise Recht: Der Aufsatz muss nun neu bewertet werden.
Zoff mit Eltern: Lehrer wollen Ombudsstelle für Schulen, Aargauer Zeitung, 29.4. von Yannick Nock

Juristische Auseinandersetzungen sind nur der Höhepunkt einer längeren Entwicklung. In den vergangenen Jahren haben Konflikte in den Klassenzimmern deutlich zugenommen. «Eltern streiten sich heute schneller mit Lehrern als noch vor zehn Jahren», sagt Jürg Brühlmann, Bildungsexperte des Lehrerverbands. «Durch die Wirtschaftskrise 2008 und die digitale Entwicklung fürchten viele um die Zukunft ihrer Kinder», sagt er.

Einerseits seien die Eltern anspruchsvoller geworden, andererseits hätten sie weniger Hemmungen, ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. «Lehrer galten früher als Respektspersonen, heute müssen sie sich öfter rechtfertigen.» Besonders junge Lehrkräfte müssten sich einiges anhören. Eltern schreien auf, wenn ihr Kind nicht fürs Gymnasium empfohlen wird, sie feilschen um bessere Noten, sie kritisieren die Hausaufgaben. Auf der anderen Seite fühlen sich viele Väter und Mütter missverstanden und sehen ihren Nachwuchs unfair behandelt.

Der Schweizer Lehrerverband hat deshalb reagiert und ein neues Positionspapier für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Eltern erarbeitet. Darin stellt der Verband
sechs Forderungen. Zentral ist die Gründung einer unabhängigen Ombudsstelle, damit Konflikte nicht eskalieren und vor Gericht enden. Früher hätten Schulinspektoren die Rolle des Vermittlers übernommen, sagt Brühlmann, doch diese Position gebe es vielerorts nicht mehr.

Pflichtfach Elterngespräch
Eine weitere Forderung betrifft die Ausbildung: Die Pädagogischen Hochschulen müssten künftig die Kommunikation mit Eltern als zentrales Element in die Ausbildung aufnehmen – und später weiterführen. So heisst es im Positionspapier: «Beim Berufseinstieg erhalten Lehrpersonen durch die Schulleitung und Mentoren ausreichend Unterstützung.»

Bernard Gertsch, Präsident des Schulleiterverbands, begrüsst den Vorstoss. Die Schulleiter würden bei Konflikten schon heute als Moderator auftreten, sagt er. Wenn sie sich aber auf die Seite des Lehrers stellten, hätten Eltern schnell das Gefühl, einer Übermacht gegenüberzustehen. Dann würden manche mit juristischen Schritten drohen. Gertsch nennt ähnliche Ursachen der Entwicklung: «Durch den technischen Fortschritt wird es in 20 Jahren viele Berufe in der heutigen Form nicht mehr geben», sagt er. Das bereitet Eltern Sorgen – und lässt das Vertrauen in die Lehrer sinken.
Studien belegen den Trend. In der grossen Umfrage «Global Teacher Status Index 2013» einer britischen Non-Profit-Organisation wurde in 21 Ländern das Ansehen von Lehrern analysiert – die Schweiz landete auf Platz 15. Schweizer Schüler haben demnach wenig Respekt vor ihren Lehrern. Das gilt auch für Eltern, denn die hiesige Bevölkerung glaubt laut Studie, dass viele Lehrer keinen guten Job machen.
Das Positionspapier des Lehrerverbands will das Zusammenspiel mit den Eltern nun verbessern. Doch das ist nur der Anfang. Zurzeit arbeitet der Verband an einem
30-seitigen Leitfaden, der Fallbeispiele und passende Lösungen beinhaltet. Er soll im Herbst präsentiert werden.


1 Kommentar:

  1. Es ist völlig blauäugig zu denken, Kurse für Elterngespräche würden etwas bringen. Das Problem liegt doch in den Strukturen: Wenn eine Aufnahme an eine weiterführende Schule von der Beurteilung durch die Lehrkraft abhängt, ist es doch klar, dass diese Person unter Druck gesetzt wird. Gleiches gilt für den methodischen Ansatz beim Fremdsprachenlernen. Da nützen die besten rhetorischen Tricks nichts - die Lehrkraft ist exponiert und muss für etwas den Kopf hinhalten, das ihr andere eingebrockt haben. Die Eltern laufen Sturm gegen Einstufungen/Promotionsentscheide, die sich leicht anfechten lassen, weil die Lehrkräfte überfordert sind, die teilweise absurden Reglemente umzusetzen, geschweige denn einzuhalten. Immer mehr erfahrene Leute verabschieden sich deshalb von der 5./6. Primar.

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