26. September 2016

Signal nach Bern

Zehn Jahre ist es her, da sagte das Schweizervolk Ja zum neuen Bildungsartikel, so deutlich und mit so geringer Stimmbeteiligung wie selten. Längst aber sind die Schulzimmer zur politischen Kampfarena geworden; Bildungspolitik polarisiert und mobilisiert. So unbestritten die Harmonisierung im Schulwesen im Allgemeinen ist, so umstritten ist sie im Einzelnen, etwa beim Frühfranzösisch oder beim Lehrplan 21, Ausdruck auch eines diffusen Unbehagens in der Bevölkerung gegenüber Schulreformen.
Bildungspolitik ohne Zwang, NZZ, 26.9., Kommentar von Jörg Krummenacher


Wäre St. Gallen als erster Kanton aus dem Harmos-Konkordat ausgestiegen, wäre dies ein Fanal für anstehende Abstimmungen in anderen Kantonen wie Zürich oder Baselland gewesen. Es hätte jenen Kräften Auftrieb verliehen, die Harmos als Teufel an die Wandtafel malen. Doch das sankt-gallische Stimmvolk hat anders entschieden, mit einer in dieser Deutlichkeit nie erwarteten Ablehnung von 70 Prozent. Man kann dies als Ausdruck eines (wiedergefundenen)Vertrauens ins Schulwesen deuten, als Aufforderung, die Volksschulen endlich in Ruhe arbeiten zu lassen, als Zeichen wider die Kleingeistigkeit.

Vor allem ist es ein Signal nach Bern. Das Beispiel St. Gallen zeigt, dass die Kantone durchaus in der Lage sind, ihre Bildungspolitik im harmonisierten Umfeld zu entwickeln – ohne den Zwang via verschärftes nationales Sprachengesetz. Kontraproduktiv und an der Urne wohl chancenlos wäre es, ungeduldig in ihre Souveränität einzugreifen. Das St. Galler Resultat trägt dazu bei, etwas mehr Ruhe in die Bildungspolitik einkehren zu lassen. Mit einem Sprachengesetz, das via Referendum vors Volk käme, drohte hingegen ein Scherbenhaufen.


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