20. Juni 2014

Kritiker sehen sich bestätigt: Mehr Praxis in der Ausbildung

Die Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz muss Lehre und Praxis stärker gewichten. Ein Ausschuss des Fachhochschulrats hat dazu einen umfangreichen Bericht erarbeitet. 



In der Sekudarlehrerausbildung wird mehr Wissen gefragt, Bild: Colourbox


Die Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz muss Lehre und Praxis stärker gewichten, Basler Zeitung, 20.6. von Thomas Dähler



Die Pädagogische Hochschule (PH) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) geht bei der ­Lehrerausbildung über die Bücher. «Wissenschaft und Forschung sind zu stark gewichtet, Lehre und Praxis sollen verbessert werden», sagt Hans Georg Signer, Leiter des Fachhochschulrat- Ausschusses. Unterstützung erhält er auch von den Kritikern der heutigen Ausbildung an der PH. Signer, der im Erziehungs­departement des Kantons Basel-Stadt für die Mittelschulen und die Berufsbildung verantwortlich zeichnet, hat zusammen mit den vier weiteren Mitgliedern des Fachhochschulrat- Ausschusses einen umfangreichen Bericht erarbeitet, der die Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigt.
Verantwortet wird der Bericht von einem fünfköpfigen Ausschuss, dem neben Signer FHNW-Direktionspräsident Crispino Bergamaschi, Psychologie-­Professor Linus Marcello Schumacher, Ständerätin Christine Egerszegi und die frühere Riehener Gemeinderätin Maria Iselin angehören. Bis Ende Jahr wird der Fachhochschulrat die geforderten strategischen Anpassungen vornehmen. Parallel dazu muss die PH die Erkenntnisse operativ umsetzen.
Insgesamt positiv beurteilt
Ausgelöst haben die kritische Überprüfung die verschiedenen politischen Vorstösse in den Kantonsparlamenten, Rückmeldungen aus den Schulen sowie eine Umfrage bei den Dozenten der PH. Der Ausschuss führte in der Folge zu 13 konkreten Bereichen umfangreiche Hearings durch, prüfte die Studiendokumentationen der PH und stellte Vergleiche zu anderen Fachhochschulen an. Dabei wurde die Lehrerausbildung insgesamt positiv beurteilt. Nicht infrage gestellt wurde insbesondere die Ausrichtung der PH der vier Kantone auf Lehre, Wissenschaft und Berufspraxis. «Wir wollen auf keinen Fall zur Ausbildung in den Lehrerseminaren zurückkehren, und wir wollen auch in Zukunft die Ausbildung nicht wieder kantonal verschieden gestalten», nimmt Signer klar Stellung.
Es dürfe bei der Ausbildung aber keine Hierarchie geben, die einseitig der Wissenschaft vor Lehre und Berufspraxis den Vorzug gebe. Die drei Bereiche müssten einen gleich hohen Stellenwert haben: «Eine gute Ausbildung der Lehrer entsteht aus der Verknüpfung der verschiedenen Aspekte.» Signer kritisiert: «Die Relation stimmt heute nicht mehr.» Deshalb müsse die zu starke Gewichtung von Wissenschaft und Forschung korrigiert werden. Der Ausschuss schlägt vor, die Einrichtung einer berufspraktischen Professur zu prüfen. Verbesserungspotenzial sieht Signer auch beim Studienaufbau: «Die Reihenfolge der einzelnen Teile muss verbessert und die Module müssen kohärenter aufeinander abgestimmt werden.»
Praxis besser verankern
Jürg Wiedemann, Baselbieter Landrat und einer der erklärten Kritiker der PH, begrüsst grundsätzlich die Kern­aussagen des Berichts. Studierende hätten ihm die georteten Defizite bestätigt. «Auf der Primarstufe braucht es eine bessere Verankerung der Praxis im Studium», ist Wiedemann überzeugt.
Bei der Sekundarlehrerausbildung hingegen komme vor allem die Lehre zu kurz. Wiedemann meint dezidiert: «Die Fachausbildung ist ungenügend, weil ihr Anteil am Studium heute deutlich zu gering ist.» Demgegenüber verweist Sig­ner auf den Bericht, der die PH der FHNW auch beim integrierten Studiengang auf dem zweiten Platz hinter der Universität Freiburg sieht.

Unterstützung erhält der Bericht des Fachhochschulrat-Ausschusses auch vom VPOD Region Basel. Dieser ist mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Berichts einverstanden. Gewerkschaftssekretärin Kerstin Wenk kritisiert jedoch den Umgang mit den Praxislehrkräften. Dass es heute an Praktikumslehrern ­mangle, sei hausgemacht. Es herrsche ein organisatorisches Chaos, und eine Qualitätssicherung finde nicht statt. Leider gehe auch der Bericht des Fachhochschulrat-Ausschusses geringschätzig mit den Praxislehrkräften um. Bei den Praktika sei es nie um ein «Sitting by Nelly» und das Erlernen von Rezepten gegangen, wie es der Bericht vermerke.

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