23. September 2015

Kindergärtnerinnen mit Lohneinbusse

Der neue Berufsauftrag sorgt dafür, dass die Kindergärtnerinnen der Stadt St. Gallen Lohneinbussen erleiden. Der Stadtrat will aber den Besitzstand beim Lohn wahren. 












Streitpunkt Znünipause: Wie weit soll diese als Arbeitszeit angerechnet werden? Bild: Gaetan Bally
Plötzlich viel weniger Lohn, St. Galler Tagblatt, 23.9. von Elisabeth Reisp


Praktisch von einem Tag auf den anderen verdient sie 250 Franken weniger. Und das nach 25 Jahren als Kindergärtnerin in der Stadt St. Gallen. Sie hat noch Glück gehabt, ältere Kolleginnen müssen eine Lohneinbusse von bis zu 700 Franken monatlich verschmerzen. Sie, das ist eine Kindergärtnerin, deren Namen nicht in der Zeitung stehen darf. «Eine Order vom Lehrerverband», sagt die Kindergärtnerin. «Damit nicht alles Geschirr zerschlagen wird.» 

Pausen sollen bezahlt werden
Die Situation bei den Kindergärtnerinnen der Stadt ist angespannt. Sie mussten vor den Sommerferien einen Vorvertrag für einen neuen Berufsauftrag unterschreiben. Dieser hat zum Teil happige Lohneinbussen zur Folge. Nun setzt sich der Lehrerverband der Stadt St. Gallen (VLSG) für sie ein. Der Verband hat Stadtrat Markus Buschor eine Resolution geschickt mit zwei Forderungen: Den Kindergärtnerinnen soll die effektive Arbeitszeit bezahlt werden. Gemeint ist damit die 20minütige Znünipause am Morgen, die seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht entlöhnt wird. Einzelne Schulhäuser haben indes Lösungen gefunden, diese unbezahlte Arbeitszeit auszugleichen. Und hier knüpft der VLSG seine zweite Forderung an: Alle Kindergärtnerinnen sollen innerhalb der Gemeinde gleich behandelt werden.
Würde der Stadtrat diesen Forderungen nachkommen, könnte die Lohneinbusse wenigstens zum Teil wettgemacht werden, sagt Olivia Rudin, Präsidentin des VLSG.

Automatische Pensenreduktion
Bei den Kindergärtnerinnen brodelt es schon seit langem. Der neue Berufsauftrag und die damit verbundenen Lohneinbussen haben die Suppe überkochen lassen. Wer sie auslöffeln muss, ist unklar. «Schulamtsleitung und Stadtrat blocken ab», sagt die betroffene Kindergärtnerin.
Mit dem neuen Berufsauftrag kann die Arbeitsleistung in Stunden abgerechnet werden. Da im Kindergarten weniger Lektionen unterrichtet werden als in der Primarschule, kann eine Kindergärtnerin gemäss Rudin gar nicht mehr 100 Prozent unterrichten. Dies, weil ihre Arbeit in vier Felder unterteilt wird: Unterricht, Schule, Schüler, Lehrperson. Der Unterricht mache den Hauptteil der Arbeit aus, sagt Rudin. Die anderen drei Felder werden in Relation zur Zahl der Lektionen abgerechnet. Würde wenigstens die Znünipause angerechnet, könnte das Pensum wieder etwas aufgestockt werden, sagt Rudin. «Auf hundert Prozent kämen die Kindergärtnerinnen zwar nicht, aber immerhin wieder auf ein höheres Pensum.»
Die Pause sei keine Arbeitspause, sondern «eine Bewegungs- und Verpflegungsphase für die Kinder», sagt Rudin. Denn die Kindergärtnerinnen seien auch in dieser Unterrichtsphase für die Kinder verantwortlich. Gerade im ersten Quartal ist diese sehr betreuungsintensiv. Nicht alle Kinder sind beim Eintritt in den Kindergarten gleichermassen selbständig.

Schulamt verweist auf Gesetz
Bei der Stadt sei der Lehrerverband bis jetzt auf taube Ohren gestossen. «Alle Bitten unserseits um Verhandlungen wurden vom Tisch gewischt», sagt Rudin. Die Direktion für Schule und Sport weigere sich, am Zustand etwas zu ändern.
Die Schulamtsleiterin Marlis Angehrn begründet die Haltung des Schulamts mit der Gesetzgebung. Eine Entlastung für die Pausenaufsicht sei gemäss Bildungsdepartement nicht im Sinne des Gesetzgebers. In der Handreichung zum neuen Berufsauftrag sei empfohlen worden, einen überdurchschnittlichen Einsatz der Kindergärtnerin während der Pausenaufsicht dem Arbeitsfeld Schule anzurechnen.

Stadtrat für Besitzstandwahrung

Stadtrat Markus Buschor sieht ebenfalls keinen Grund, die Pausen anzurechnen. «Vor Jahren hat man festgelegt, die Zeit, welche es braucht, die Kinder zu empfangen und wieder zu entlassen, als Unterrichtszeit zu honorieren.» Das heisse, für diese Zeit werde automatisch auch Vorbereitungszeit angerechnet, die nicht nötig ist. Hingegen werden Pausen nicht als Arbeitszeit verrechnet. Das sei damals der Deal gewesen. Schuldirektor Buschor will aber keineswegs die Augen verschliessen vor jenen Fällen, die der neue Berufsauftrag besonders hart getroffen hat. «Der Stadtrat hat klar entschieden, den Besitzstand der Lehrpersonen zu wahren.» Wer also eine einschneidende Lohneinbusse zu verschmerzen habe, könne einen Antrag zur Überprüfung der Situation stellen. Bei einer Anerkennung als Härtefall solle der Lohn wieder angepasst werden.

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