29. Oktober 2014

Der Lehrplan 21 ist gescheitert

Eigentlich hatte alles so gut angefangen. Sämtliche Kantone und fast neun von zehn Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern waren dafür: Die eidgenössische Bildungsverfassung sollte den Rahmen für eine Annäherung der kantonalen Schulen schaffen. Ein Umzug von einem Kanton in den anderen sollte in Zukunft weder für die Eltern noch für die mitziehende Jungmannschaft im Bildungsfiasko enden. Endlich sollten Schuleintrittsalter, Schulpflicht, die Dauer der einzelnen Schulstufen, deren Ziele und deren Übergänge einheitlich sein. HarmoS lautete das Schlagwort. Das Schulleben sollte einfacher werden, nicht komplizierter.That’s it!



Die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz redet Klartext, Bild: fetz.ch
Lasst die Schule in Ruhe! Die Zeit, 23.10. von Anita Fetz

Das war vor acht Jahren. Heute stellen wir fest: Das Gegenteil ist eingetroffen. Die Euphorie von damals ist längst verflogen.
Die Kantone geben einander wegen des Streits um die Frühsprachen aufs Dach, und nebenbei hat eine überambitionierte Bürokratenmaus einen Dokumentenberg geboren, der das Matterhorn vor Neid erblassen lässt. Schon allein der Entwurf des sogenannten Lehrplans 21 ist monströs: über 550 Seiten mit fast 5.000 Kompetenzen.
Auch der Titel hat mit dem 21. Jahrhundert nichts zu tun. Sondern mit der Anzahl der Kantone, deren Lehrpläne gleichgeschaltet werden sollen. Es ist also nicht auszuschließen, dass er irgendwann einmal nur noch Lehrplan 5 heißen wird. Denn selbst in Kantonen, welche die Harmonisierung nahezu einstimmig befürwortet haben, wächst der Widerstand – und das nicht auf dem Niveau der Kindertränen-Plakate, die eine halbe Bundesratspartei in bisherigen kantonalen Abstimmungen aufgehängt hat. Sondern bei Lehrkräften, Eltern und kritischen Pädagogen. Und genau die sollten dieses Monsterwerk tragen und umsetzen.
Der Lehrplan baut nicht auf Wissen und Inhalte, sondern auf eine schummrige "Kompetenzorientierung". Ein Professor hat bereits gespottet, nach Lehrplan 21 genüge es, dass die Schüler einmal vom Einmaleins gehört hätten und wüssten, wo sie es finden könnten; beherrschen müssten sie es nicht mehr.
Anders gesagt: Die Schule soll neu erfunden werden. Aber nur in den Kantonen, die sich dem Lehrplan anschließen – und das sind längst nicht alle. Eine schweizweite oder auch nur sprachregionale Annäherung, wie wir sie wollten, sieht anders aus. Eine Vereinfachung auch.
Ehrlicherweise müsste man deshalb eingestehen: HarmoS in der heutigen Form ist gescheitert. Und zwar daran, dass das Fuder mit der Kompetenzausrichtung und mit viel bürokratischem Fleiß überladen wurde. Der Brei ist durch die Anzahl der Köche, die hingebungsvoll darin gerührt haben, nicht besser geworden. Daran ändern auch neumodische Torheiten wie kontextblinde Benchmarking-Gleichmacherei und andere der Wirtschaft abgeschaute Instrumente nichts.
Kommt hinzu: Die ganze Übung ist teuer. Sehr teuer. Und das Geld fließt in Beton, nicht in Bildung! In Basel etwa verschlingen die Schulhausumbauten mit mehreren Hundert Millionen Franken derart viel Geld, dass der Kanton nur knapp der Schuldenbremse entkommt, aber auf Jahre hinaus keine größeren Investitionen mehr tätigen kann.
Wer sich bei Lehrpersonen und Eltern umhört, wird das Gefühl nicht los, die Schule brauche weniger pseudopädagogische Reformen, weniger Projektitis. Dafür gut ausgebildete und engagierte Lehrpersonen, die man in Ruhe guten Unterricht durchführen lässt. Schließlich sollte die obligatorische Schule mit Bildungsinhalten eine solide Basis für das Leben setzen. Für die Einführung in die Arbeitswelt ist die Berufsbildung zuständig.
Oder etwas altmodisch gesagt: Für das Leben lernen wir. Nicht für die Bildungsbürokratie.

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