20. Juni 2016

Die Gespräche mit den Leuten

Mein Schulkommissionspräsident pflegte jeweils am ersten Elternabend für die neuen 7. Klässler in seine Grussbotschaft den Satz einzufügen: „Sie kommen in eine gute Schule!“ Bei einer Gelegenheit fragte ich ihn, woher er denn das wisse. Er schmunzelte verlegen und meinte: „Das entnehme er den Gesprächen mit den Leuten.“
Die Gespräche mit den Leuten, Bieler Tagblatt, 20.6. von Alain Pichard


Inzwischen machen wir solide anonymisierte Umfragen bei den Eltern, welche die Behauptung unseres Präsidenten durchaus bestätigen, aber auch einige Schwachpunkte aufzeigen.

Rückmeldungen, oder „Feedbackkultur“ wie es in den Pädagogischen Hochschulen immer wieder gepredigt wird, gehören mittlerweile zum Rüstzeug vieler Schulen. Auch ich lasse mich von meinen Schülerinnen am Ende des Schuljahres beurteilen und bekomme da jeweils mein Fett ab. Hauptkritikpunkt: Ich brauche viel zu lange, um grössere Arbeiten zu korrigieren. Kein Wunder, ich muss ja immer wieder Kolumnen schreiben und gegen den Lehrplan wettern…

In der Bildungsverwaltung selber nimmt man es mit  Rückmeldungen weniger streng. Pulvers Leute predigen zwar immer wieder die Wichtigkeit von Feedbacks und stellen auch  allerhand Feedback-Modelle ins Netz. Aber wenn es darum geht, Ihre eigenen Veranstaltungen zu evaluieren, dann bleibt es beim Gefühl.

Mathias Aebischer, Nationalrat, Bildungspolitiker und grosser LP-Fan fragte mich während eines Podiums, ob ich schon an einer Einführungsveranstaltung zum LP 21 gewesen sei! Die sei sehr gut, 75% der Lehrkräfte sind begeistert. Als ich ihn fragte, woher er das wisse, antwortete er: „Das entnehme ich den Gesprächen mit den Leuten!“

Nun, das muss er wohl auch weiterhin. Denn uns Lehrkräften wurde anlässlich der Einführung des LP21 zwar mehrere selten dämliche Einlagen zweier Damen geboten, die sich „Varietäter“ nannten und lustig sein sollten, aber eine Rückmeldung zum Anlass holte man nicht ein. Weder mündlich noch schriftlich.

Eine Kollegin erzählte mir das Gleiche von Ihrem „Einführungskurs“ in das neue Lehrmittel „Mille Feuilles“, dessen Leiter nicht einmal richtig Französisch sprechen konnte. „Die Evaluation ging folgendermassen vor sich: Die Kursteilnehmer mussten sich in einen Kreis setzen und konnten sich gegenseitig Rückmeldungen geben.“ Und die Dozierenden? „Die waren natürlich nicht dabei!“

Auch der Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz, der Basler  Eymann, redet gerne mit den Leuten. Angesprochen auf die neuste Studie von Frau Dr. Simone Pfenninger, welche die Wirkungslosigkeit von Frühfranzösisch erneut belegte, meinte der grandiose Rhetoriker: „Ich vertraue lieber den Gesprächen mit den Leuten als auf Studien.“
Übrigens: Als wir Lehrkräfte uns bei der Einführungsveranstaltung zum LP 21das Eintrittsreferat des Schulinspektors angehört hatten, sollten wir uns in die vorgesehen Workshops verschieben.  Ich erkundigte mich scheu, ob man noch Fragen stellen dürfe. Der Inspektor: „Nein, das ist nicht vorgesehen!“


Das kam bei den Lehrkräften nicht gut an. Woher ich das weiss? Natürlich, aus den Gesprächen mit den Leuten.

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