«Nach zwei Jahren Primar beginnen nun unsere
Kinder mit Frühfranzösisch. Vorne wird in französischer Sprache unterrichtet,
doch die Schüler verstehen kein Wort», sagt Katja Christ, Präsidentin der
Grünliberalen, Grossrätin und Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern. Und
das sei auch begreiflich: «Viele Kinder können zu diesem Zeitpunkt ja nicht
einmal richtig Deutsch.» Der Lernerfolg durch das neue Französisch-Lehrmittel
«Mille Feuilles», das in Basel-Stadt, Baselland, Bern, Freiburg, Solothurn und
im Wallis zum Einsatz kommt, wird nicht nur von ihr infrage gestellt.
Fremdsprachendidaktik zielt an der Realität vorbei, Bild: Schulverlag plus AG
Gewirr im Blätterwald, Basler Zeitung, 4.2. von Franziska Laur
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Kinder als Versuchskaninchen
«Mille Feuilles» will Handeln und Kommunizieren statt Grammatik
und Vokabelnpauken in den Vordergrund stellen. In der Praxis werden den Kindern
oft Texte und Wörter vorgesetzt, deren Bedeutung sie gar nicht richtig
verstehen. So müssen sie sich beispielsweise mit Begriffen wie «percnoptère»,
französisch für «Schmutzgeier», auseinandersetzen. Ein Begriff, den gar viele
Fortgeschrittene nicht kennen. Auch Fehler machen ist Teil des Konzepts. So
übersetzen die Kinder «ich» anfangs mit «schö», ohne dass ein Lehrer das
berichtigt.
Katja Christ ist eine Kritikerin des Frühfranzösisch im
Allgemeinen und des «Mille Feuilles» im Speziellen. Unterstützung bekam sie
durch die Studie von Simone Pfenninger, die aufzeigt, dass der
Frühfremdsprachenunterricht, so wie er heute betrieben wird, nichts bringt.
Jetzt kommt es noch dicker. Diesen Sommer kommen die ersten Jugendlichen
an die Gymnasien, die bereits ab der dritten Klasse Französisch lernen. Gestern
berichtete die Berner Zeitung, dass in Bern der
Grammatikteil der Aufnahmeprüfung für das Gymnasium gestrichen werden musste.
Grund: Die Schüler können immer noch kaum Verben konjugieren. Dies ist nicht
nur ein Frust für die Schüler, sondern auch für die Gymnasiallehrer, die nun
nach- holen müssen, was vorher nicht stattgefunden hat. «Das erstaunt mich
wenig», sagt Christ. «Schade um eine ganze Schülergeneration, die als Versuchskaninchen
herhalten musste.»
In Basel müssen die Prüfungen für das Gymnasium nicht angepasst
werden. Jedoch nur aus dem Grund, weil bei diesen Aufnahmeprüfungen fürs
Gymnasium gar kein Französisch, sondern nur Deutsch und Mathe abgenommen
werden. Anzunehmen ist, dass die Basler Schüler um keinen Deut besser als die
Berner abschneiden würden.
«Zwei Wochenstunden reichen einfach nicht, um das vom Lehrmittel
vorgesehene und zum Lernerfolg notwendige Sprachbad zu nehmen», sagt Katja
Christ. Hinter «Mille Feuilles» stecke die Idee, dass die Kinder die
Fremdsprache wie eine Muttersprache einsaugen. Dies funktioniere mit einem
solch kleinen Wochenpensum nicht. Insgesamt hätten die Kinder in der
obligatorischen Schulzeit sogar weniger Französisch-Unterricht als in Zeiten,
als man erst in einer späteren Klasse, dafür intensiver mit dem Unterricht
begonnen habe.
Mehr Deutschstunden
Tatsächlich hat die Studie von Simone Pfenninger herausgestrichen,
dass ein früher Sprachenunterricht nur etwas bewirkt, wenn er intensiv
betrieben wird. Mehr noch: Frühe Fremdsprachen können auf kurze Sicht die
Muttersprache beeinträchtigen. Erziehungsdirektor Christoph Eymann jedoch
wischte die Erkenntnisse mit der flapsigen Bemerkung hinweg, die Studie sei
qualitativ nicht genügend. Dabei stützte er sich auf Argumente, die Pfenninger
später widerlegen konnte.
Im Grossen Rat ist der Aufruhr beschränkt – nicht zuletzt,
weil viele Parlamentarier keine Berührungspunkte haben. So ist Katja Christ
eine der letzten verbliebenen Kämpferinnen, die auf verschiedenen Ebenen für
einen vernünftigen Fremdsprachenunterricht plädiert. Sie fände es um einiges
sinnvoller, wenn zuerst mehr in Deutschunterricht investiert und mit
Französisch später, dafür intensiver und strukturierter sowie mit alltagstauglicherem
Wortschatz begonnen würde.
Ich bin selbst Schüler der ersten Welle die diesen Horror durchmachen muss (Jahrgang 2002). Jetzt in der 9. Klasse der Volksschule habe ich vom Lehrmittel selbst kaum nützliche Vokabeln gelernt und beim Konjugieren hilft es erst nicht. Alles an Französisch was ich bis jetzt kann (nicht viel) kann ich durch die Unterstützung meiner Eltern und den Abweichungen vom Lehrmittel durch meine Lehrer. Zum Wohle der Schülerinnen und Schüler der Zukunft sollte man bis eine VÖLLIG überarbeitete Version des Lehrmittels erschienen ist, wieder auf "Bonne Chance" umsteigen.
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