3. Februar 2017

Negativtrend bei Skilagern gestoppt

Es war im Jahr 2014, als die Alarmglocken schrillten: Damals gab das Bundesamt für Sport bekannt, dass die Anzahl von Skilagern zwischen den Jahren 2009 und 2014 von 2700 auf 2000 gesunken war. Verantwortliche aus den Bereichen Sport, Tourismus und Bildung erkannten, dass nun aktives Engagement gefragt war, um die Abwärtsspirale zu stoppen. Aus diesem Anlass entstand der Verein Schneesportinitiative. Als Nonprofit-Organisation legt sie ein Augenmerk auf die Schulen und bietet Lehrkräften auf einer Homepage Pakete an, die von der Gruppenunterkunft mit Vollpension über die Sportausrüstung bis zum Abonnement für die Bergbahnen reichen.
In den 70-er Jahren fuhren noch alle Ski - heute darf in den Lagern auch geschlittelt oder Eishockey gespielt werden, Bild: Keystone
Skilager finden wieder Zulauf, NZZ, 3.2. von Susanna Ellner

Diese Saison 1000 Kinder mehr
Tatsächlich scheint das Go-Snow-Angebot zu überzeugen: Während in der letzten Saison 70 Schneesportlager mit 2000 Schülerinnen und Schülern vermittelt werden konnten, waren es in der laufenden Saison bereits 3000 Kinder und Jugendliche. «Der Negativtrend scheint gestoppt», sagt Geschäftsführer Olé Rauch. Vom Ziel, jährlich 10 000 Minderjährige zu vermitteln, sei man aber noch weit entfernt. Und dieses wird nicht leicht zu erreichen sein. Denn die Gründe, weshalb in der Vergangenheit weniger Wintersportlager durchgeführt wurden, haben sich kaum verändert.

«Lehrer müssen nebst dem Schulunterricht heutzutage eine Reihe weiterer Aufgaben übernehmen, so dass ein Skilager nicht mehr oben auf der Prioritätenliste steht», sagt Beat Friedli, stellvertretender Amtsleiter des Sportamts Kanton Zug. Ausserdem sei es längst keine Selbstverständlichkeit mehr, dass die Lehrer eine zusätzliche, freiwillige Ausbildung bei der Organisation Jugend und Sport (J+S) absolviert hätten und somit professionell ausgebildet wären. Auch die grosse Verantwortung ist ein Grund für die abnehmende Motivation: «Früher sagten die Eltern dem Kind bei einem Beinbruch: ‹Dumm gelaufen – du hast zu wenig aufgepasst.› Heute prangern sie die mangelnde Aufsicht der Leiter an», fügt Rauch hinzu.

Dass sich nicht genug Lehrer zur Verfügung stellten, bedeutete denn auch beispielsweise im Berner Schulkreis Bethlehem vor rund drei Jahren das Ende der Schneesportlager. «Aus dem Kollegium konnten wir kein Leiterteam mehr zusammenstellen», sagt der geschäftsführende Schulleiter Daniel Kohli. Zwar würden für 2018 Überlegungen gemacht, ein Lager zu lancieren, doch dann müssten sich auch genug Schüler anmelden – das fehlende Interesse der Jugendlichen trug damals ebenfalls zur Abschaffung bei. Diese Erfahrung haben auch andere Schulen gemacht und daraus ihre Lehren gezogen. Die traditionellen Ski- und Snowboardlager werden mittlerweile durch andere Wintersportarten wie Eishockey, Langlauf oder Schlitteln erweitert. Eine Entwicklung, die durchaus auch im Sinn der Schneesportinitiative ist.

«Nicht jeder ein Didier Cuche»
«Wir wollen nicht aus jedem Kind einen Didier Cuche machen, aber der Nachwuchs soll einen Bezug zum Schnee haben», ist Rauch der Ansicht. Klar ist, dass der Winter für die Tourismusregionen eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung hat: 80 Prozent des Umsatzes werden während dieser Jahreszeit erzielt. Zugleich kommt dem Schneesport aber auch eine kulturelle Bedeutung zu – und die gelte es zu fördern, besonders bei Kindern von Migranten, findet Rauch. Dass man diesem Bezug vermehrt Beachtung schenken muss, haben inzwischen auch die Bergkantone gemerkt. So werden in Chur alle Kindergärtler während der regulären Unterrichtszeit mehrmals auf die Skis gestellt. «Veränderungen erzielen wir nur dann, wenn wir bei der Basis ansetzen», ist Thierry Jeanneret von der kantonalen Stelle Graubünden Sport überzeugt. Diese Sicht teilen auch andere Kantone: Schneesportlager während der Schulzeit werden zunehmend zur Pflicht – auch in Städten, wo in einzelnen Klassen mit hohem Ausländeranteil 85 Prozent der Schüler über keine eigene Ski- oder Snowboardausrüstung verfügen, wie etwa in Basel-Stadt. Dort können die Kinder und Jugendlichen das fehlende Material zu günstigen Konditionen bei J+S mieten.

Snowboarden nicht mehr «in»
«Schulen, die Mühe haben, genügend Lehrpersonen zu finden, empfehlen wir, das Leiterteam mit jungen J+S-Leitern zu ergänzen, im besten Fall sogar mit ehemaligen Schülern», sagt Angela Batschelet, stellvertretende Amtschefin des Sportamts Kanton Zürich. Das Sportamt beobachtet, dass die Nachfrage nach Schneesportlagern nach wie vor vorhanden ist, zumal die Zahlen in den vom Sportamt organisierten Camps von einer gewissen Stabilisierung zeugen (siehe Grafik). Abwärts gehen werde es aber bestimmt in einem Bereich: «In den nächsten Jahren werden die Skifahrer die Snowboarder überholen.» Standen bei den Lagern des Sportamts 1999 noch 581 Snowboarder 97 Skifahrern gegenüber, folgten 2016 den 227 Snowboardern die 187 Skifahrer schon geradezu dicht auf den Fersen.


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