10. Oktober 2016

Thurgauer stimmen am 27. November über "gute Volksschule" ab

Am SP-Stadtgespräch vom Mittwochabend im Torggel Rosenegg war die Volksschule das Thema. Am 27. November wird im Kanton über die Initiative «für eine gute Volksschule» abgestimmt. Dass das Thema mobilisiert, zeigte sich am grossen Interesse. Einleitend gab Beat Brüllmann, Chef des Amtes für Volksschule, einen Einblick in den Lehrplan Thurgau 2017. Dieser basiere auf dem Lehrplan 21, habe aber kantonale Besonderheiten. Das Ziel: «Kinder fit machen für das Leben, den Beruf, die Gesellschaft und die persönliche Entwicklung». Der neue Lehrplan sei eine Anpassung an die Realitäten und ein übergeordnetes Planungsinstrument. Wenn die Stimmberechtigten die Initiative ablehnen, werde der Lehrplan am 1. August 2017 in Kraft gesetzt und 2021/22 im ganzen Kanton eingeführt sein.
Jahresziele sind veraltet, Thurgauer Zeitung, 7.10. von Kurt Peter


Unter der Leitung von Ruedi Herzog diskutierten der Kreuzlinger Schulpräsident René Zweifel und die Münsterlinger Schulpräsidentin Andrea Epper, die sich beide gegen die Initiative aussprachen, sowie Kantonsrat Klemenz Somm und Erziehungswissenschafter Lutz Wittenberg als Vertreter des Pro-Komitees. Die von der Initiative geforderten Jahrgangsziele verteidigte Wittenberg: «Es sind Eckwerte für eine Harmonisierung.» Auch Somm sprach sich dafür aus, denn «es besteht die Gefahr, dass schwächere Schüler abgehängt werden und die Lehrer das zu spät bemerken».

Das könne sie so nicht bestätigen, erklärte Epper. Auch innerhalb des dreijährigen Zyklus hätten die Lehrer ein Auge auf die einzelnen Schüler. Jahresziele seien nicht realistisch, da die Kinder unterschiedliche Lernleistungen aufwiesen und «selbstverständlich unterstützt werden». – «Jahresziele sind Schnee von gestern», sagte Zweifel. Der individualisierte Unterricht bestehe schon lange und biete Vorteile. Entgegen der Befürchtungen der Initianten bleibe mehr Zeit für schwächere Schüler.

Individualisierung stört den Klassengeist nicht

Dies stritt Wittenberg ab. Er meinte, dass die Individualisierung zu einem Bildungsabbau und für Kinder aus bildungsfernen Familien zu Problemen führe. Er sehe im Gegensatz zu Epper und Zweifel keine Vorteile, sondern die Gefahr einer Entsolidarisierung in den Klassen. Das bestritt Zweifel: «Individualisierung führt nicht zur Störung des Klassengeistes, wie die jahrelangen Erfahrungen aufzeigen.»

Der zweite Punkt der Initiative sieht vor, dass nicht mehr der Regierungsrat, sondern der Grosse Rat über Lehrpläne befindet. «Wir werden diese Vorlagen nicht stundenlang diskutieren. Es geht darum, dass solch wichtige Geschäfte demokratisch legitimiert werden», erklärte Somm. Ein Paradigmenwechsel in staatlichen Institutionen müsse öffentlich diskutiert werden, ergänzte Wittenberg. Zweifel hingegen fand, dass «der Prozess für den neuen Lehrplan transparent abgelaufen ist». Und «ein Zurück zu den Jahreszielen wäre ein Schritt zurück in die Steinzeit». Bei der Initiative gehe es um eine Korrektur, nicht um eine Verhinderung des Lehrplans, meinte Somm. «Der Supertanker Volksschule bleibt auf Kurs, auch ohne Lehrplan 21», sagte er. Für Epper wäre eine Diskussion über Lehrpläne im Grossen Rat hingegen nicht praxistauglich.


1 Kommentar:

  1. Fehlende Transparenz bei den Grundlagen für den LP21

    Auch an diesem Podium wurde offensichtlich nicht über die "Grundlagen für den Lehrplan 21" informiert, mit denen der radikalste Systemwechsel in der Geschichte der Volksschule vollzogen werden soll, bei dem der Klassenunterricht, der Lehrer und die Methodenfreiheit abgeschafft und die Kinder vom 1. Schultag an mit dem "selbstgesteuerten Lernen" allein gelassen werden. https://www.lehrplan.ch/sites/default/files/Grundlagenbericht.pdf

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