23. Juni 2016

Mundartförderung im Kindergarten

Immerhin ein gutes halbes Dutzend Kindergärtnerinnen besuchten die Veranstaltung der Basler Interessengemeinschaft Dialekt, und sie sprachen klare Worte. Ihnen sei die Umgangssprache eine Herzensangelegenheit, sie sei ein Stück Kultur. Sie seien ausserdem überzeugt, dass man den Kindern keinen Gefallen tue, wenn man sie zwinge, Hochdeutsch zu sprechen. Man hoffe, dass das Gesetz, mindestens die Hälfte des Kindergarten-Unterrichts in Schriftdeutsch zu bestreiten, wieder geändert wird. Im Aargau müssen Kindergärtnerinnen, die keine Mundart können, gar um ihren Job fürchten. Zürich führte nach einem Volksentscheid mit 53,9 Prozent Ja-Stimmen im Jahr 2012 Mundart als alleinige Unterrichtssprache in Kindergärten ein.
Eine Schatztruhe voller Mundart, Basler Zeitung, 23.6. von Franziska Laur


Wie Felix Rudolf von Rohr von der IG Dialekt ausführte, habe man sich im Jahr 2007 aus politischen Gründen zusammengetan. Damals hatten alle Basler Eltern einen Brief bekommen, in dem ihnen beschieden wurde, dass in Kindergärten fortan Hochdeutsch als Umgangssprache gelte. Das Argument: Es gebe viele Zugezogene. Standarddeutsch solle der Sprachförderung und auch der Chancengleichheit dienen.

Alle sollen Standard sein
Durch einen Volksentscheid erreichte die IG, dass lediglich die Hälfte des Unterrichts im Kindergarten auf Hochdeutsch bestritten werden muss. «Heute spricht man von Standardsprache, damit alle Kinder nur noch Standard sind», unkte Rudolf von Rohr.
«Uns geht es nicht um Baseldytsch, sondern um eine Umgangssprache, die auch von Fremdsprachigen verstanden werden soll», sagt Vorstandsmitglied Liselotte Reber. Die Germanistin argumentiert, dass man den fremdsprachigen Kindern keinen Gefallen tut, wenn man sie nicht schon früh mit dem Dialekt konfrontiert. «Plötzlich haben sie keine gemeinsame Sprache mehr.» Doch Sprache trage viel zur Integration bei und festige manche Beziehung. Auch hat sie durch den Zwang zum Hochdeutsch schon manche Stilblüten erlebt: «Ihr müsst euch halt heben», habe eine Kindergärtnerin in der Eile zu ihren Schützlingen im Tram gesagt, und eine andere sagte einmal: «Ich weiss dr Gugger, wo die alle anen sind.»

Die Mitglieder der IG mussten um ihre Anerkennung kämpfen. Während der Abstimmungskampagne waren sie mehr als einmal in die Ecke der SVP gestellt worden, doch mittlerweile bilden sie eine ernst zu nehmende Institution. So unterstützt auch Dieter Baur, Leiter der Volksschule, das neuste Projekt der IG – zumindest mit Worten. Bezüglich finanzieller Zuwendung hält man sich noch bedeckt.

Ein Spiel zur Dialekt-Förderung
«Man kann nicht immer nur schimpfen, man muss auch proaktiv etwas tun», stellte Rudolf von Rohr fest. So sei man an die Christoph Merian Stiftung gelangt, mit der Bitte, ein Projekt zur Förderung der Mundart im Kindergarten zu fördern. Dort rannte man offene Türen ein, und so konnte die IG den Kulturredaktor und Verfasser baseldeutscher Bühnentexte, Michael Luisier, engagieren. Dieser stellte vorgestern den anwesenden Mitgliedern und Kindergärtnerinnen sein entstehendes Projekt vor. Eingangs betonte er, dass nicht die Sprachbewahrung im Zentrum seines Bemühens stehe. «Es geht um Begeisterung und Freude an Sprache. Mit ihr können wir Leute zum Lachen bringen oder sie zu Tränen rühren.»

Er habe nicht einfach ein Buch schreiben, sondern eine sinnliche Lösung finden wollen, sagte Luisier. So sei er auf die Idee eines Spiels gekommen. Jeder Klassenzug solle eine Schatztruhe bekommen, die man mit Sprache, Geschichten, Liedern, Versen oder Witzen füllen könne. Wichtig sei, dabei die Stadt einzubeziehen. So könne man einen City-Parcours veranstalten und dabei auf die Suche nach Geschichten gehen. Luisier wird auch zwei Figuren entwickeln. Ihm schwebt ein gemächlicher, manchmal etwas vergesslicher Grossvater vor, dem ein kleines gewitztes Mädchen zur Seite gestellt wird. Diese zwei Figuren ziehen sich als roter Faden durch die Geschichte. So soll sich das Spiel auf verschiedenen Ebenen abspielen: auf dem Spaziergang, anhand der Figuren und in Form von Liedern oder Geschichten. Im Kindergarten selber oder im besten Fall auch zu Hause soll dann das Erlebte eventuell mithilfe einer CD oder einem Buch vertieft und ergänzt werden.

Die IG hat es sich zum ehrgeizigen Ziel gemacht, das Projekt bis Schulbeginn 2018 fertigzustellen. Obwohl man die Kosten noch nicht genau beziffern könne, sei man zuversichtlich, die nötigen Finanzen auftreiben zu können. Den begeisterten Reaktionen der Kindergärtnerinnen zufolge rennt man auch bei ihnen mit diesem Projekt offene Türen ein. Allerdings soll sich die Anwendung nicht allein auf den Kindergarten beschränken. Auch in der Erwachsenenbildung oder in Schulen könnte es allenfalls eingesetzt werden.


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