13. Juli 2016

Lehrplan 21: Die IT-Branche reibt sich die Hände

Nicht nur die Lehrbuchverlage, auch die IT-Firmen riechen das grosse Geschäft mit dem Lehrplan 21. 
Lehrplan 21 im IT-Handel (noch) nicht bemerkbar, inside-channels.ch, 13.7. von Volker Richert


In der letzten Zeit häufen sich Ausschreibungen oder Meldungen zur Hardware-Beschaffung an Schulen. Grund genug, bei dem einen oder anderen Händler zu fragen, ob sie von dem Geschäft profitieren. Es geht bei der als Lehrplan 21 bekannten Schulreform auch um die Neueinführung eines Moduls Medien und Informatik, in dem mehr als nur Anwenderkenntnisse vermittelt werden sollen. Es liegt also auf der Hand, Auswirkungen auf das Hardware-Geschäft zu vermuten.

Die Einschätzung bestätigt denn auch Beat Ineichen von Achermann ICT Services in Kriens. Er berät bei dem IT-Dienstleister Kunden der öffentlichen Hand und hält fest, dass es derzeit im Infrastrukturbereich eine Häufung von Projekten bei Schulen gebe. Sie seien nicht nur, aber auch auf den Lehrplan 21 zurückzuführen. Allerdings sei Achermann insbesondere in den Aufbau von WLAN-Infrastrukturen involviert. Durch den zunehmenden Einsatz von digitalen Medien im Unterricht habe das WLAN im Klassenzimmer inzwischen eine Vielzahl an neuen Anforderungen zu erfüllen, teilt Achermann weiter mit: "Aufgrund dieses Wandels wird bei den Schulen entsprechend reagiert, was die steigende Zahl an Projekten erklärt".

Die Aussage verwundert kaum, weil, um einige Beispiele zu nennen, etwa in derStadt Bern die Regierung im Frühjahr 150'000 Franken für eine Technologiestudiebewilligt hat. Sie soll den Hintergrund liefern für die ab 2017 geplante Erneuerung der Informatik-Infrastruktur an den Schulen und sowohl die technologische Entwicklungen als auch Vorgaben des neuen Lehrplans 21 berücksichtigen, wie der Gemeinderat damals schrieb. Bekannt ist seit kurzen auch, dass beispielsweise in Gossau die Hardware in den Primarschulhäusern bis zum Sommer 2018 für rund eine Millionen Franken auf den neusten Stand gebracht werden soll. Gossau ist eine Gemeinde mit rund 17'000 Einwohnern. Von einem weiteren Projekt berichtet heute der 'Landbote'. Demnach werden in der Gemeinde Aardorf zum neuen Schuljahr alle 300 Sekundarschüler mit iPads ausgestattet. Auch hier sollen gegen 200'000 Franken in die Ablösung inzwischen amortisierter Mac-Rechner fliessen. Bekannt ist weiter, dass das Amt für Informatik und Organisation des Kantons Bern neue Endgeräte anschaffen will, wobei "zusätzlich Education-Endgeräte evaluiert werden", um die Bedürfnisse der Schulen abzudecken, wie es in der Ausschreibung heisst.

Das Geschäft wird kommen
Im Gegensatz zu Ineichen sieht Adrian Zemp, Chef und Gründer der AD Solution in Zug, derzeit allerdings eher verhaltene Umsätze mit Hardware für Schulen. Gegenwärtig gebe es noch kaum vom Lehrplan 21 getriebenes Hardware-Geschäft, hält er fest. Doch die Situation werde sich demnächst "hundertprozentig" ändern, ist er überzeugt. Bisher ginge es in der Regel noch um die Erneuerung veralteter Infrastrukturen, wobei auch hierbei schon auf den Lehrplan 21 Rücksicht genommen werde.

Allerdings würden derzeit bereits zahlreiche Gespräche laufen, die in direktem Zusammenhang mit der Schulreform stehen. Man müsse dabei bedenken, dass bei öffentlichen Institutionen wie den Schulen die Planungen ohnehin langwieriger als in der Industrie verlaufen.

So erwartet Zemp, dass bis Ende Jahr erste Entscheidungen bei den Behörden getroffen werden. Ab Mitte 2017 bis ins Jahr 2018 würde sich die Beschaffung dann in "spürbaren" Mehrumsätzen bei der Hardware zeigen. Interessant ist laut Zemp, dass die Neuausrüstung der Schulen wohl auch mit einem Technologiewechsel beispielsweise vom PC zum Tablet einhergehen werde.

Diese Einschätzung der aktuellen Lage teilt man übrigens auch bei der Competec Gruppe mit dem Distributor Alltron und dem Online-Händler Brack.ch. Laut Pressesprecher Daniel Rei liegen die aktuellen Umsätze im Bereich Schulen wie in der gesamten Competec Gruppe etwas über dem Vorjahr. Doch mit dem Lehrplan 21 habe das nichts zu tun, wie Rei betont.

Nicht anders sieht man die heutige Situation übrigens bei Branchenverband Swico. Der für den Bildungsbereich zuständige Vorstand, Alain Gut, der zudem die Kommission Bildung von ICTswitzerland präsidiert, stellt klar, dass derzeit niemand wegen dem Lehrplan 21 neue Hardware anschaffe. Vielmehr würden jetzt Altsysteme abgelöst. Wenn Schulen heute ihre IT erneuerten, ginge es darum, veraltete Infrastrukturen zu ersetzen, so Gut. Diese Erneuerungen, zu der auch die Beschaffung neuer Hardware gehöre, könnten in keinen Zusammenhang mit dem Lehrplan 21 gebracht werden. Aber auch Gut hatte kürzlich schon darauf hingewisen, dass "gerade für ein neues Modul wie Medien und Informatik seitens der Kantone zusätzliche, finanzielle Mittel für die Einführung bereitgestellt werden" müssten.

1 Kommentar:

  1. Nicht nur die Lehrbuchverlage, auch die IT-Firmen riechen das grosse Geschäft mit dem Lehrplan 21. Wirtschaftsverbände möchten sogar, dass alle Schüler programmieren lernen. Das ist ebenso abwegig, wie das "selbstgesteuerte Lernen" im Lehrplan 21. Wie sollen Erstklässler programmieren können, wenn sich nicht einmal lesen können? Und das dann auch noch "selbstgesteuert"? Hinter dieser abstrusen, unpädagogischen Ideologie, die unsere Kinder zu Versuchskaninchen des Neoliberalismus macht, steckt die neoliberale Wirtschaftsorganisation OECD, die von den USA dominiert wird und für die Europa ein Konkurrent ist, dessen Schulsystem man gerne auf das tiefe US-Niveau absenken möchte.
    Was die Wirtschaft braucht, sind Anwender, die je nach Branche in der Berufslehre ausgebildet werden.

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