25. August 2016

Reaktionen zum AdL-Entscheid

Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht am Dienstag durchs Dorf: Zumikon kehrt aufs nächste Schuljahr zu Jahrgangsklassen zurück. Dass Viertklässler in ein und derselben Schulstunde Englisch lernen, während ihre ein und zwei Jahre älteren Klassenkameraden sich Mathematikaufgaben widmen, wird dann der Vergangenheit angehören.
Am Boden der Tatsachen angekommen, das altersdurchmischte Lernen in Zumikon wird aufgelöst, Bild: Reto Schneider
Skepsis und Freude nach Entscheid der Zumiker Schulpflege, Zürichsee-Zeitung, 25.8. von Anna Six
Mit diesem Beispiel illustriert Schulleiter Philipp Apafi, warum das Lernen in altersdurchmischten Klassen eine komplexe Angelegenheit ist. Eine allzu komplexe, wie der Entscheid der Schulpflege nahelegt. Apafi formuliert es so: «Im Stundenplan müssen wir heute viele Kompromisse eingehen. Auf die Frage, ob sich das lohnt, ist meine Antwort klar Nein.» Dem Zumiker Schulleiter, seit 17 Monaten im Amt, ist etwas anderes wichtiger: dass eine starke Lehrer-Kind-Beziehung im Zentrum allen Lernens steht. Das sei im altersdurchmischten Lernen (AdL) mit seinem hohen Organisationsbedarf und dem offenen Unterricht jedoch nur bedingt der Fall. «Das heisst auch, dass einige Lehrpersonen im Team ihre Stärken heute nicht ausleben können», sagt Apafi.

«Viele haben zu beissen»
Was der Schulleiter indes in Kauf nehmen muss: dass andere Mitglieder seines Teams sich aus Zumikon verabschieden. Denn die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer arbeitet gemäss einer internen Umfrage gerne mit dem Modell AdL. «An dem Entscheid, wieder auf Jahrgangsklassen umzustellen, haben viele zu beissen», sagt Apafi.

Gleichwohl war man sich offenbar in der Lehrerschaft grösstenteils einig, dass AdL nicht das passende Modell für dieses Dorf ist. Hier kam ins Spiel, was Apafi den «Faktor Zumikon» nennt: «Von der Bevölkerung brauchen wir Kooperation und Vertrauen, und das haben wir derzeit nicht.» In der jüngsten Evaluation durch die kantonale Fachstelle sei die Elternzufriedenheit nicht gestiegen. Und auch was die Beziehungen der Kinder untereinander angeht, erreichte Zumikon keine guten Werte. Trotzdem will Apafi die Abkehr vom AdL nicht als Fehlerkorrektur verstanden wissen: «Was wir machen, ist eine Entwicklung – und zwar indem wir die Lehrpersonen stärken.»

Ganz vom Tisch sind Klassen mit mehreren Jahrgängen allerdings nicht. Denn auch künftig wird es an der Primarschule Zumikon sieben Unterstufen- und sieben Mittelstufenklassen geben. Damit es mit den Schülerzahlen aufgeht, wird je eine davon gemischt geführt – dann aber nicht mehr unter dem Programm «Altersdurchmischtes Lernen».

Neuer Wirbel befürchtet
Skeptisch äussert sich Corinne Lüthy-Bienz, die Präsidentin des Elterngremiums der Schule Zumikon. Zwar teilt sie die Meinung des Schulleiters, dass nicht die Organisationsform, sondern primär die Lehrer-Schüler-Beziehung für die Lernqualität entscheidend sei. Persönlich erachtet Lüthy-Bienz aber den Zeitpunkt des Entscheides als unglücklich: «Von den Eltern spüren wir zunehmend, dass sich die Situation beruhigt und das Vertrauen in die Schule grösser wird. Eine Umstellung bringt wieder viel Wirbel und Unruhe.» Sie wünsche sich für die Schule Zumikon, dass diese endlich zur Ruhe kommen dürfe.

Glücklich ist hingegen das im Sommer 2014 gegründete Komitee für Jahrgangsklassen. Man nehme die «überraschende und energische Kehrtwendung» mit grosser Freude auf, heisst es in einer Mitteilung. Vor zwei Jahren hatte die Gruppe eine Petition zur Abschaffung des AdL lanciert, die von über 1000 Zumikerinnen und Zumikern unterzeichnet wurde. «Nun ist das ursprüngliche Ziel der Petition plötzlich in greifbare Nähe gerückt», schreibt das Komitee.

Dessen Mitglied Beat Schütz lobt auf Anfrage die klare Entscheidung und Kommunikation der Schulpflege. Er selber hatte vor ein paar Jahren seinen Sohn aus dem AdL in eine Privatschule versetzt. Die Art und Weise, mit der an der Schule Zumikon das altersdurchmischte Lernen verteidigt wurde, empfand Schütz als doktrinär: «Auf die Frage, warum AdL die richtige Unterrichtsform sein soll, bekamen wir lange keine Antwort.» Erst mit dem Wechsel der Schulleitung im Frühjahr 2015 sei frischer Wind in die Diskussion gekommen. In letzter Zeit habe das Komitee den Dialog mit der Schule als konstruktiv erlebt, sagt Schütz.


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