Das Lehrmittel «Mille feuilles» hat in Basel-Stadt schon manche Eltern
zum Verzweifeln gebracht. Der Aufbau, ohne System und Logik, sei unbrauchbar
und wirr, monieren sie. Die Verfasser argumentieren jedoch, so könnten die
Schüler Französisch wie eine Muttersprache lernen. Das Sprachverständnis stehe
im Vordergrund, die grammatikalischen Kenntnisse würden zunächst
vernachlässigt, jedoch später problemlos aufgeholt. Doch Eltern wundern sich,
weil ihre Kinder auch nach zwei Jahren Unterricht in den Ferien kein Coca-Cola
auf Französisch bestellen können und «Schö» anstatt «Je» schreiben.
Und jetzt das: Das Erziehungsdepartement würde es begrüssen, wenn Eltern
mithelfen und ihre Kinder unterstützen. Im neusten «Elternbrief» wird
beschrieben, wie sie dabei am besten vorgehen.
Jetzt müssen die Eltern ran, Basler Zeitung, 19.4. von Franziska Laur
Das kritisiert die «Starke Schule beider Basel». «Der Newsletter enthält
zahlreiche manipulativ verfasste Passagen», schreibt Vorstandsmitglied Michael
Pedrazzi. Das Erziehungsdepartement versuche krampfhaft, den Eltern die neue
Fremdsprachendidaktik und die entsprechenden Lehrmittel als etwas Positives und
Nützliches zu verkaufen. Ein kläglicher Versuch einer Durchhalteparole für ein
gescheitertes Experiment auf Kosten der Schulkinder.
Die «Starke Schule beider Basel», die bis vor Kurzem noch «Starke Schule
Baselland» hiess, hat neu einen Vertreter für die Stadt. Dieser heisst Felix
Schmutz und hat selber bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2011 während 38
Jahren Deutsch, Französisch und Englisch an der Sekundarschule I unterrichtet.
Das Erziehungsdepartement gestehe in seinem Elternbrief ein, dass die
wöchentliche Lektionenzahl nicht ausreiche, um die hochgesteckten Ziele zu
erreichen, sagt er. Dass den Eltern jetzt gar empfohlen werde, private Initiative
zu entwickeln und Austauschprogramme zu nutzen, anstatt dass man das Projekt
stoppe, sei eine Zumutung. «Das ist nicht nur das Eingeständnis einer
Fehlplanung, sondern ein Abschieben der Verantwortung für das Gelingen des
Fremdsprachenerwerbs.»
Verwirrung und Überforderung
«Die Interpretation, dass der Elternbrief dazu auffordert, die Arbeit
der Lehrpersonen zu übernehmen, ist Unsinn. Es geht darum, aufzuzeigen, wie
Eltern ihre Kinder unterstützen können», sagt Simon Thiriet, Mediensprecher des
Erziehungsdepartements. Das sei ein Bedürfnis und deshalb habe das ED den
aktuellen Elternbrief nicht zuletzt auch auf Wunsch der Eltern verfasst.
Allerdings ist es absolut nicht der Wunsch aller Eltern. Katja Christ,
GLP-Grossrätin und Mutter zweier schulpflichtiger Kinder, findet es
inakzeptabel, dass die Volksschule einen solch frühen Fremdsprachenunterricht
einführt und dann mit Erwartungen auf die Eltern zugeht, wenn sie merkt, dass
das Konzept nicht aufgeht. «Der Titel: ‹Keine Angst vor den Fremdsprachen!›
lässt mich erschauern», sagt sie. Man stelle sich vor, dass für jedes Schulfach
so viel Unterstützung von zu Hause erwartet würde. Auch gebe es Familien,
welche die notwendige Unterstützung zu Hause nicht bieten können.
Ganz abgesehen davon könne ein solches Engagement fast unzumutbar
aufwendig und verwirrend sein, sagt Katja Christ. Es heisse, man solle mit
Fehlern der Kinder «grosszügig» umgehen. «Was ist ‹grosszügig›? Ich bin
komplett verwirrt», stellt sie fest. Doch da sie eine pflichtbewusste Mutter
ist und es ihr selbstverständlich auch am Herzen liegt, ihre Kinder zu fördern,
hat sie sich an das Unterfangen gemacht. Sie unterstützt und motiviert sie,
lässt sie an Tablets und Computer, damit sie Tools und Apps benutzen können.
Doch dazu musste sie zuerst einen Account beim Schulverlag Schweiz einrichten
und danach die Nutzungslizenz, eine Artikel- und eine Lizenznummer eingeben,
welche das Kind mit nach Hause bringt. «Nach dem ersten erfolglosen Versuch auf
dem PC habe ich es dann auf einem Mac versucht und schliesslich auch geschafft.
Wie viel Zeit und Nerven mich das gekostet hat, bleibt mal Nebensache», sagt
sie.
Nun wäre es ja eigentlich an der Zeit, dass der neue Bildungsdirektor
Conradin Cramer (LDP) Stellung nimmt. Doch er hüllt sich in Schweigen und
beruft sich auf seine 100 Tage Schonfrist. Allerdings räumte er an der
Kantonalen Schulkonferenz vor rund 2700 Lehrern ein, dass man von ihm vorläufig
keine grossen Veränderungen erwarten müsse. Es sei die Zeit der Konsolidierung;
er werde bestimmt nicht beim ersten Widerstand alles rückgängig machen, was
sein Vorgänger eingeführt habe. So sei zwar auch ihm der Ansatz des
Französisch-Lehrmittels «Mille feuilles» ungewohnt, doch er werde aufgrund der
Kritik bestimmt nicht voreilig die Übung abbrechen.
Kritik zum Verstummen bringen
Mit Felix Schmutz hat sich jedoch ein Mann in die Debatte eingeschaltet,
der kein Blatt vor den Mund nimmt. Was jetzt geschehe, sei der Versuch, die
Kritik der Eltern durch Anbiederung zum Verstummen zu bringen. Dabei werde der
frühere Unterricht pauschal schlechtgeredet, die neue Didaktik trotz
verbreiteter Kritik hochgeputscht. Die Unterrichtsziele seien widersprüchlich:
So propagiere man die mündliche Verständigung, fördere zu Beginn jedoch nur das
Textverständnis. Den frühen Beginn des Französisch-Unterrichts im 3. Schuljahr
könne er nur befürworten, wenn das imitierende Nachsprechen, Singen oder
Agieren im Rollenspiel mit einfachem Sprachmaterial als Einstieg gewählt würde.
Doch bei der neuen Methodik werde das Sprechen abstrakten Strategien geopfert,
die dem Primarschulalter nicht angemessen seien.
Das Erziehungsdepartement ist jetzt dabei, das gesamte Sprachenkonzept
mittels zweier Überprüfungen zu evaluieren. 2018 sollen die Resultate
vorliegen.
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