9. November 2015

"Pädagogische Verwirrung"

Das Komitee "Ja zu einer guten Bildung - Nein zum Lehrplan 21" kontert die negative Stellungnahme der Regierung. Sie täte gut daran, "den Blick vermehrt nach innen und nach aussen zu werfen".











Die Lehrplan-Gegner diagnostizieren eine "pädagogische Verwirrung" seitens der Regierung, Bild: Keystone
Lehrplan-Gegner sehen eine "pädagogische Verwirrung", Aargauer Zeitung, 9.11. von Jörg Meier


Das war zu erwarten: Nachdem der Regierungsrat erklärt hat, warum er sowohl die Motion Bodmer für ein Moratorium als auch die Initiative gegen den Lehrplan 21 ablehnt, meldet sich das Komitee «Ja zu einer guten Bildung – Nein zum Lehrplan 21» mit deutlichen Worten.
Die Gruppierung um die Heilpädagogin Elfy Roca und Bezirkslehrer Harald Ronge will mit einer Volksinitiative die Einführung des Lehrplans 21 im Aargau verhindern. Sie lässt kein gutes Haar am neuen Lehrplan 21 und gibt sich kämpferisch.
Den Teufel an die Wand malen
In der ausführlichen Stellungnahme wirft das Komitee dem Regierungsrat vor, er wisse offenbar nicht, was sich punkto Lehrplan 21 in den andern Kantonen abspiele. Und fragt dann provokativ, ob die Regierung die Stimmbürger verunsichern wolle, indem man «den Teufel an die Wand malt, statt sachlich zu argumentieren».
Dann wirds konkreter: Die Motion Bodmer, die einen Ausgabenstopp für alle Vorarbeiten zum Lehrplan 21 bis zur Abstimmung verlangt, verhindere keineswegs die bildungspolitische Diskussion. Diese werde nämlich ohnehin im Vorfeld der Abstimmung stattfinden, unabhängig davon, ob das Bildungsdepartement (BKS) vorher Geld für den Lehrplan 21 ausgebe oder nicht.
Und schon folgt der nächste Vorwurf: «Mangels Argumenten stellt die Regierung die Gegner des Lehrplans 21 in die Ecke der Ewiggestrigen», schreibt das Komitee. In Tat und Wahrheit sei aber BKS selber nicht auf dem neusten Stand der Bildungsdiskussion.
«Würde man der Argumentation des Regierungsrates folgen, müsste zum Beispiel der pädagogische Ansatz Pestalozzis (Bildung mit Kopf, Herz und Hand) sofort aus allen Lehrbüchern verschwinden, dessen Methoden und Gedanken zur Schulbildung stammen nämlich aus dem vorvorletzten Jahrhundert», heisst es in der Stellungnahme.
Wer lässt Fächer verschwinden?
Eine «pädagogische» Verwirrung erkennt das Komitee zudem im Hause BKS, weil man den kurzfristigen Gesellschaftswandel über die Vermittlung einer umfassenden humanistischen Bildung sowie solide Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen stelle.
Das Komitee bestreitet auch, dass die Initiative wichtige Fächer zum Verschwinden bringe. «Im Gegenteil! Der Lehrplan 21 schafft eigenständige Fächer wie Geschichte, Geografie, Biologie, Chemie und Physik ab!», behauptet das Komitee.
Hinterfragt wird auch die im Lehrplan 21 vorgesehene Kompetenzorientierung: Diese «in Fachkreisen höchst umstrittenen Kompetenzen machen in der Berufsausbildung durchaus Sinn, nicht aber in der Volksschule», argumentiert das Komitee.
Weitere Kritik gilt der grossen Bedeutung, die der neue Lehrplan dem selbstgesteuerten und selbstentdeckenden Lernen geben will. Die Individualisierung im Unterricht werde auf die Spitze getrieben, was wiederum dazu führe, dass viel Kinder auf der Strecke bleiben würden. «Zusammen mit der Abschaffung von Jahreszielen entstehen Leistungsunterschiede nicht nur innerhalb von Klassen, sondern auch zwischen Gemeinden und Kantonen.» Zwischenergebnis des Gegenkomitees: Der Lehrplan 21 richtet ein organisiertes Chaos an, die behauptete Harmonisierung erweise sich als blosser Etikettenschwindel.
«Verdrehung der Tatsachen»
Im Gegensatz zur Regierung ist das Komitee auch der Ansicht, dass der Kanton Aargau bei einer Ablehnung des Lehrplans 21 weder eigene Lehrmittel noch eine eigene Lehrerbildung brauche. Das Argument, durch die Initiative würden die Kosten steigen, bezeichnet das Komitee als «Verdrehung der Tatsachen». Denn es sei genau umgekehrt: Die Einführung des Lehrplanes sei sehr teuer und hätte einen weiteren Bildungsabbau zur Folge.
Und zum Schluss hält das Komitee für den Regierungsrat gar noch einen Rat bereit: Er täte gut daran, «den Blick vermehrt nach innen (in die Schulzimmer und ins BKS) und nach aussen (über die Kantonsgrenzen hinaus) zu werfen». Denn mit seinem «sturen Festhalten am missratenen Lehrplan 21 gefährdet er nur unser wichtigstes Gut, die Bildung».


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