Die heftige Kritik von Schweizer Bildungsvertretern, die neuste internationale Vergleichsstudie sei wertlos, droht zu verpuffen. In ihrem Antwortschreiben jedenfalls zeigt sich die OECD uneinsichtig.
OECD zeigt kein Gehör für Schweizer Kritik am Pisa-Test, Südostschweiz, 7.2. von Dennis Bühler
Kein
gutes Haar liess die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) an der
neusten Pisa-Studie, als diese im Dezember von der Organisation für
vvmschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) präsentiert wurde. «Es
wäre verfehlt, diese unzureichenden Daten aus bildungspolitischer Sicht zu
interpretieren oder gar Schlussfolgerungen für unser Schulsystem zu ziehen»,
sagte der damalige EDK-Präsident Christoph Eymann. Der Grund für die schlechte
Laune der Bildungsvertreter: Erstmals hatten die Schüler den Pisa-Test am
Computer statt mit Bleistift und Papier
gelöst, zudem hatten die Studienautoren an Stichprobe und Punkteskala
geschraubt. Damit, so die Kritik aus Bern, sei weder die Vergleichbarkeit mit
früheren Erhebungen noch die Vergleichbarkeit zwischen den 72 teilnehmenden
Staaten gegeben. Statt eigener Rückschlüsse prä- sentierte die EDK den
Medienvertretern im Dezember daher einen geharnischten Protestbrief zuhanden
der in Paris ansässigen OECD. Mit der Pisa-Studie erhebt die OECD alle drei
Jahre das Leseverständnis und die mathematischen und naturwissenschaftlichen
Fähigkeiten der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler.
Inzwischen
hat der Generalsekretär der OECD Jose Angel Gurria reagiert. Im dreiseitigen
Antwortschreiben, das der «Südostschweiz» vorliegt, zeigt sich der frühere
Finanz- und Aussenminister Mexikos uneinsichtig. «Wir können versichern, dass
die Schweizer Resultate vollständig vergleichbar sind», schreibt Gurria. Für
die Vermutung, die methodischen Änderungen hätten sich hierzulande signifikant
ausgewirkt, bestehe keinerlei Anlass.
«Antwort besticht nur durch ihre Länge»
Bei der
EDK gibt man sich ernüchtert. «Die OECD-Antwort besticht vor allem durch ihre
Länge, die aufgeworfenen Fragen sind damit aber weder geklärt noch
beantwortet», sagt Sprecherin Gabriela Fuchs. Die Schweizer Forderungen werde
man nun über das zuständige Pisa Governing Board der OECD einzubringen versuchen. Dies freilich
dürfte mühselig werden: Das Gremium, dem 36 Staaten angehören, fällt seine
Entscheide einstimmig.
Parallel
knüpft die EDK Kontakte zu Wissenschaftern aus dem In- und Ausland, die die
Kritik an der Pisa-Studie teilen. «Gemeinsam wollen wir herausfinden, was sich
im Hinblick auf die nächste Erhebung im kommenden Jahr tun lässt, damit wir
wieder ein aussagekräftiges und belastbares Resultat erhalten», sagt Fuchs. Bis
im Sommer sollen erste Erkenntnisse vorliegen. Vor allem in Deutschland und Österreich dürfte die
Offensive der EDK Unterstützung erfahren - auch in Berlin und Wien nämlich
wurde die Pisa-Studie skeptisch aufgenommen. So veröffentlichte etwa das
Fachmagazin «Diagnostica» kürzlich eine ausführliche Analyse mehrerer namhafter
deutscher Forscher, die nahelegte, dass der Wechsel von Papier- und-Bleistift-
auf Computer-Tests die Trendschätzung für Deutschland verzerrt haben könnte.
Bei der
OECD will man den Methodenwechsel dennoch nicht hinterfragen. Den Umgang mit
Computern zu erlernen sei längst integraler Teil der Vorbereitung auf ein Leben
im 21.Jahrhundert, heisst es. Im Kern gehe es um die akademische Frage, wie man
mit Veränderungen umgehen wolle, sagt Sprecher Matthias Rumpf. «Die
Fragestellung ist dieselbe wie beim Warenkorb, mit dem man die Inflation misst:
Soll er stets unverändert bleiben oder neuen Konsumgewohnheiten angepasst werden?»
Über die Absender der Kritik wundert sich Rumpf: «Weder die Schweiz noch
Deutschland gelten als hinterwäldlerisch, was die Nutzung digitaler Geräte im
Alltag angeht. Es wäre deshalb sehr erstaunlich, wenn ausgerechnet hier
Schülerinnen und Schüler beim Pisa-Test besondere Schwierigkeiten mit der Bedienung
von Tablets gehabt hätten.»
Steigt die Schweiz aus Pisa aus?
In der
EDK erwägt man derweil bereits den Ausstieg aus Pisa für den Fall, dass man in
Paris weiterhin auf taube Ohren stösst. Verweigere die OECD eine ernsthafte
Diskussion, werde er den Antrag stellen, schon 2018 nicht mehr teilzunehmen,
sagte der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker, Mitglied im
EDK-Vorstand, im Dezember zur «Ostschweiz am Sonntag». Denn obwohl die
Pisa-Studien immer teurer und teurer würden, könne die Schweiz kaum mitreden,
so der SVP-Politiker.
EDK-Präsidentin
Silvia Steiner sagt auf Anfrage, über die Zukunft der Pisa-Studie könne erst
entschieden werden, wenn alle Grundlagen vorlägen. Im Unterschied zu Kölliker
ist für die Zürcher CVP-Bildungsdirektorin klar: «Die Schweiz braucht auf jeden
Fall einen internationalen Referenzwert.»
"...die aufgeworfenen Fragen sind damit aber weder geklärt noch beantwortet." Das kennen wir von der EDK selbst: Das Gremium, das nach dem Absacken in der jüngsten PISA-Studie verzweifelt ein Haar in der Suppe sucht, ist selbst sehr selektiv, wenn es um die Beantwortung von Fragen (z.B. zum Sprachenkonzept) geht.
AntwortenLöschenGespannt bin ich, ob die Suche nach kritischen Wissenschaftern erfolgreich sein wird. Erstes Gütekriterium für die EDK muss doch die Beweihräucherung und das Niederknien vor dem Lehrplan 21 sein. Doch PISA-Kritik und Kritik am LP21 sind eng verknüpft. Hier hat sich die EDK mit ihrer Positionierung längst von der aktuellen Forschung verabschiedet.
Die Länder, die auf die OECD-Kompetenzorientierung nach Weinert umgestiegen sind, wie Finnland, Schweden, Neuseeland usw., stürzen seit Jahren im PISA-Ranking immer weiter ab. Laut den "Grundlagen für den Lehrplan 21" will die D-EDK ebenfalls die Kompetenzorientierung nach Weinert einführen, ein weiterer noch massiverer Absturz beim PISA-Ranking ist zu erwarten. Sucht die D-EDK nun verzweifelt nach einem Grund um nicht mehr bei PISA mitmachen zu müssen, damit nicht alle Welt sieht, wie der Lehrplan 21 bei PISA grandios abstürzt?
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