3. April 2016

Kontraproduktive Debatte

Was die Thurgauer Bildungsdirektorin Monika Knill am Freitag den Medien vorgestellt hat, war kein Aprilscherz. Nun gilts ernst: Der revidierte kantonale Lehrplan sieht vor, dass Primarschüler ab dem Sommer 2018 nur noch Englisch lernen und erst ab der Oberstufe zusätzlich Französisch. Der definitive Entscheid im Herbst dürfte Formsache sein. Bundesrat Alain Berset rasselt derweil bereits mit dem Säbel, um den Kanton zu stoppen.
Bitte jetzt keine Debatte zum nationalen Zusammenhalt, Berner Zeitung, 1.4. Kommentar von Christoph Aebischer


Ist dieser kantonale Entscheid von solcher Tragweite, dass dafür eine schweizweite Debatte über den nationalen Zusammenhalt vom Zaun zu brechen wäre? Mit Verlaub, nein. Denn der Thurgauer Lehrplan hält sich ans geltende Gesetz. Das Sprachengesetz gibt vor, dass Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit in der zweiten Fremdsprache dasselbe Niveau erreichen wie in der ersten. Dank einem grösseren Effort ab der siebten Klasse sollte dieses Ziel im Thurgau auch künftig erreichbar sein.

Selbst wenn andere Kantone dem Thurgauer Beispiel folgen würden, wäre das nationale Parlament schlecht beraten, jetzt das Sprachengesetz zu verschärfen, wie dies Bundesrat Alain Berset vorhat. Der Sprachenkompromiss der Erziehungsdirektorenkonferenz von 2004, welcher die erste Fremdsprache ab der dritten und die zweite ab der fünften vorsieht, stand von Beginn weg unter einem schlechten Stern. Appenzell Innerhoden hatte zum Beispiel nie vor, ihn umzusetzen.

Den Kompromiss nun per Gesetz durchzuboxen, könnte beträchtlichen Flurschaden hinterlassen. Denn auch das übergeordnete Ziel, die Harmonisierung der Volksschule, steht im Gegenwind. Der Lehrplan 21 wurde längst zum Spielball verschiedenster Interessengruppen. Dabei wollen die Schweizerinnen und Schweizer weniger Kantönligeist in der Bildungslandschaft. Das haben sie 2006 mit dem überdeutlichen Ja zum Bildungsartikel eindrücklich demonstriert.

Statt des angepeilten Ausgleichs, droht aber immer mehr ein Scherbenhaufen. Hitzköpfe übernehmen das Kommando und die Interessen mobiler Eltern geraten unter die Räder. Umso mehr müsste die Politik sich darauf konzentrieren, der Bevölkerung zu erklären, dass komplett unterschiedliche Schulsysteme nicht mehr zeitgemäss sind.

Den Sprachenstreit zu einer Megadebatte zum nationalen Zusammenhalt 
hinaufzustilisieren, die zudem ziemlich sicher an der Urne entschieden würde, ist dagegen kontraproduktiv und wirbelt bloss eine Menge Staub auf. Alain Berset weiss natürlich, dass die Chancen auf einen Abstimmungserfolg intakt sind. Der Willensnation Schweiz würde er damit aber einen Bärendienst erweisen. Ebenso wie die Mehrsprachigkeit ist nämlich auch der Föderalismus Teil der Schweizer DNA.


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