17. Dezember 2016

Berset sieht "positive Signale"

Aufgrund von «positiven Signalen» verzichtet die Regierung im Streit um den Fremdsprachenunterricht auf eine Intervention in den Kantonen. Bundesrat Berset will die Entwicklung aber beobachten.
Die Rute bleibt im Sack - vorderhand, NZZ, 17.11. von Christof Forster


 Die beste Drohkulisse ist jene, die nicht umgesetzt werden muss. Innenminister Alain Berset begab sich im Sommer auf heikles Terrain, als er das Eingreifen des Bundes im Sprachenstreit vorbereitete. Damals kündigte er an, die Kantone per Gesetz zum Unterricht von Französisch beziehungsweise Deutsch bereits in der Primarschule zu verpflichten. Dazu schickte er eine Revision des Sprachengesetzes in die Vernehmlassung. Die Botschaft an die Kantone lautete: Haltet euch an die Regeln, die ihr mit dem Harmos-Konkordat selber vereinbart habt. Sie war in erster Linie an den abtrünnigen Kanton Thurgau gerichtet, aber auch an Uri und Appenzell Innerrhoden, die das Modell 3/5 noch nicht umgesetzt haben. Dieses sieht vor, dass die erste Fremdsprache ab der 3. Primarklasse und die zweite ab der 5. Primarklasse unterrichtet wird.

Die Drohung scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Berset verwies am Freitag auf Entscheide in den Kantonen zugunsten der vereinbarten Regeln. Im April schickte die Thurgauer Regierung einen Lehrplan ohne Französisch in die Vernehmlassung. Im September – nach Bersets Ankündigung – entschied die Regierung jedoch, dass das Kantonsparlament erneut darüber abstimmen solle, ob der Französischunterricht aus der Primarschule verbannt wird. Als positives Signal interpretiert Berset auch den Ausgang der Volksabstimmungen in den Kantonen Thurgau, Schaffhausen und St. Gallen. Im Thurgau und in Schaffhausen verwarf das Stimmvolk Ende November Initiativen, die sich gegen den Lehrplan 21 richteten. Vor allem in Schaffhausen hatten die Initianten explizit auf die Abschaffung von Frühfranzösisch gezielt. Im Kanton St. Gallen scheiterte im September eine Initiative zum Ausstieg aus dem Harmos-Konkordat.

Dass bis jetzt kein Kanton sich definitiv vom Kompromiss im Fremdsprachenunterricht verabschiedet hat, führt Berset auch auf die drohende Bundesregelung zurück. Hinter vorgehaltener Hand waren selbst die Kantone nicht nur unglücklich darüber, dass der Bund das Heft in die Hand nahm.

Wenn eine Drohung wirkt, soll man sie aufrechterhalten. Dies wird der Innenminister machen. Er werde die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten, sagte Berset. Sollten sich Rückschritte abzeichnen, müsse die Situation neu beurteilt werden. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn ein Kanton beschlösse, eine zweite Landessprache nicht durchgehend ab der Primarstufe bis zum Ende der obligatorischen Schule zu unterrichten. Spätestens im Herbst 2017 wird Berset sich mit den kantonalen Erziehungsdirektoren treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Bis jetzt ist es für den Bundesrat optimal gelaufen. Berset hatte gehofft, dass er auf eine Gesetzesänderung verzichten könne. Die Vernehmlassung gab einen Vorgeschmack darauf, zu welchen Verwerfungen ein Eingreifen des Bundes im Sprachenstreit führen könnte. Bei den meisten lateinischen Kantonen sowie Graubünden findet das rasche und entschlossene Handeln des Bundes, falls eine unter den Kantonen vereinbarte Lösung nicht zustande kommt, grossen Anklang. Die Mehrheit der Kantone hat hingegen grosse Vorbehalte gegenüber einer Änderung des Sprachengesetzes. Zehn Kantone, darunter der Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Uri, lehnen dies explizit ab. Für andere ist ein Eingreifen des Bundes zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Der Bundesrat hatte in der Vernehmlassung drei Varianten vorgeschlagen, die mehr oder weniger stark in die Kantonskompetenz eingreifen.


Immerhin zeigte sich auch ein breiter Konsens über die besondere Bedeutung des Unterrichts der Landessprachen in der Schweiz. Das Bildungsziel der Mehrsprachigkeit und eine Priorisierung der Landessprachen seien wichtig für die Zukunftschancen der Kinder. Die Kantone unterstrichen auch den wichtigen Beitrag des Sprachenunterrichts zur nationalen Kohäsion.

1 Kommentar:

  1. Berset hat einsehen müssen, dass er mit einer Bundesintervention der "nationalen Kohäsion" einen Bärendienst geleistet hätte. Sein Statement ist das Eingeständnis einer Niederlage. Die erneute Drohung mit einer eventuellen Neubeurteilung ist Schall und Rauch. Uri und insbesondere Appenzell werden sich hüten, sich mit minderwertigen Sprachkompromissen über den Tisch ziehen zu lassen.

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