Gespräche statt Studien, Basler Zeitung, 1.4. von Christoph Eymann
Mit Schule ist es wie mit
Fussball; alle können mitreden, schliesslich sind alle zur Schule gegangen. Es
sollen auch alle mitreden. Es wäre wichtig, diese Diskussionen sachlich zu
führen. Das macht Herr Dähler in seinem Artikel «Ein Flop, den niemand sofort
stoppen will» leider nicht.
Im
Moment scheint ein Streit der Studien zu herrschen. Gerade im Bildungsbereich
gibt es starke Reflexe, alles evaluieren zu lassen, Studien in Auftrag zu
geben. Meistens verlangt dies die Politik. Das Bildungswesen soll
rechtfertigen, was mit dem Geld geschieht. So weit, so gut; ich behaupte, dass
es im Bildungsbereich eher zu viele Studien gibt, weniger wäre oft mehr.
Studien sind dann gerechtfertigt, wenn sie zu neuen Erkenntnissen führen und zeigen,
wo und wie man etwas verbessern kann.
Wir
in Basel-Stadt nehmen Studien zur Kenntnis, vertrauen aber in erster Line auch
auf den Dialog mit den Lehrpersonen. Wir sind mit der Kantonalen Schulkonferenz
und der Gewerkschaft im Austausch. Natürlich sind die Meinungen
unterschiedlich. Natürlich wird hart diskutiert. Aus jedem Gespräch mit den
Delegationen der Lehrerschaft lernen meine Mitarbeitenden und ich aber. Wir
erfahren, wie es in der Praxis aussieht. Wir hören, ob und wo Handlungsbedarf
besteht. Wir müssen ab und zu auch zugeben, dass ein erkanntes Problem nicht
oder nicht sofort lösbar ist. Persönliche Gespräche können durch Studien nicht
ersetzt werden.
Vorsicht bei Studien
Dennoch
können wissenschaftlich erhobene Resultate hilfreich sein. Sie müssen aber
gewissen Qualitätskriterien entsprechen. Zu den Studien, die von Herrn Dähler
im BaZ-Artikel vom 29. März zitiert werden: Die Universität Aarhus hat
untersucht, was die internationale Forschung zum gleichzeitigen Lernen von
mehreren Fremdsprachen in der Schule sagt. Dabei hat sie nur Studien
berücksichtigt, die qualitativ genügen. Erste Feststellung: Es gibt wenig
Studien zu dieser Fragestellung und noch weniger, die qualitativ gut sind.
Stefan
Wolter, Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung,
hat den Bericht aus Dänemark für die Schweiz ausgewertet. Er – nicht die
Erziehungsdirektorenkonferenz, wie die Basler Zeitung irrtümlich meint –
schreibt in einem Artikel, dass damit unter anderem gezeigt werde, dass als
Argumente für das Verbannen des Französischunterrichts aus der Primarstufe
keine Forschungsergebnisse ins Feld geführt werden können. Das ist eine
wichtige Feststellung, denn in der aktuellen Diskussion wird andauernd unter
Bezug auf wissenschaftliche Studien gegen das Modell 3/5 (3. Klasse erste
Fremdsprache/5. Klasse zweite Fremdsprache) argumentiert. Zum Beispiel in der Studie
Pfenninger; auch Herr Dähler kommt in seinem Artikel auf diese zu sprechen. Zu
dieser Studie: Sie fand keinen Eingang im oben erwähnten Bericht der dänischen
Forschungsstelle, weil sie offensichtlich qualitativ nicht genügte. Aus ihr
können keine Erkenntnisse für die aktuelle Dis- kussion abgeleitet werden. So
weit die Wissenschaft.
Dann
erwähnt Herr Dähler auch noch die kürzlich publizierte Fremdsprachenevaluation
der Bildungsdirektorenkonferenz Zentralschweiz. Für ihn ebenfalls ein Beweis
dafür, dass das Modell 3/5 nicht funktioniert. Das ist wenig differenziert.
In
der Zentralschweiz beginnen die Schülerinnen und Schüler mit Englisch in der 3.
Klasse. Bereits in der 8. Klasse erreichen im Englisch rund zwei Drittel von
ihnen – ohne 20 Prozent Gymnasiastinnen und Gymnasiasten – im Schreiben und
Lesen die Ziele, die per Ende der obligatorischen Schule zu erreichen sind. Das
ist ein sehr gutes Ergebnis für den schulischen Fremdsprachenunterricht. Im
Französischen, das im 5. oder 7. Schuljahr einsetzt, ist die Zielerreichung –
bei insgesamt deutlich weniger Lernzeit als im Englischen – klar weniger gut.
Wenn
man dieses Ergebnis aus Sicht der Region Basel interpretieren will, dann lässt
sich der Schluss ziehen, dass es offensichtlich besser ist, mit Französisch in
der 3. Klasse zu beginnen. Die Ziele im Englischen scheinen dagegen auch mit
weniger Lernzeit realistisch. Wir verfügen über ein eigens für unsere Lernenden
von Fachleuten aus der Schule und der Pädagogischen Hochschule entwickeltes,
sehr gutes Lehrmittel und haben bereits viel in die Weiterbildung der
Lehrpersonen investiert. Wir werden den Französischunterricht in den kommenden
Jahren (2017 und 2020) evaluieren. Das wird erste Beurteilungen ermöglichen.
Bis dahin lassen wir uns nicht von solchen Flop-Artikeln verunsichern. Wir sind
den Schülerinnen und Schülern schuldig, nicht auf Stammtischniveau Diskussionen
zu führen. Mit aller Sorgfalt und im engen Dialog mit den Lehrpersonen werden
dann die Folgerungen erarbeitet. Wenn Korrekturbedarf ge-geben ist, dann muss
eben korrigiert werden. Das aber in Ruhe, damit die Schule nicht beschädigt
wird. Dazu braucht es auch keine Fülle von Volks- initiativen, über welche in
gewissen Kantonen kaum noch jemand den Überblick zu haben scheint.
Als Fortschritt zu werten
Erste
vereinzelte Rückmeldungen von Lehrpersonen deuten darauf hin, dass Schülerinnen
und Schüler an den neuen Sekundarschulen im Kanton Basel-Stadt motivierter
Französisch lernen. Sie sprechen frei, wenn auch mit Fehlern. Dies ist als
Fortschritt gegenüber dem Fremdsprachenunterricht mit dem alten Lehrmittel zu
werten. Denn auch mit den Lehrmitteln «Bonne Chance» oder «Envol» war der Weg
zum Erlernen von Französisch schwierig und die am Ende der Schulzeit erreichten
Sprachkompetenzen sehr unterschiedlich.
Und
zu guter Letzt: Keiner erwartet, wie das Herr Dähler in seinem Artikel formuliert,
dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schule mit 15
Jahren «eine Fremdsprache können». Es geht darum, Grundkompetenzen zu erwerben,
auf denen man in der weiteren Schullaufbahn aufbauen kann. Die Konkurrenz,
gegen welche die heutigen Schülerinnen und Schüler sich später im Arbeitsmarkt
werden durchsetzen müssen, ist eine internationale. Wir haben die Pflicht,
dafür zu sorgen, dass unsere Jugend mithalten kann. Dazu darf man auch etwas
von ihr fordern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen