Was die Thurgauer Bildungsdirektorin Monika Knill
am Freitag den Medien vorgestellt hat, war kein Aprilscherz. Nun
gilts ernst: Der revidierte kantonale Lehrplan sieht vor, dass Primarschüler ab
dem Sommer 2018 nur noch Englisch lernen und erst ab der Oberstufe zusätzlich
Französisch. Der definitive Entscheid im Herbst dürfte Formsache sein.
Bundesrat Alain Berset rasselt derweil bereits mit dem Säbel, um den Kanton zu
stoppen.
Bitte jetzt keine Debatte zum nationalen Zusammenhalt, Berner Zeitung, 1.4. Kommentar von Christoph Aebischer
Ist dieser kantonale Entscheid von solcher Tragweite, dass dafür eine schweizweite Debatte
über den nationalen Zusammenhalt vom Zaun zu brechen wäre? Mit Verlaub, nein.
Denn der Thurgauer Lehrplan hält sich ans geltende Gesetz. Das Sprachengesetz
gibt vor, dass Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit
in der zweiten Fremdsprache dasselbe Niveau erreichen wie in der ersten. Dank
einem grösseren Effort ab der siebten Klasse sollte dieses Ziel im Thurgau auch
künftig erreichbar sein.
Selbst wenn andere Kantone dem Thurgauer Beispiel folgen
würden, wäre das
nationale Parlament schlecht beraten, jetzt das Sprachengesetz zu verschärfen,
wie dies Bundesrat Alain Berset vorhat. Der Sprachenkompromiss der
Erziehungsdirektorenkonferenz von 2004, welcher die erste Fremdsprache ab der
dritten und die zweite ab der fünften vorsieht, stand von Beginn weg unter
einem schlechten Stern. Appenzell Innerhoden hatte zum Beispiel nie vor, ihn
umzusetzen.
Den Kompromiss nun per Gesetz durchzuboxen, könnte beträchtlichen Flurschaden
hinterlassen. Denn auch das übergeordnete Ziel, die Harmonisierung der
Volksschule, steht im Gegenwind. Der Lehrplan 21 wurde längst zum Spielball
verschiedenster Interessengruppen. Dabei wollen die Schweizerinnen und
Schweizer weniger Kantönligeist in der Bildungslandschaft. Das haben sie 2006
mit dem überdeutlichen Ja zum Bildungsartikel eindrücklich demonstriert.
Statt des angepeilten Ausgleichs, droht aber immer mehr ein Scherbenhaufen. Hitzköpfe
übernehmen das Kommando und die Interessen mobiler Eltern geraten unter die
Räder. Umso mehr müsste die Politik sich darauf konzentrieren, der Bevölkerung
zu erklären, dass komplett unterschiedliche Schulsysteme nicht mehr zeitgemäss
sind.
Den Sprachenstreit zu einer Megadebatte zum nationalen Zusammenhalt
hinaufzustilisieren, die zudem ziemlich sicher an der Urne entschieden würde,
ist dagegen kontraproduktiv und wirbelt bloss eine Menge Staub auf. Alain
Berset weiss natürlich, dass die Chancen auf einen Abstimmungserfolg intakt
sind. Der Willensnation Schweiz würde er damit aber einen Bärendienst erweisen.
Ebenso wie die Mehrsprachigkeit ist nämlich auch der Föderalismus Teil der
Schweizer DNA.
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