In
Baselland besuchen in diesem Schuljahr erstmals Kinder die Sekundarstufe, die
vier Jahre Frühfranzösisch in der Primarschule hinter sich haben. Zeit für eine
erste Bilanz: Funktioniert das neue Fremdsprachenkonzept? In Baselland gehen
die Meinungen weit auseinander.
Frühfranzösisch in Baselbieter Schulen - Flop oder Erfolg, SRF Regional, 18.4. von Patrick Künzle
Französisch-Lehrmittel in der Kritik, SRF Regional, 18.4.
Französisch
ab der 3. Primar-Klasse, Englisch ab der 5. Klasse. Das gilt in den sechs
Deutschschweizer Kantonen Baselland, Basel-Stadt, Solothurn, Bern, Wallis und
Fribourg. Diese Kantone haben sich zusammengeschlossen und unterrichten seit
2011 mit dem neuen Fremdsprachen-Konzept Passpartout und komplett neuen
Sprach-Lehrmitteln. Stellt sich die Frage, wie gut funktioniert das Konzept?
Philipp
Loretz ist Französisch-Lehrer an einer Baselbieter Sekundarschule und
Vorstandsmitglied des Lehrervereins, des kantonalen Lehrerverbandes. Sein
Befund lautet: Nach vier Jahren Frühfranzösisch sind die Sprachkenntnisse der
Schülerinnen und Schüler bescheiden. «Den Schülern mangelt es vor allem am
Alltagswortschatz. Sie sind es nicht gewohnt, sich mündlich frei zu äussern»,
kritisiert er.
Umfrageergebnisse lassen aufhorchen
Mit
dieser Einschätzung ist er nicht alleine. Der Lehrerverband hat eine Umfrage
gemacht unter knapp 50 Sekundarlehrkräften. Sie alle unterrichten Kinder, die
frisch von der Primarschule kommen. Die Resultate lassen aufhorchen: 97 Prozent
der Lehrer sagen: Ihre Schützlinge hätten nach vier Jahren Frühfränzösisch
einen schlechten oder nicht so guten Wortschatz. Eine Umfrage im Nachbarkanton
Solothurn hat ähnliche Ergebnisse gezeigt - und auch im Kanton Bern gab es
schon ähnliche Kritik.
Aber was
heisst das, ein schlechter Wortschatz? Eine Lehrerin, die anonym bleiben
möchte, um Konflikte mit ihrer Schulleitung zu vermeiden, erzählt: Ihre Schüler
hätten sich in der ersten Französisch-Lektion in der Sekundarschule nicht
einmal selber vorstellen können. Mit einem Satz wie «Ich habe einen Bruder»
seien sie überfordert gewesen.
Lehrmittel sind umstritten
Er
erhalte etliche solcher Rückmeldungen von Lehrkräften, sagt Philipp Loretz vom
Lehrerverband. Eines betont er aber: Schuld an den schwachen
Französischkenntnissen seien seiner Meinung nach nicht die Primarlehrer. Diese
würden engagiert unterrichten. Das Problem liege bei den neuen Lehrmitteln.
Die Idee
dieser Lehrmittel ist, dass Schülerinnen und Schüler die Fremdsprache auf
natürliche Weise lernen, so wie sie es mit ihrer Muttersprache getan haben. Sie
sollen nicht in erster Linie Wörter und Grammatik pauken, sondern die neue
Sprache möglichst oft hören. Von Anfang an sollen sie sich mit komplizierten
Texten auseinander setzen. Der Lehrerverband findet: Dieses Konzept
funktioniere nicht: «Diese Didaktik geht davon aus, dass man in der Schule eine
Sprache wie eine Muttersprache lernen kann. Und das ist natürlich nicht
möglich.»
Passepartout-Autoren wehren sich
Ist das
neue Fremdsprachenkonzept Passepartout also zum Scheitern verurteilt? Nein,
sagt Gwendoline Lovey von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Sie ist
Mitautorin der neuen Lehrmittel und unterrichtet selber Französisch auf der
Primarstufe. Den Vorwurf, die Kinder seien nach vier Jahren Frühfranzösisch mit
einfachsten Sätzen überfordert, könne sie nicht nachvollziehen. Ihre eigenen
Schüler könnten auch mit komplizierten Texten umgehen - und hätten Freude
daran.
Dass das
Passepartout-Konzept bei Lehrerinnen und Lehrern teilweise auf Widerstand
stösst, überrasche sie aber nicht. Es bedeute eine grosse Umstellung und könne
alle Beteiligten verunsichern. «Auch gegen das heutige Mathematik-Lehrmittel
gab es bei dessen Einführung zunächst Bedenken.» Langfristig aber, davon ist
sie überzeugt, würden sich die Lehrkräfte an die neuen Lehrmittel gewöhnen -
und die Schüler und Schülerinnen würden davon profitieren.
Bildungsdirektorin bittet um Geduld
Aber was
heisst das nun: Ist das neue Fremdsprachenkonzept ein Erfolg oder ein Flop? Die
Bildungsdirektorin in Baselland, Monica Gschwind, sagt: Es sei noch zu früh, um
dies zu beurteilen. «Wir müssen dem Konzept Zeit geben», findet sie. Die sechs
Kantone, die sich für das neue Fremdsprachen-Konzept zusammengeschlossen haben,
hätten eine Evaluation in Auftrag gegeben. Aussagekräftige Resultate gebe es
aber erst in drei Jahren. Sie biete den kritischen Sekundarlehrkräften jedoch
an, jetzt mit ihr zusammen an Verbesserungen zu arbeiten.
Sicher
ist aber: Die Diskussion über das Fremdsprachenkonzept gehen in Baselland
weiter. Es ist eine Volksinitiative hängig, die den Ausstieg aus Passepartout
fordert.
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