10. April 2016

Empfehlung ersetzt Prüfung

Das umgekrempelte Übertrittsverfahren an die Sekudarschule tritt per 1. August 2016 in Kraft. Die Änderungen betreffen als Erste die Primarschüler, die nach den Sommerferien in die 5. Klasse kommen.
Lehrer-Empfehlung ersetzt Prüfung - Jetzt sind die Details des neuen Verfahrens bekannt, Solothurner Zeitung, 9.4. von Elisabeth Seifert


Im Januar 2017 werden die Schüler der sechsten Primarschulklassen ein letztes Mal über der kantonsweiten Prüfung brüten. Mit einem Gewicht von 40 Prozent entscheidet diese «Vergleichsarbeit» (VA) über die weitere Schulkarriere der jungen Leute. 2011 ist sie im Rahmen der Umsetzung der Sek-I-Reform ein erstes Mal durchgeführt worden –  demnächst wird sie wieder abgeschafft.

An ihre Stelle tritt neben den Schulnoten die Empfehlung der Lehrperson. In den letzten Wochen hat das Volksschulamt (VSA) jetzt die Details des komplett neu gestalteten Übertrittsverfahrens geklärt – gemeinsam mit Vertretern der Schulleitenden, der Volksschullehrerschaft sowie der Kantonsschulen.
Als Erste betreffen die neuen Bestimmungen die Primeler, die nach den Sommerferien in die fünfte Klasse eintreten. Statt der kantonal durchgeführten «Orientierungsarbeit» (OA) werden sie im Verlauf des ersten Semesters eine «regionale Vergleichsarbeit absolvieren. Wie die OA soll auch diese Prüfung Eltern und Schülern ein erstes Feedback in Hinblick auf den Übertritt in eine der drei Abteilungen der Sekundarstufe I geben. Anders als heute zählen die Zeugnisnoten der fünften Klasse nicht mehr für den Übertritt.

Prüfung ist unnötig

Mit der Abschaffung der kantonsweiten Prüfung in der sechsten Primarschulklasse folgt der Kanton Solothurn dem schweizweiten Trend. Die grosse Mehrheit der Kantone kennt keine Übertrittsprüfung, sondern setzt auf ein Verfahren, bei dem die Empfehlung der Lehrpersonen nebst den Schulleistungen die zentrale Rolle spielt. Im Bildungsraum Nordwestschweiz ist Solothurn der einzige Kanton mit einem prüfungsbasierten Übertrittsverfahren.
In den beiden Basel, dem Aargau und auch in Solothurn wird derzeit stattdessen eine Reihe vierkantonaler «Checks» eingeführt – verteilt über die ganze Volksschulzeit. Zu Beginn der dritten und der sechsten Primarschulklasse sowie am Ende der zweiten und dritten Klasse der Sekundarstufe I. Diese «Checks», für die es keine Noten gibt, dienen nicht der Selektion, sondern der Standortbestimmung. Um die Primarschüler aber nicht mit zu vielen und zu unterschiedlichen Tests respektive Checks zu belasten, hat das Volksschulamt bereits vor geraumer Zeit gemeinsam mit den betroffenen Lehrerverbänden eine Neuorganisation des Übertritts in die Sek I an die Hand genommen.
Ist das neue Verfahren im Kanton Solothurn also vor allem durch die Entwicklung im Bildungsraum Nordwestschweiz bedingt, weint der Chef im Volksschulamt dem erst wenige Jahre bestehenden System kaum eine Träne nach. Das prüfungsbasierte Verfahren habe zwar durchaus gut funktioniert, betont Andreas Walter im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeige aber auch, dass der «riesige Aufwand» für die Schulbehörden sowie die Belastung der Schülerinnen und Schüler nicht wirklich gerechtfertigt seien.
«Die Prüfung hat in den meisten Fällen die Lehrerbeurteilung bestätigt», so die Beobachtung des Amtschefs. Oder anders herum ausgedrückt: «Nur in wenigen Fällen hat die Prüfung zu einer Korrektur der Lehrerbeurteilung geführt.»

Arbeitsverhalten spielt eine Rolle

Ein durchaus überraschender Befund. Die Notengebung der einzelnen Lehrpersonen, der Schulen und Schulregionen scheint nicht so unterschiedlich zu sein, wie man vielleicht annehmen könnte. Möglicherweise ist dies eine Folge der Bemühungen, mit der «Orientierungsarbeit» in der fünften Klasse und der «Vergleichsarbeit» in der sechsten Klasse ein kantonsweit möglichst einheitliches Beurteilungssystem zu schaffen. 

Möglichkeit einer «Kontrollprüfung»

Der Chef im Volksschulamt erinnert zudem an die «regionale Vergleichsarbeit», die vor der Umsetzung der Oberstufenreform in vielen Schulkreisen bereits durchgeführt worden ist. Genau diese Prüfung soll auch in Zukunft für Transparenz und Vergleichbarkeit bei der Notengebung sorgen. Ab August müssen sämtliche Primarschulen eines Sekundarschulkreises irgendwann im ersten Semester eine «regionale Vergleichsarbeit» organisieren. Geprüft werden die Leistungen der Fünftklässler in Mathematik und Deutsch.
Neben der Eichung der Notenmassstäbe dienen die Ergebnisse dieser regionalen Prüfung gemäss Andreas Walter als Grundlage eines ersten Standortgesprächs der Lehrperson mit den Eltern und den Schülern. Bei diesem Gespräch und zwei weiteren, die in der sechsten Klasse folgen, geht es um die «Entwicklung einer gemeinsamen Haltung», so der Amtschef. In diese Gespräche fliesst neben der Leistung der Schülerinnen und Schüler auch deren Arbeits- und Lernverhalten mit ein. Und zwar bezogen auf die Anforderungen der Abteilungen der Sek I, wie Andreas Walter betont.
Ein künftiger Sek-P-Schüler etwa müsse über eine andere Leistungsbereitschaft verfügen als ein künftiger Sek-B-Schüler. Im Unterschied zu heute werden diese Verhaltenaspekte künftig mittels eines kantonsweit einheitlichen Rasters erhoben und fliessen in die Übertrittsempfehlung des Lehrers ein.

Kein «Graubereich» bei den Noten

Anders als bisher spielen neu die Noten in der fünften Klasse keine Rolle mehr für den Übertritt. Eine zusätzlich Entlastung für die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrpersonen bedeutet die Abschaffung des Semesterzeugnisses in der fünften Klasse (ab kommendem Schuljahr) und der sechsten Klasse (ab dem Schuljahr 2017/2018).
Damit werden in der gesamten Primarschulzeit nur noch Jahreszeugnisse ausgestellt. «Aufgrund der geringen Lektionenzahl pro Fach haben die Lehrpersonen Schwierigkeiten, eine sachlich begründete Note zu setzen», begründet Andreas Walter den Beschluss. In der fünften und auch in der sechsten Klasse dürfte dies zu einer Reduktion der Anzahl Tests führen.
Die Noten in der sechsten Klasse gewinnen dadurch an Bedeutung. Relevant für die Empfehlung der Lehrperson sind dabei die Leistungen von August bis Anfang März. Und zwar in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Für die Sek P ist gleich wie heute ein Durchschnitt von 5,2 erforderlich, für die Sek E ein Notenschnitt von 4,6. Im Unterschied zur heutigen Praxis gebe es künftig keinen «Graubereich», unterstreicht Andreas Walter.
Dafür berücksichtigen die Lehrpersonen, wie oben bereits erwähnt, für ihre Empfehlung neben den Schulleistungen auch weiche Faktoren wie das Arbeitsverhalten. Und zwar vor allem dann, wenn ein Schüler den Notenschnitt für die Sek P oder die Sek E nicht ganz erreicht. Mit dem heutigen «Graubereich» sei dies nicht mehr vergleichbar, so Walter: «Ein Lehrer muss gegenüber der Schulleitung eine Abweichung sehr gut begründen können.»


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