30. November 2013

Generalisten müssen her

Lehrerinnen und Lehrer für die Primarschulstufe sollen möglichst zu Generalisten ausgebildet werden. Der Baselbieter SP-Landrat Thomas Bühler fordert den Regierungsrat in einem Postulat auf, aufzuzeigen, wie dies ermöglicht werden kann, ohne die Lehrkräfte über Gebühr mit Nachstudien zu belasten.
An der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) finde heute in der Ausbildung von Primarlehrkräften eine Spezialisierung statt, sodass die Absolventen nicht mehr alle Fachbereiche unterrichten könnten, schreibt Bühler. Insbesondere die Pflicht, sich während der Ausbildung zwischen «Bildnerischem Gestalten/Werken», «Singen und Musik» oder «Turnen und Sport» zu entscheiden, ziele aus der Sicht der Primarschulen an den beruflichen Realitäten und Erfordernissen vorbei.
Ergänzende Studienmodule würden nur berufsbegleitend und nach der Grundausbildung angeboten. Nach der Meinung Bühlers könnten die angehenden Lehrkräfte während der beiden letzten Studiensemester aber durchaus Zusatzmodule belegen. Es sei darauf hinzuwirken, dass die FHNW Auslegung und Finanzierung von Ergänzungsstudien so regelt, dass Studierende motiviert sind, diese zugunsten einer Allrounder-Ausbildung zu absolvieren.
Quelle: Basler Zeitung, 30.11.

„Die Schülerinnen und Schüler können über Macht, Machtbegrenzung und Machtmissbrauch nachdenken (Prinzip der Machtbegrenzung).“

Wir haben es zurzeit lustig in unserem Kollegium. Seit wir uns in unseren Fachgruppen mit dem neuen Lehrplan 21 auseinandergesetzt haben, ist Stimmung angesagt. Kein Tag vergeht, ohne dass ein Kollege oder eine Kollegin uns einen Satz aus den 557 Seiten des neuen Lehrplans zitiert. Die Reaktion ist meistens dieselbe, es wird gelacht, Köpfe werden geschüttelt und Schenkel geklopft.
Heute ist allerdings vielen das Lachen vergangen. Die Nachricht der vom Grossrat beschlossenen Klassenschliessungen ist ebenfalls in unserem Lehrerzimmer gelandet. Folgerichtig fragte eine Kollegin, was denn der ganze „Lehrplan-Mist“ gekostet habe. Sechs Millionen Franken! Und der Schulleiter doppelte nach: 22 Tage Schulung für alle Lehrkräfte seien geplant! Ein anderer fügte hinzu, dass die  Einführung von Frühfranzösisch unseren Kanton insgesamt 60 Millionen Franken kosten werde.
Was anschliessend in Gang gesetzt wurde, war weniger lustig, vor allem für die Urheber dieser Quelle bildungsbürokratischer Segnungen. 557 Lehrer protestieren gegen 557 Seiten Praxisferne, monströse Bildungsprosa, apodiktischer Kompetenzorientierung und das Bestreben, Unterricht auf die Funktionalität einer Kühlhaubenfabrikation reduzieren zu wollen.
Nach einer Stunde „Netztätigkeit“ waren die ersten 100 Unterschriften schon beisammen. Natürlich gab es auch eine mahnende Stimme: Man könne doch nur stoppen, was laufe, und dieser Unfug werde nie laufen. Der ältere Kollege, aus dessen Munde diese Worte kamen, gehört zu der Gattung Lehrkräfte, die weder „JA“ noch „NEIN“ sagen. Er sagt meistens „ja, ja…“! oder „Ausser Spesen nichts gewesen“.
Angesichts der angedrohten Schliessung von Bildungsinstitutionen, kann man hier aber nicht mehr von Spesen sprechen, sondern von einem gewaltigen Ressourcenklau!
Unser oberster Bildungschef meinte auf die Ankündigung dieses Protestes: „Es kann sein, dass der Lehrplan etwas zu engmaschig sei!“ Diesen wunderbaren Satz muss man sich angesichts der im Lehrplan aufgeführten 4753 Teilkompetenzen einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Entweder hat Herr Pulver den Impakt dieses monströsen Regelwerks noch nicht begriffen, oder aber er weiss, worum es geht. Dann ist der Hinweis auf ein bisschen „Viel“ Teil seiner Durchsetzungsstrategie und er ein gerissener Politiker. Ähnlich argumentiert übrigens auch seine Exzellenz Zemp, der Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes, der die fundamentale Kritik „seiner Basis“ gar nicht schön findet.
Das eingangs zitierte Lernziel, wonach man über Machtmissbrauch und Machtbegrenzung nachdenken können soll, mag für Kindergärtner vielleicht etwas hoch gegriffen sein, aber die Lehrkräfte haben diese Kompetenz offensichtlich nach 9 Sparpaketen und vier monumental gescheiterten Bildungsgrossreformen erworben.
Auf eine dilettantische Projektentwicklung wie sie beim LP 21 angewendet wurde, auf nicht berechnete bzw. offengelegte Folgekosten, die nie und nimmer finanziert werden können, auf eine Kopie des US-amerikanischen Kompetenzmodells, von denen in den USA langsam aber sicher Abschied genommen wird, kann es nur eine Antwort geben. Eine fundamentale Ablehnung!
Die Lehrkräfte haben eigentlich nie richtig eingesehen, weshalb, ein Schulsystem, das immer noch zu den besten der Welt gehört, dass eine in Europa einmalige Integrationsleistung erbringt, das an den Lehrlingsweltmeisterschaften Goldmedaillen nur so abräumt, das die meisten Nobelpreisträger pro Kopf hervorbringt und dem Lande eine rekordtiefe Jugendarbeitslosigkeit beschert, plötzlich so immens reformbedürftig sein soll. 
Und weshalb sie sich von Lehrplanflickern, die vermutlich schon bei der Aufgabe, eine Oberstufenklasse in öffentlichen Verkehrsmitteln auf die Eisbahn zu führen, in Existenzängste fallen würden, vorschreiben lassen sollen, wie sie unterrichten müssen, haben sie noch nie richtig akzeptiert. Dafür fehlen ihnen die grundlegenden Kompetenzen oder sie wissen einfach zuviel.
Kolummne von Alain Pichard, publiziert am 30.11. in der Berner Zeitung

Knappe Lehrkräfte

In einer Prognose geht der Kanton St. Gallen davon aus, dass sich die Situation auf dem Stellenmarkt ab 2019 verschärfen wird. Engpässe in der Besetzung von Lehrerstellen sind möglich. 
Prognose zur Situation der Lehrerinnen- und Lehrerzahlen, Kanton St. Gallen Bildungsdepartement, 8. April 2013

LCH als Totengräber des Französischen?

Wenn es um Sprachenfragen geht, regieren die Emotionen. Dies zeigen die Reaktionen auf die Haltung des LCH, in Zukunft nur noch eine obligatorische Sprache an der Primarschule zu unterrichten. Die Westschweiz sieht darin einen Angriff aufs Französische.



Pikant: Blochers Grossvater agitierte gegen das Französische, Bild: Albert Anker, Dorfschule 1848

Blochers Grossvater und Frühfranzösisch, NZZ, 30.11. von Walter Hagenbüchle 

28. November 2013

Weiterhin Quereinsteiger an PHZH

Die Pädagogische Hochschule Zürich führt seit 2011 Studiengänge für Quereinsteiger. Diese wurden als eine von mehreren Massnahmen gegen den Lehrkräftemangel eingerichtet. 
Die PHZH zieht nach Auswertung der ersten Erfahrungen eine positive Bilanz. Da nach wie vor ein Lehrkräftemangel besteht, sollen die Studiengänge bis 31. Dezember 2015 verlängert werden.



Quereinsteiger weiterhin willkommen, Bild: www.faz.net


Quelle: Kanton Zürich

Bern macht Schulversuch mit weniger Lehrern pro Klasse

Bern schliesst sich Zürich an und startet einen Schulversuch, bei dem zwei bis drei Lehrpersonen pro Regelklasse möglichst alle Fächer unterrichten.
Schulversuch mit weniger Lehrern pro Klasse befürwortet, Berner Zeitung, 28.11.

Bewegung und Ernährung

Bewegung und Ernährung an Schweizer Schulen. Ergebnisse der zweiten Befragung von Schulleitungspersonen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein, Università della Svizzera italiana, Oktober 2013

China verschiebt Frühenglisch

Was hat die Pekinger Schulbehörde mit der Schweizer Volksschule gemeinsam? Beide befassen sich intensiv mit dem Fremdsprachen-Unterricht. Ab Januar 2014 wird der Beginn des Englischunterrichts an Pekings Volksschule um zwei Jahre nach hinten verschoben. Anstatt in der ersten beginnt der Fremdsprachenunterricht erst in der dritten Klasse. Man will damit die hohe schulische Belastung reduzieren. Doch das reicht gemäss einem Kritiker noch nicht. Das System mit seiner strengen zentralistischen Prüfungsorientierung müsse reformiert werden und in Zukunft den Schulen mehr Freiheiten zugestehen.




Weg vom starren Zentralismus? Bild: Reuters

Beijing to remove English classes from early grades at elementary schools, South China Morning Post, 20.11. von Chris Luo

Bericht Schulevaluation Solothurn

Die externe Schulevaluation im Kanton Solothurn liefert den Bericht einer ersten Tranche von 28 untersuchten Schulen. Dabei wurde folgendes Verfahren angewandt: Ein Team von 1-5 Tandems besucht während 3-4 Tagen eine Schule, um die Qualität der institutionellen Voraussetzungen, der wichtigen Prozesse und der Ergebnisse aus einer unabhängigen Perspektive zu erfassen. Die externe Schulevaluation setzt sich aus drei sich ergänzenden Elementen zusammen, aus einer 'Ampelevaluation', in der die Funktionsfähigkeit der Schule überprüft wird, aus einer 'Profilevaluation', in der das Stärke-Schwäche-Profil der Schule dargestellt wird und aus einer 'Fokusevaluation', in der eine differenzierte Standortbestimmung in einem von der Schule gewählten Entwicklungsbereich vorgenommen wird.
Bericht über die Resultate der externen Schulevaluationen der Solothurner Volksschulen zuhanden des Departementes für Bildung und Kultur des Kantons Solothurn, 31. Mai 2010 bis 31. Juli 2012, Heidi Zumbrunnen et al.

27. November 2013

Fragen und Verwirrung bei Infoanlass zu Frühfranzösisch

Landauf und landab werden die Eltern über Frühfranzösisch informiert. Dass dabei Versprechungen gemacht werden, die nicht eingehalten werden können, ist seit Jahren bekannt. Ein Beispiel aus Riehen BS.
Die Zahl der Anwesenden zeigte, wie sehr das Thema den Eltern unter den Nägeln brennt. Nicht weniger als 240 Mütter und Väter hatten sich zum Informationsanlass für Eltern über die neue Fremdsprachendidaktik Passepartout angemeldet. Und dies, obwohl die Eltern der Erst- und Zweitklässler an ­einem separaten Anlass zum selben Thema informiert werden sollen.
Es ging also um den Französischunterricht in den Primarschulen. In einem langatmigen ersten Teil referierten Manuele Vanotti, kantonaler Projektleiter Passepartout, Ursina Fehr, von der Leitung Weiterbildung und Kursleiterin in Englisch, sowie Andy Thommen, Mitautor der Französisch-Lehrmittel «Mille feuilles» (3. bis 6. Klasse) und «Clin d’oeil» (7. bis 9. Klasse).
Aufkommende Fragen wurden nicht angenommen. Diese prasselten jedoch auf die Experten, Schulvertreter und Schulvertreterinnen im zweiten – nach dem Geschmack der meisten Anwesenden viel zu kurz geratenen Teil – regelrecht ein. Besonders besorgt zeigten sich die Mütter und Väter, dass längst nicht bei allen Kinder Fehler korrigiert und auch die Eltern zum Teil ­angehalten werden, dies nicht zu tun. Begründet wird dies damit, dass den Mädchen und Buben die Freude an der Sprache nicht vergällt werden solle.
Die Kinder sollten ein Sprachbad nehmen, Französisch auf viele Arten erfahren und ausprobieren, erklärten die Referenten. Grammatik und Regeln seien zwar wichtig, stünden aber nicht im Vordergrund. Diese sollten die Kinder mit der Unterstützung der Lehrkräfte mit der Zeit selbst entdecken und formulieren. Ein Ansatz, der bei vielen ­Eltern Skepsis bis zu Kopfschütteln oder sogar Lachen hervorrief.
Die Französisch-Experten versicherten, dass die Schüler nach den bisherigen Erfahrungen die Lernziele erreichen würden. Anders erleben es offenbar viele Eltern von Viert- und Fünftklässlern: Ihre Kinder würden kaum Französisch sprechen oder verstehen, so der Tenor. Auch erhoben sich zahlreiche Stimmen, dass die Kinder eine regelrechte Französisch-Aversion entwickelt hätten. Doch es gab auch positive Voten, nach denen die Primarschüler Freude an der neuen Sprache hätten.
Ganz klar wurde, dass zu Hause zwei verschiedene Welten aufeinanderprallen, die Verständigungsschwierigkeiten haben: Die schöne neue Sprachlernwelt der Kinder und diejenige der Eltern, in der das Konjugieren, das Grammatik- und Wörterbüffeln beim Erlernen einer Fremdsprache noch einen hohen Stellenwert innehatten und nicht der Spass an der Sprache im Vordergrund stand.
Noch offen ist, ob die neue Methode funktioniert oder mit dem früheren Modell die Sprachziele rascher und besser erreicht wurden. Vermutlich braucht es eine gesunde Mischung, bei der nicht über Bord geworfen wird, was sich ­jahrzehntelang bewährt hat, aber Neues und vermehrt spielerische Elemente eingebaut werden.
Das Fazit der Riehener Infoveranstaltung ist klar: Der Sprachunterricht in den Primarschulen wird noch viel zu reden geben. Denn das Ei des Kolumbus scheint noch nicht gefunden.
Quelle: Basler Zeitung, 27.11. "Viele Fragen zu Frühfranzösisch" von Susanne Stettler

Nidwalden erlaubt verschiedene Schuleinstiegsmodelle

Gegen den Willen der Regierung werden in Nidwalden sowohl der Kindergarten als auch die Grund- und die Basisstufe beim Schuleintritt zugelassen. Die Regierung wollte den Kindergarten für den ganzen Kanton vorschreiben.
Drei Modelle für den Schuleintritt zulassen, Neue Luzerner Zeitung, 27.11.

Sprachenfrieden nicht gefährdet

Heute wurde die Bündner Initiative für eine Fremdsprache an der Primarschule eingereicht. Ohne grosse Sammelaktionen konnten 3700 Unterschriften aus allen Schichten der Bevölkerung und über alle Parteigrenzen hinweg überreicht werden. Ziel der Initiative ist, die Kompetenz in der Muttersprache zu stärken und die Primarschule weniger sprachenlastig zu machen. Die Bedeutung der italienischen Sprache für Graubünden bleibt unbestritten. 


Die Mitglieder des Initiativkomitees bei der Übergabe der Unterschriften, Bild: Theo Gstöhl

3700 Unterschriften für "Nur eine Fremdsprache", Südostschweiz, 27.11.

www.fremdspracheninitiative.ch

26. November 2013

Von "Tit Chino" bis "Shah Vow Zen"

Nicht alle, die in der Schweiz sind, sind so sprachbegabt, wie wir es von unseren Primarschülern erwarten. Expats brauchen Hilfe, wenn es um die Aussprache unserer Ortsnamen geht. Eine neue Karte soll hier Abhilfe schaffen.

John Wubbe, Präsident von Züri Expats, ist begeistert: "Die Karte ist genial!" Für die meisten englischsprachigen Expats sei es sehr schwer, schweizerdeutsche Wörter korrekt auszusprechen. 
Von "Tit Chino" bis "Shah Vow Zen", 20 Minuten, 25.11.

Trennung von Geografie und Geschichte im Lehrplan 21

Die Taskforce der schweizerischen Geografie- und Geschichtslehrer fordert für die Sek I

  • die Beibehaltung der allgemein bekannten Fachbezeichnungen Geografie und Geschichte anstelle des Sammelbegriffs "Räume, Zeiten, Gesellschaften".
  • die Trennung und Erhaltung der Fachkompetenzen (Geografie und Geschichte) in der Lehrerausbildung
Dazu kann eine Petition online unterzeichnet werden. Das Positionspapier und die Petition können hier eingesehen werden.

Deutsch im LP21: Fragmentierung vs. Ganzheitlichkeit

Elsbeth Schaffner ist eine erfahrene Unterstufenlehrerin und hat sich den Lehrplan 21 im Fach Deutsch angesehen. Sie bemängelt die Fragmentierung in sechs Teilbereiche, die zu Lasten einer besonders in der Unterstufe benötigten Ganzheitlichkeit gehe. 
Erfüllt der Lehrplan 21 die Ziele eines nachhaltigen Deutschunterrichts?, von Elsbeth Schaffner (Link von www.seniora.org)

Bern erhöht Klassengrössen

Der Berner Grosse Rat erhöht die Klassengrösse von 19,2 auf 19,7 Schüler. Die hat die Schliessung von 120 bis 150 Klassen zur Folge und spart 4,5 Millionen. Die Massnahme greift ab dem nächsten Schuljahr.




Die durchschnittliche Klassengrösse an Schweizer Primarschulen beträgt 18,9 Schüler, Bild: Keystone

Grosser Rat verlangt grössere Schulklassen, Berner Zeitung, 26.11.

Solothurn beharrt auf Integration

Der Kanton Solothurn rückt nicht ab von seiner "integrativen Schule". Die Wirkung dieses Schulmodells sei "grossmehrheitlich positiv" und die Akzeptanz bei Eltern und Lehrern sei nachgewiesen worden. Auf das Schuljahr 2014/15 soll nun die Integration flächendeckend im ganzen Kanton eingeführt werden, Wahlmöglichkeiten für die Gemeinden sind ebenfalls nicht vorgesehen.


Spezielle Förderung durch Heilpädagogen trotz Mehrkosten, Bild: Keystone

Solothurner Regierung hält an der "Integrativen Schule" fest, SRF Regional, 26.11.

Luzern prüft Abschlusstest

Die Luzerner Regierung will die Einführung eines Abschlusstests am Ende der obligatorischen Schulzeit prüfen. Dies neben den bereits bestehenden Leistungstests Stellwerk 8 und 9. Lehrer und das Gewerbe halten nicht viel von dieser Idee.


Annamarie Bürkli (LLV): "Zeugnis und Stellwerktest reichen völlig". Bild: Manuela Jans

Regierung will Abschlusstest ausbauen, Neue Luzerner Zeitung, 26.11. von Susanne Balli 

25. November 2013

Geschichte im LP21 - ein kurzer Verriss

Im einem Kommentar zu einem Text von Christian Amsler (Präsident D-EDK) greift der deutsche Historiker und Geschichtsdidaktiker Hans-Jürgen Pandel den Lehrplanentwurf für Geschichte frontal an und bezeichnet dessen Aussagen als "an Trivialität kaum zu unterbieten". Ausserdem vermisst Pandel die propagierte Kompetenzorientierung - "... nicht eine einzige Kompetenz wird aufgeführt".


"Vielleicht gehen die Uhren in der Schweiz anders ..."


Kommentar von Hans-Jürgen Pandel zu "Projekt Lehrplan 21 - die Politik und die Geschichte" von Christian Amsler, auf Public History Weekly, 31. Oktober, 2013


Mehr Therapien als nötig

Was ist los mit einer Gesellschaft, die die Kinder bereits im Kindergartenalter "normalisieren" will? Die Zahlen der Kinder, welche besonders gefördert oder therapiert werden steigen stark an. Nicht wenige sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Therapiewahn". Wuchert in den Kantonen ein sonderpädagogischer Apparat, der unkontrolliert und unhinterfragt die Kinder pathologisiert?


"Wenn das Angebot da ist, wird es auch genutzt", Oskar Jenny, Abteilungsleiter am Kinderspital Zürich

Therapiewahn an den Schweizer Schulen? Radio SRF, 25.11. von Raphael Zehnder

Wollen wir genormte Lehrer für gescheiterte Reformen?

Wer den Lehrplan 21 (und weitere moderne Errungenschaften der Schweizer Volksschule) kritisch beleuchtet oder gar ablehnt, gilt als Ewiggestriger, der sich dem Fortschritt in den Weg stellt. Dass dieses Urteil vorschnell ist, zeigt der Text von Ralph Fehlmann. Darin weist er auf den bevorstehenden Paradigmawechsel des kompetenzorientierten Unterrichtens hin. Ausserdem verbindet er die Bestrebungen des Lehrplans 21 mit den Erkenntnissen aus der Wissenschaft, was zu erhellenden Einsichten führt. 




Gescheitertes Modell implementieren? Bild: Kanton Appenzell Ausserrhoden

Back to the future! NZZ, 25.11. von Ralph Fehlmann


Im Zeitalter der Scharlatane

Sie stürmen die Bestsellerlisten mit ihren Pauschalurteilen über die Schule und Lehrerschaft und finden Gehör bei einer unkritischen Gefolgschaft. Dabei kennen die Autoren Hüther, Precht und Fratton den Schulalltag grösstenteils nur vom Hörensagen. Roger von Wartburg wagt sich an eine Bestandesaufnahme.




"Befreit von akademischen Skrupeln und den Mühen der Empirie", Roger von Wartburg legt einen gehaltvollen Artikel über unsere Bildungspäpste vor.

Wirtschaft will mehr Berufswahlunterricht

Auch der Schweizerische Arbeitgeberverband befasste sich mit dem Lehrplan 21. In der Konsultation fordert er mehr Gewicht für die Berufswahl. Kritisch äussert sich der Wirtschaftsverband zum Fachbereich Wirtschaft, Arbeit, Haushalt, wo er mehr Grundbegriffe und Zusammenhänge erwartet.
Harmonisierung als Postulat der Wirtschaft, NZZ, 25.11. von Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands

24. November 2013

Bildungsbürokraten müssen nachsitzen

Ein Kommentar von René Donzé zum Lehrplan 21
Die Aufgabe war in ihrer Anlage simpel: Mit dem ersten Lehrplan für alle 21 Deutschschweizer Kantone sollen die Ziele der obligatorischen Schulen so weit vereinheitlicht werden, dass Familien mit Kindern ohne Probleme zügeln können - auch über die Kantonsgrenzen hinweg. Die Lösung hingegen präsentiert sich hoch komplex: Im Lehrplan 21 werden Tausende Kompetenzen aufgelistet, welche die Kinder erwerben sollen. So müssen sie etwa am Ende der 6. Klasse «historische Quellentexte von geschichtlichen Darstellungen eigenständig unterscheiden» können. Welche Epochen bis dann behandelt sind, bleibt schwammig. Von Harmonisierung keine Spur. Von Klarheit ebenso wenig. Die Lehrplanmacher haben ein Werk geschaffen, das alle zu überfordern droht: Lehrer, Kinder und interessierte Eltern. Und sie haben erfolgreich eine Mess- und Vergleichbarkeit der Zielerreichung verunmöglicht. Zu lange wurde - etwa aus Angst vor reaktionärer Opposition gegen Sexualkunde - hinter verschlossenen Türen gearbeitet. Im Austausch mit der Basis hätten sie früh genug gemerkt, dass sie sich in abgehobenen Sphären bewegen. Nun müssen sie nachsitzen: Gefragt ist ein verständlicher, schlanker und praxistauglicher Lehrplan. 
Quelle: NZZaS, 24.11.

Zemps Buebetrickli

In der Frage des Fremdsprachenunterrichts zeigt sich, wie Beat Zemp, Präsident des LCH, seine Basis ins Leere laufen lässt. Diese Woche präsentierte der LCH eine Liste von zehn Kritikpunkten zum Lehrplan 21. Dabei bezieht man sich auf die Rückmeldungen aus den Kantonalsektionen und Mitgliederverbänden. Der Lehrerverband spricht sich in seiner Medienmitteilung vom 21. November dafür aus, dass das Angebot für zwei Fremdsprachen an der Primarschule aufrecht erhalten werden soll. Doch zu dieser Frage durften sich die Befragten gar nicht äussern, wie ein Blick in die Konsultationsfragen zeigt. Diese waren natürlich entsprechend "gesiebt" und erwecken so den Eindruck einer "grundsätzlichen Zustimmung" (Medienmitteilung 21.11.) zum Lehrplan 21. Zweifel am Einverständnis der Lehrerschaft mit zwei Primar-Fremdsprachen (eine obligatorisch, eine freiwillig) kommen insbesondere auf, wenn man sich die Beschlüsse der Mittelstufenkonferenzen und die Initiativen in verschiedenen Kantonen in Erinnerung ruft. Ob der LCH mit diesen Buebetrickli über die Runden kommt?




Grosszügige Interpretation der Lehrermeinung, Bild: SRF 

Ergebnisse Konsultation LCH, 22.11.

Niemand weiss, wohin die Reise geht

Mit dem Lehrplan 21 begibt sich die Schweizer Schule auf eine abenteuerliche Reise, von der niemand weiss, wo sie enden wird. Die Widersprüche zeigen sich schon im Grundsätzlichen: 21 Kantone geben sich einen gemeinsamen Lehrplan und wollen gleichzeitig ihre Souveränität bewahren. Die Einigkeit ist bereits bei der Frage, mit welcher Fremdsprache begonnen werden soll, vorbei. Die Ausrichtung an "Kompetenzen" wird ein teures Heer von Spezialisten hervorbringen, die dann in ihren teuren Berichten Belanglosigkeiten feststellen werden. So werden wir dann klipp und klar erfahren, dass in bestimmten Schulen die Lernziele erreicht oder nicht erreicht wurden. Nicht mehr und nicht weniger. Dagegen wehren sich jetzt nicht nur namhafte Erziehungswissenschafter, sondern auch Lehrer haben die Initiative ergriffen. Sie verlangen, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden. Schluss mit dem Lobbying hinter verschlossenen Türen, die Schule gehört uns allen und nicht bloss den bezahlten Funktionären des Staates und der Verbände. 
Diese Woche hat der Schweizer Lehrerverband LCH seine Position am Lehrplan 21 veröffentlicht. Diese fiel deutlich und kritisch aus. Der Dachverband von 33 Lehrerorganisationen stellt sich zwar grundsätzlich hinter das Werk, welches die Bildung in der Volksschule aller 21 deutschsprachigen Kantone harmonisieren soll. Er sei jedoch überladen und schwer verständlich. Schwächere Schüler könnten überfordert werden. Der LCH fordert unter anderem klare Mindestansprüche an die Schüler, weniger Kompetenzziele sowie nur eine obligatorische Fremdsprache in der Primarschule.
Für eine Gruppe von Lehrern um den Bieler Alain Pichard hat der Dachverband zu wenig deutliche Worte gewählt. «Der Verband ist viel zu wenig kritisch», sagt Pichard. Der einst grüne und nun grünliberale Bieler Stadtparlamentarier hatte sich vor einigen Jahren als linker Kritiker der Bildungsbürokratie einen Namen gemacht. Vor rund zehn Jahren organisierte er die Opposition gegen die neue Schülerbeurteilung «Schübe» im Kanton Bern mittels aufwendigem Bewertungssystem. Rund 3000 Lehrer unterstützten «Schübe halt!» und brachten das System zu Fall.
Nun schwebt dem streitbaren Lehrer auf nationaler Ebene Ähnliches vor. Er hat ein Memorandum gegen den Lehrplan aufgesetzt und will dieses breit abstützen. «Das monumentale Regelwerk schrammt an der Praxis vorbei», kritisiert Pichard den Lehrplan. Auf 550 Seiten werden mehrere tausend Kompetenzen aufgelistet, die die Kinder während der obligatorischen Schulzeit erwerben sollten. Überfordert würden nicht nur Schüler und Lehrer, sondern auch die öffentlichen Finanzen. «Hier werden einmal mehr Weichen gestellt, ohne dass die Konsequenzen absehbar sind», sagt Pichard. Er möchte, dass «nochmals bei null begonnen wird».
Pichard hat das Netzwerk seiner Berner Gruppe reaktiviert und weiter ausgebaut. Unterstützt wird er unter anderem von Sekundarlehrer Urs Kalberer aus Landquart (GR), welcher den reformkritischen Internetblog «Schule Schweiz» betreibt. Sukkurs kommt auch vom Basler SP-Grossrat und Gymnasiallehrer Daniel Goepfert. Ihn stört die Kompetenzorientierung des Lehrplans. «Ich mache mir Sorgen um die Bildung der Schülerinnen und Schüler», sagt Goepfert. Wenn kein Fachwissen mehr vorgeschrieben werde, dann könne er auch nicht darauf aufbauen.
Ähnlich argumentiert der ehemalige Zürcher EVP-Kantonsrat und Bildungsrat Hanspeter Amstutz: «Die Kompetenzen müssen an Inhalte festgemacht werden und in einfacher und verständlicher Form den Hintergrund des Lernens bilden», sagt Amstutz. Allerdings stehe er nur teilweise hinter dem Memorandum.
Und Sekundarlehrer Andreas Aebi aus Langnau (BE) sagt: «Als Praktiker benötige ich einen kurzen, klaren, lesbaren Rahmenlehrplan, in welchem die wichtigsten gemeinsamen Unterrichtsinhalte verbindlich festgelegt sind.» Bis zum 9. Dezember will Pichard das Memorandum von 550 Lehrern unterzeichnet haben und veröffentlichen.
Beat Zemp, Präsident des LCH, nimmt die Kritik von Pichards Gruppe gelassen. Der Dachverband müsse die Rückmeldungen aller Stufen und Regionen berücksichtigen. «Das ergibt logischerweise eine weniger pointierte Stellungnahme», sagt Zemp. Mit seinen zehn Forderungen habe der LCH indes klar aufgezeigt, wo der Lehrplan verbessert werden müsse. «Mit Fundamentalkritik und einem Memorandum mehr kommen wir keinen Schritt weiter», so Zemp.
Er setzt auf Zusammenarbeit, zumal sich abzeichnet, dass die Bedenken der Lehrerinnen und Lehrer bei der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz D-EDK ernst genommen werden. Schon letzte Woche sagte der Schaffhauser Erziehungsdirektor und Präsident der D-EDK, Christian Amsler, man würde nochmals über die Bücher gehen, «sollte sich zeigen, dass der Lehrplan überladen ist». Er könne sich eine Aufteilung in A- und B-Stoffe vorstellen. Auch der Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver zeigt sich diskussionsbereit: «Es kann sein, dass der Lehrplan zu engmaschig ist.» Allerdings habe er auch viele positive Rückmeldungen von Lehrern erhalten, sagt Pulver.
Quelle: Die Basis muckt auf, NZZaS 24.11. von René Donzé

Konfliktzone Schule-Elternhaus

Jürg Brühlmann, ein Funktionär des LCH, appelliert an die gemeinsame Verantwortung von Lehrern, Kindern und Eltern für eine gute Schule. Besonders das Verhältnis von Eltern zur Schule ist komplizierter geworden. Immer häufiger holten sich Eltern die Unterstützung von Anwälten, wenn es um die Schule geht. Brühlmann sieht das Heil in gemeinsamen Schulverträgen zwischen Schülern, Lehrern und Eltern. Ja sogar die Hauswarte und die Schulleitungen machen mit. Erinnert mich an die vollmundigen Leitbilder, die vor zehn Jahren an unseren Schulen entstanden. Am Schluss lässt Brühlmann dann die Katze aus dem Sack: Eltern und Lehrer sollen sich für eine "gut ausgestattete öffentliche Schule" einsetzen. Wenn wir nach dem Debakel der Frühfremdsprachen, der "Integration" und des Lehrplans 21 etwas wissen, dann dies: Geld allein macht keine gute Schule.
Eltern sind die strategischen Partner der Volksschule. Sie können sich zwar die Schule und die Lehrperson nicht auswählen, viele sind in Schulfragen nicht einmal stimmberechtigt. Aber die meisten Eltern wollen eine gute Schule, die das Beste für ihr Kind tut. Deshalb sind sie Supporter der Schule, Interessenvertreter oder neudeutsch:stakeholder.
Die Lehrerinnen und Lehrer sind die strategischen Partner der Eltern. Sie sind vielleicht nicht erste Wahl der Eltern. Und sie können sich die Kinder in ihrer Klasse nicht aussuchen. Aber wie die Eltern wollen auch die Lehrpersonen eine gute Schule, und sie wollen das Beste für die Schulkinder tun. Deshalb sind sie Supporter der Eltern, sie sind ihre stakeholder.
Warum gibt es trotzdem immer wieder laute Klagen von Eltern und immer häufiger auch von ihren Anwälten über willkürliche Klassenzuteilungen, ungerechte Noten, einen saloppen Umgangston, rigide Strafen, über Machtausübung, Kuschelpädagogik oder falsche Methoden?
Und warum beklagen sich Lehrerinnen und Lehrer über aufsässige, abwesende, gewalttätige oder übermässig verwöhnende Eltern, die man anscheinend nur mit Bussen und Elternverträgen zur Zusammenarbeit bringen kann?
Vielleicht, weil früher alles besser war? Wohl kaum. An meinem ersten Elternabend 1979 als Lehrer im Kanton Solothurn sassen die Eltern meiner neuen Schülerinnen und Schüler eher eingeschüchtert und möglichst weit hinten an den ungewohnten Gruppentischen. Offenbar waren sie es gewohnt, brav an den frontal gestellten Pulten zu sitzen, während mein pensionierter Vorgänger, zu dem viele schon selbst in die Schule gegangen waren, die Faulheit und Dummheit der Jugend beklagte. Auch spitze Hinweise auf die Äpfel, die nicht weit vom Stamm fallen, konnte er sich dabei nicht verkneifen.
Nicht weit von dieser damaligen Schule liegt Zuchwil. Die dortige «Schulvereinbarung» hat es im Sommer bis in die Medien gebracht. Es handelt sich um einen klassischen Dreiecksvertrag: Schülerinnen und Schüler «unterstützen einander beim Lernen», «belästigen niemanden» und «erscheinen pünktlich» mit dem nötigen Material. Die Eltern sorgen für einen «ruhigen Arbeitsplatz», nehmen an den «Elternveranstaltungen» teil und «tragen die Hauptverantwortung für die berufliche Zukunft» ihres Kindes. Die Lehrpersonen sind «ein Vorbild», und sie begegnen den Schülerinnen und Schülern «mit einer positiven Grundhaltung», anerkennen «ihre Leistungen» und «üben Kritik so, dass sie die Lernenden weiterbringt». Der Hauswart «steht allen Gruppen mit Rat und Tat zur Seite», und die Schulleitung sorgt für «intensive und offene Kommunikation».
Das Dilemma ist offensichtlich: Die Schule hat es heute mit sehr unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen zu tun und mit sehr gut informierten Eltern. Um einen funktionierenden Schulbetrieb zu gewährleisten, werden heute in immer mehr Schulen die vereinbarten Lernziele und die dafür notwendigen gegenseitigen Verpflichtungen diskutiert und vereinbart. Das ist die Umsetzung der strategischen Partnerschaft. Weniger sinnvoll wäre es, den Eltern und Kindern einseitig eine Vereinbarung vorzulegen, was sie zu Hause zu tun haben. Eine obligatorische öffentliche Schule, die nicht gewählt wird, kann keine Bedingungen stellen. Sie muss die Kinder aus dem Quartier oder Dorf aufnehmen und deren Eltern als Partner akzeptieren. Das gilt auch umgekehrt: Unterricht ist zwar ausschliesslich Sache der dafür ausgebildeten Lehrpersonen. Aber man kann sie befragen, und sie müssen ihre Tätigkeit begründen. Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte haben also miteinander klarzukommen, auch wenn sie getrennte Zuständigkeiten haben.
Am Ende der Schulvereinbarung von Zuchwil steht: «Regeln und Verantwortlichkeiten allein machen noch keine gute Schule. Es liegt an jedem von uns, diese Schulvereinbarung mit Leben zu erfüllen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Dann ist unsere Schule ein Ort, an dem wir gerne arbeiten.» Gemeinsame Regeln und die gegenseitigen Erwartungen aller Beteiligten des Lerngeschäfts müssen immer wieder erarbeitet und geklärt werden.
So könnte sie funktionieren, die Partnerschaft: Eltern sind keine Kunden oder Kuchenbäcker, sondern informierte und eigenverantwortliche Partner im Erziehungsgeschäft. Kinder sind keine Objekte, sondern Menschen mit eigenen Vorstellungen. Und Schulen sind kein käufliches Dienstleistungsangebot, sondern die professionell geführten Lernwerkstätten unserer Gesellschaft. Und so könnte sie weiteren Nutzen bringen, die strategische Partnerschaft: Wenn sich beide erwachsenen Seiten nicht nur für das gemeinsam betreute Kind einsetzen, sondern auch für eine gut ausgestattete öffentliche Schule.
Quelle: NZZaS, So kann die Partnerschaft zwischen Eltern und Schule gelingen, 24.11. von Jürg Brühlmann

Baselland sucht Primarlehrer

Die Harmonisierung auf sechs Primarschuljahre und überdurchschnittlich viele Frühpensionierungen sorgen im Baselbiet für eine angespannte Situation auf dem Primarlehrermarkt. Besonders gesucht sind Lehrer für die Mittelstufe. 





Ab 2015/16 dauert die Primarschule neu sechs Jahre, Bild: Keystone

Run auf Primarlehrkräfte spitzt sich zu, Basler Zeitung, 24.11. von Boris Gygax

23. November 2013

Lasst endlich einmal die Kinder in Ruhe

Michèle Binswanger, Mamablog-Mit-Gründerin, hatte am Stadt­gespräch im Grand HotelTrois Rois diese Woche zwar nur eine Kritik an der Schule Basel: die Anzahl der Zettel, mit der Lehrpersonen Eltern fluten und gar um Mithilfe bei Schiebedaten nachsuchen.
Nun kann die Zettelflut für Familien tatsächlich ein Problem sein. Von der Weisung über den Gebrauch von Baseballkappen bis zur detaillierten Info über das Vorbereiten des RäbeliechtliUmzugs steht dort alles, was man als Eltern wissen und nicht wissen will. Und nicht selten muss alles fein säuberlich unterschrieben werden. Schliesslich könnte das Kind so dreist sein, die Buchstabenflut nicht an seine Eltern weiterzuleiten.
Nun könnte man dagegenhalten, dass man sich als Elternteil lieber mit der emotionalen und geistigen Verfassung des Nachwuchses beschäftigt als mit der Zettelflut einer bürokratieverliebten Schule. Nützen tut das nichts: Weil dies einige Eltern wollen, fühlen sich Schulen bemüssigt, alle über alles zu informieren – ausgenommen über die tatsächlichen Probleme.
Denn da liegt der Hund begraben: ­Hinter den Kulissen gärt es. Die Lehrer leiden unter den vielen Reformen: ­Harmos, integrativer Unterricht, Frühfranzösisch, Schulleitungen, die Auf­lösung von Kleinklassen und nun noch der Lehrplan 21. Sie sind müde und resigniert, denn jede Reform schwächt sie und lenkt ab vom Kerngeschäft, dem Unterrichten. Zum bürokratischen Aufwand und den ständigen Veränderungen kommen Absprachen mit den vielen Förder- und Therapiefachleuten, die die Klassenzimmer bevölkern. ­Mittlerweile fühlen sich die Lehrer wie auf einer Dauerbaustelle – ständig gilt es, irgendetwas abzureissen, instandzu- setzen oder umzubauen.
Kommt hinzu, dass sich die Bildungsideologen auf den oberen Plätzen zur Aufgabe gemacht haben, die Schüler als perfekte Menschen aus den Schulstuben zu entlassen. Damit bürden sie den Lehrern eine weitere unheilvolle Last und Verantwortung auf. Der junge Mensch soll nicht nur gebildet, sondern auch körperlich fit, umweltbewusst und mit einer hohen Sensibilität bezüglich Gender- und Gewaltfragen ins Erwachsenenleben geschickt werden. Das wäre ja alles gut und recht. Doch an solch hehren Ansprüchen muss die Lehrerschaft fast zwangsläufig scheitern.
Weitere Dauerbaustelle: die Fokussierung auf vermeintliche Schwächen der Kinder. Es kann doch nicht sein, dass rund die Hälfte aller Schüler, allen voran Buben, Förderstunden und/oder Therapien benötigen. Vielmehr muss angenommen werden, dass hier eine Einmischung in die Eigenarten vieler Kinder vorgenommen wird, die an totalitäre Normierungsansprüche grenzt. «Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt», zitierte man früher gerne Goethes Erlkönig. Heute wird zwar eine vermeintliche Abkehr von diesen brachialen Zu­­ständen vorgenommen, die jedoch in die Umstellung auf psychische Einflussnahme mündet. Wohl noch nie in ihrer Geschichte glaubte die Schule, Kinder auch im Privatbereich bis ins Detail steuern zu müssen. All das unter dem Deckmäntelchen, aus ihnen Gutmenschen machen zu wollen.
Kommt hinzu, dass die verunsicherte und von der Bildungspolitik im Stich gelassene Lehrerschaft ihren Schülern nicht mehr offen Paroli bieten kann oder will, sondern Restriktionen über sieben bürokratische Ecken ausübt. Aus den ehemaligen Autoritäten sind Nervenbündel geworden, die sich aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen, nicht mehr trauen, bei Verfehlungen der Schüler auf der Stelle, klar und vehement einzugreifen.
Doch nichts macht Kinder einsamer und ohnmächtiger, als von bürokratisierten Regeln umgeben zu sein und keine direkten Grenzen zu spüren. Erziehungsdirektor Christoph Eymann betonte am Stadtgespräch, dass den Schulen zwei Arten von Eltern immer mehr zu schaffen machen: diejenigen, die ihre Kinder vernachlässigen, und die anderen, die sich überall einmischen. Dabei übersah er jedoch geflissentlich, dass die Schulbehörden beim Ein­mischen fröhlich mitmischen. Sie benehmen sich nicht anders als über­betreuende Eltern, die ihre Kinder mit allen Mitteln zum Erfolg trimmen wollen. Die Schüler sollen schlank und rank werden, friedenstiftend argumentieren, umweltbewusst handeln und vieles mehr. Dazu lancieren in den Bildungsverwaltungen öffentlich bestallte und mit viel Geld bezahlte Theoretiker alltagsuntaugliche Projekte, mit denen therapiert, normiert und auf Teufel komm raus gefördert werden soll. So lange, bis den Kindern die Ohren wackeln und sie sich nichts sehnlicher wünschen, als in Ruhe gelassen zu werden und ihr eigenes Ding durchziehen zu können.
Genau dieser Freiraum jedoch wird ihnen nicht mehr gewährt. «Lasst ­endlich einmal die Kinder in Ruhe», fordern daher vermehrt Kinderärzte, Neurologen und Erziehungswissenschaftler. Doch sie stossen auf taube Ohren. Zu sehr sind Erziehungsdirektoren daran interessiert, als Pioniere zu gelten und auf dem politischen Parkett als dynamische Führungspersonen zu glänzen – und sei es auf Kosten der Basis und der Kinder.
Und übrigens: Mithilfe des Zettels an die Eltern schaffte es auch die Lehrerin des Kindes von Binswanger, ihr ­Verschiebedatum zu finden.

Quelle: Basler Zeitung, 22.11. Fördern bis die Ohren wackeln, von Franziska Laur

22. November 2013

Lehrer drohen mit Fremdsprachen-Initiative

Die Fronten im Fremdsprachenstreit sind verhärtet. Die Reduktion auf nur noch eine Primarfremdsprache würde das Problem aufwerfen, welche Sprache denn zuerst unterrichtet werden soll. Deshalb beharren die Kantone auf den zwei Frühfremdsprachen. In dieser Situation wird seitens des LCH mit der Lancierung einer nationalen Volksinitiative geliebäugelt.
Lehrer erhöhen Druck im Fremdsprachenstreit, Tages Anzeiger, 22.11. von Anja Burri (Link von www.kindgerechte-schule.ch)

LCH fordert Korrekturen am Lehrplan 21

Der Lehrer-Dachverband fordert eine Redimensionierung des Lehrplans 21 und weitere Harmonisierungsschritte
Grundsätzlich stösst der Lehrplan 21 beim Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) auf Zustimmung. Dieser begrüsst namentlich die Orientierung an Kompetenzen und den Aufbau in drei Zyklen. Sodann würdigen die Lehrpersonen die visuelle Aufbereitung, die digitale Verfügbarkeit und geben der Einteilung in sechs Fachbereiche gute Noten. Die Kritik setzt beim Umfang ein: Der neue Lehrplan sei überladen und müsse abgespeckt werden, heisst es in einer Mitteilung des LCH vom Donnerstag.
Der LCH regt deshalb eine Reduktion der Anzahl Kompetenzen an. Die Kinder könnten die Anforderungen in den einzelnen Fachbereichen zwar bewältigen, nicht aber das Gesamtpaket und nicht in der zur Verfügung gestellten Zeit. Es gelte - auch wegen mangelnder Infrastrukturen und fehlender Ausbildung der Lehrpersonen -, ein Pflicht- und ein Kürprogramm zu definieren. Nicht einverstanden ist der LCH zum Teil auch mit dem Inhalt. Die Rede ist etwa vom Kindergarten, wo aufgrund der hohen Anforderungen und des Fehlens des freien Spiels Leistungsdruck und Verschulung befürchtet werden.
Aus Sicht des Lehrerverbands sind die Mindestansprüche, die es zu erreichen gilt, zu wenig klar umschrieben. Zwischen den Kantonen sei insbesondere zu klären, was mit den Kindern bei Nichterreichen der Mindestansprüche passiere. Mit diesem Problem verknüpft ist die Frage nach Beurteilung und Benotung von Kompetenzen. Hierüber müssten die Kantone gemeinsame Vorstellungen erarbeiten, besonders auch hinsichtlich der sozialen und personalen Kompetenzen und in der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Hier wurden von Lehrpersonen deutliche Bedenken geäussert, etwa, dass Fragen der persönlichen Lebensführung und Lebenseinstellung niemals schulisch zu bewerten sind. Es sei auch unangebracht, heisst es in Rückmeldungen, dass Kompetenzen auf Haltungen der Lernenden zielen.
Der Lehrerverband legt seinen Finger auf weitere wunde Punkte. So werde der Verfassungsauftrag zur Harmonisierung der Volksschule nur teilweise erfüllt. Wesentliches sei nicht harmonisiert, namentlich die Stundentafel, der Fremdsprachenunterricht, die Schülerbeurteilung, Zeugnisse und die Weiterbildung der Lehrpersonen. Obligatorisch sei nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule zu unterrichten.
Die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz nimmt die Kritik zwar auf, zeigt sich aber irritiert. «Die Fachlehrpläne wurden von Lehrern und Didaktikern erarbeitet», sagt deren Präsident Christian Amsler. Es sei speziell, dass sich der Lehrerverband so deutlich zu Wort melde. Nun gelte es, das Ende der Konsultation abzuwarten. Mehrten sich die Stimmen, die eine Redimensionierung des Lehrplans wünschten, verschliesse man sich Änderungen nicht, sagt der Schaffhauser Erziehungsdirektor. Er räumt ein, dass bei den Fremdsprachen ein Problem bestehe, aber es sei ein Abbild des mehrsprachigen Landes. «Es wäre meiner Meinung nach falsch, nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule zu unterrichten», sagt Amsler und plädiert für die Fortführung des Modells 3/5. Auf Anfrage sagt der Präsident des LCH, Beat W. Zemp, dass der Verbandsvorstand aus staatspolitischen Gründen für eine Landessprache als erste Fremdsprache ist.
Zemp führt den grossen Umfang des Lehrplans 21 darauf zurück, dass niemand den Gesamtüberblick über das Projekt wahrte. So habe sich das eine zum anderen addiert. Wichtig ist ihm die Schaffung eines Fachs für die Berufsfindung, das im dritten Zyklus mindestens 60 Stunden belegen soll. Zemp ist zuversichtlich, dass die Bildungspolitik dieser Forderung, die auch der Sicht der Wirtschaft entspricht, noch entgegenkommen wird.
Quelle: NZZ, 22.11. von Michael Schoenenberger

Pensionskassensanierung sorgt für Ungleichbehandlung

Die Baselbieter Gemeinde Birsfelden muss mit Massenkündigungen von Lehrkräften rechnen. Als bisher einzige Gemeinde des Kantons unterläuft sie die kantonalen Vorgaben zur Umsetzung der Pensionskassensanierung. Dies führt zu schlechteren Bedingungen gegenüber den anderen Gemeinden. Es ist möglich, dass noch weitere Gemeinden Abstriche machen müssen. Anfang Dezember entscheidet die Gemeindeversammlung über den Birsfelder Vorsorgeplan.




Pensionskasse sorgt für rote Köpfe in Birsfelden, Bild: Moira Mangione

Lehrer steigen auf die Barrikaden, Basler Zeitung, 22.11. von Jonas Hoskyn

Falsch verstandene Chancengerechtigkeit

In einem Kommentar äussert sich Michael Schoenenberger in der NZZ zu den inhaltlich hohen Ansprüchen des Lehrplans 21. Diese sind nach Schoenenberger berechtigt. Es wäre eine falsch verstandene Chancengerechtigkeit, wenn man die Latte bewusst tief ansetzt, nur damit alle die Ziele erreichen. Die Schweizer Volksschule müsse ambitioniert bleiben.
Beim Umfang ansetzen, NZZ, 22.11. von Michael Schoenenberger

21. November 2013

Beruhigungspillen für die Lehrer

Die Einführung des Lehrplans 21 wird begleitet von vielerlei Beruhigungspillen für die Lehrer. 
Beruhigungspille Typ 1: Die Kantone blieben weiterhin souverän, an der Oberstufe würden keine Strukturen verändert, die Methodenfreiheit bliebe unangetastet usw. 
Beruhigungspille Typ 2: Die Einführung des Lehrplans sei mit dermassen grossen finanziellen Aufwendungen verbunden, dass die Sache wohl nicht so heiss gegessen werden könne. Das Geld fliesst natürlich wieder in die PH, die sich schon jetzt die Hände reiben wegen all der dringenden Fortbildungen bei der Einführung. Wie bitte? Wären die Lehrer kompetent ausgebildet, könnten sie sich diese Weiterbildungstage sparen.
Beruhigungspille Typ 3: Der Lehrplan ist sowieso nicht für die Lehrer gedacht. Er wird ins Gestell gelegt und damit hat sich's. Wieso also das Geschrei?

Ich glaube, der Lehrplan 21 verschiebt einmal mehr die Gewichte weg vom Klassenzimmer und hin zur Administration, Forschung, Ausbildung. Zu jenen Leuten also, die gut davon leben, dass sie an der Schulpraxis scheiterten.




Rudolf Künzli: Kompetenzorientierung als bildungspolitischer Slogan, Bild: Annatina Franaszek

Lehrer erhalten Beruhigungspillen zum Lehrplan 21, Aargauer Zeitung, 21.11. von Hans Fahrländer

Zemp will Französisch zuerst

Interessanterweise wirft die Frage, welche Fremdsprache an der Primarschule zuerst gelernt werden solle, viel höhere Wellen als die grundsätzliche Frage nach den Erfolgsaussichten eines tröpfchenweisen Fremdsprachenlernens im Primarschulalter.
Ebenfalls interessant ist die Position von Beat Zemp, Präsident des LCH, zur Frage, mit welcher Sprache begonnen werden solle. "Letztlich sei dies ein politischer Entscheid, und hier plädiere ich klar für eine Landessprache". 




Zwei Fremdsprachen lernen dürfen, aber nicht müssen, Bild: Keystone

"Es ist zu viel, vor allem für schwache Schüler", Basler Zeitung, 21.11.

LCH hält Lehrplan 21 für überladen

Die Rückmeldungen der Sektionen des LCH ergeben ein klares Bild: Zwei Primarfremdsprachen überfordern die Kinder. Nun fordert der LCH weiterhin zwei Fremdsprachen in der Primarschule, wobei nur noch eine obligatorisch sein soll. Ob dies dem Willen der Basis entspricht, lässt sich aus meiner Warte nicht überprüfen - allerdings sind starke Zweifel angebracht. Der Vorschlag eine Sprache obligatorisch, die andere freiwillig provoziert grosse Schwierigkeiten auf der Sekundarstufe. Zuerst denken, dann reden - so hiess früher ein schweizweites Motto. Hier wurde es aus Imagegründen ignoriert. Man will offenbar retten, was noch zu retten ist.




Ahnt dieser Schüler die bevorstehenden Auseinandersetzungen? Bild: Sophie Stieger

"Der Lehrplan 21 muss abspecken", Basler Zeitung, 21.11. 

"Dann müssen wir über die Bücher"

"Falls es so sein sollte, dass der Lehrplan 21 überladen sei, dann müssen wir über die Bücher", sagt Christian Amsler, D-EDK Präsident und Hauptverantwortlicher für den neuen Lehrplan. Probleme sieht der LCH vor allem bei der zweiten Fremdsprache in der Primarschule. Beat Zemp, Zentralpräsident LCH meint denn auch: "Der Lehrplan in dieser Form muss abgespeckt werden". 
Überladener Lehrplan 21, 10 vor 10, 20.11.

20. November 2013

Zürich grenzt Wahl der Lehrmittel ein

Nach dem Debakel der hauseigenen Zürcher Englischlehrmittel (Explorers, Voices) lockerte man das Lehrmittelobligatorium und liess eine Auswahl zu. An der Primarschule kann auch "Young World" verwendet werden. An der Oberstufe sind es "New Inspiration" und "English Plus". Nun wird diese Wahlmöglichkeit untergraben, indem die Kompetenz zur Wahl nicht bei jeder Lehrkraft liegt, sondern bei der Schulgemeinde. Für die Lehrer bedeutet dies, dass sie nach wie vor ein Lehrmittel benützen müssen, welches ihnen von der Verwaltung vorgeschrieben wird. Mit dieser vorgetäuschten Liberalisierung verspielt das Zürcher Volksschulamt den vorerst gewonnen Goodwill gleich wieder.



Nur scheinbar "freie Wahl der Englischlehrmittel", Bild: Keystone

Zürcher Schulen satteln beim Englischlehrmittel um, SRF Regional, 20.11.

Wieder Schulbücher in allen romanischen Idiomen

Die Bündner Regierung lässt wieder Lehrmittel in den romanischen Idiomen drucken. Ursprünglich sollte nur die einheitliche Schriftsprache Rumantsch Grischun unterrichtet werden. Das aber hatte in den Regionen zu heftigem Widerstand geführt.



Erstmals ein Konzept für die romanischen Lehrmittel, Bild SRF

Regionen bekommen wieder ihre eigenen romanischen Schulbücher, SRF Regional, 20.11.

Basisstufe als Rettung für kleine Schulen?

Mit der Integration des Kindergartens in die Primarschule soll der Erhalt von Gemeindeschulen in Randregionen des Kantons Uri gesichert werden. Der Landrat stimmte dem Antrag der Regierung mit nur einer Gegenstimme und bei zwei Enthaltungen zu. Damit wird es Urner Schulen künftig möglich, den Kindergarten sowie die beiden ersten Primarklassen gemeinsam als eine einzige Stufe – in einer Grund- oder Basisstufe – zu unterrichten. Aber nur, wenn es für den Erhalt eines dezentralen Schulangebots notwendig ist. Die Änderung tritt am 1. August 2014 in Kraft. Sie untersteht dem fakultativen Referendum. Chancenlos blieb ein Antrag von Kathrin Möhl (SP/Altdorf). Sie wollte es generell jeder Gemeinde freistellen, den Kindergarten und die beiden ersten Primarklassen künftig als eine einzige Stufe zu führen. Mit 44 zu 16 Stimmen wurde dieser Antrag abgelehnt. Bildungsdirektor Beat Jörg hatte unter anderem ins Feld geführt, dass eine flächendeckende Einführung Mehrkosten auslösen würde.
Quelle: sda

"Klassen ghüdere" in Bern

Vor dem Berner Rathaus versammelten sich ca. 100 Lehrkräfte, um gegen den Sparplan zu protestieren. Die Klassen sollen neu im Durchschnitt 19,7 statt wie bisher 19,2 Schüler haben.




120 von 4200 Klassen müssten geschlossen werden, Bild: Tanja Kammermann

"Klassen ghüdere": Auch Lehrer protestieren vor dem Rathaus, Berner Zeitung, 20.11.

Kommission gegen Mundart-Initiative

Die Aargauer Bildungskommission lehnt die Volksinitiative "Ja für Mundart im Kindergarten" einstimmig ab. Die Regierung ist den Initianten insofern entgegengekommen, als der Mundart-Anteil im Kindergarten erhöht wurde.
Enttäuschung bei Initiant:"Mundart im Kindergarten wäre wichtig für Integration", Aargauer Zeitung, 20.10. von Sarah Künzli

Buchtipp "Bildungsstandards"

Von Walter Herzog, Initiant des Memorandums gegen Reformhektik, ist in diesen Tagen das Buch "Bildungsstandards" auf dem Markt erschienen. Wenig überraschend kritisiert Herzog dabei die Orientierung an einer von "Bildungsstandards" dominierten Output-Steuerung unserer Schulen. Er zeigt die problematische Vieldeutigkeit und Unschärfe der Begriffe "Kompetenzen" und "Standards" und weist auf deren historische Wurzeln hin. Herzog ist es zu verdanken, die Auswirkungen von Bildungsstandards auf den Lehrerberuf zu verdeutlichen. Die Lehrer werden zu Ausführungsgehilfen einer überbordenden Bildungsadministration. Ihre Autonomie wird eingeschränkt. Ausserdem sei es eine Illusion zu glauben, durch die Erhebung von Testdaten und deren Rückmeldung an die Schulen sei auch eine Qualitätssteigerung verbunden. 
Das Buch eignet sich bestens um sich auf die kommende Auseinandersetzung mit dem Lehrplan 21 zu wappnen und sei darum dem bildungspolitisch interessierten Leser wärmstens empfohlen.








Herzog: "... aus pädagogischen Gründen sind wir verpflichtet, auf die Grenzen einer technokratischen Schulreform hinzuweisen".

Forneck im Kreuzverhör

Es rumort bei den Pädagogen der Fachhochschule Nordwestschweiz; in den letzten Wochen prasselte die Kritik von allen Seiten auf die Schulleitung nieder. Jetzt traf sich die Interparlamentarische Kommission der Fachhochschule (IPK FHNW) mit Hermann Forneck, dem Direktor der pädagogischen Hochschule, um mit ihmanstehende Probleme zu diskutieren.
Ein Communiqué aus der Landeskanzlei in Liestal sollte gestern über dieses Treffen informieren – der Inhalt aber war sehr dünn. Derzeit präsidiert der Baselbieter SP-Landrat Marc Joset die IPK FHNW. Auch er wollte nicht gross zu den Inhalten der Gespräche Stellung nehmen. «Die Kommission brachte Anliegen zur Führung und strategischen Ausrichtung der Pädagogischen Hochschule zur Sprache. Auch liess sie sich aufzeigen, wie die PH FHNW eine praxisbezogene und theoretisch fundierte Ausbildung gewährleisten will. Die IPK FHNW erwartet vom Fachhochschulrat und der Fachhochschuldirektion, dass sie die Kommission darüber informieren, wie sie auf die Kritik der Mitarbeitenden der PH FHNW reagieren.» Das schrieb die Landeskanzlei, viel mehr wollte auch Joset nicht sagen.
Immerhin: Die IPK FHNW habe Forneck einen schriftlichen Fragenkatalog gestellt, sagt Joset. Dabei sei vor allem der Praxisbezug der Schule kritisch hinterfragt worden. Forneck habe die Fragen schriftlich beantwortet und sei an dem Treffen bei den mündlichen Fragen Rede und Antwort gestanden. Zur Sprache seien auch aktuelle Vorwürfe an die Hochschulleitung gekommen.
Jeder Zweite wolle die Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz verlassen, zwei Drittel der Dozenten beklagten sich über Überlastung. Drei Viertel lehnen die Organisationsstruktur ab, zwei Drittel der Dozierenden erleben die Kommunikation nicht als offen. Zudem werde die Lehre zugunsten der Forschung vernachlässigt. Dies die ernüchternden Ergebnisse einer externen Umfrage an der Pädagogischen Hochschule. Forneck habe auch dazu Stellung genommen, sagt Joset. Was er gesagt hat, ist nicht zu erfahren. Joset sagt bloss, es sei Aufgabe der Regierungen und der Fachhochschulleitung, eventuelle Massnahmen zu ergreifen.
Regierungsrat Urs Wüthrich, Mitglied des Regierungsausschusses der vier Fachhochschulkantone, war auch an dem Treffen. Er spricht von einem konstruktiven Gespräch und einem fairen Umgang beider Seiten. Über den Inhalt darf er schon gar nicht reden. Dafür unterstreicht er die Stärken der Hochschule: Steigerung der Studentenzahlen von 1000 auf 2500; massiv gesunkene Kosten; Spitzenposition in der Anerkennung der Studiengänge durch die Erziehungsdirektorenkonferenz.
Quelle: Hochschuldirektor Forneck im Kreuzverhör, Basler Zeitung, 20.11. von Peter de Marchi

"Inhaltslose Geschwätzkultur"

Zu den heftigsten Kritikern des Lehrplans 21 gehört der Volkswirtschafter Mathias Binswanger. Seiner Meinung nach fördert die Verschiebung von Wissen hin zu Kompetenzen eine "inhaltslose Geschwätzkultur". 
Intensiv beteiligten sich rund 100 Gäste an der Diskussion, die kürzlich an der Uni Basel stattfand. Der Verein «Denknetz», der Entwicklungen in der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik aufgreift, hatte zu einer Abendveranstaltung geladen. Es ging um den Lehrplan 21, das umstrittene Projekt, das die Lernziele für die 21 Deutschschweizer Kantone vorgeben soll.
Scharfer Kritiker des Lehrplans 21 ist Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Doch auch Rudolf Künzli, Lehrplanforscher und ehemaliger Leiter der Pädagogischen FHNW, stellt ihn infrage, jedoch auf etwas gemässigtere Weise als Binswanger. Einheitlicher Tenor: Der Lehrplan überfordert die Schüler, ist für Lehrkräfte kaum umsetzbar und entfernt sich zu weit von der Kernaufgabe der Schule: dem Vermitteln von Fachwissen.
Mathias Binswanger argumentierte klipp und klar: «Das Wissen wird mit dem Lehrplan 21 in den Hintergrund gedrängt.» Gefördert würde stattdessen eine inhaltslose Geschwätzkultur. Im Lehrplan sei viel die Rede von Selbstreflexion, Eigenständigkeit sowie Beziehungs- und Konfliktfähigkeit. Doch dies seien nichtssagende Worthülsen. Ausserdem: «Wie will man Kompetenz messen?» Da würde eine Form von Scheinpräzision vorgegaukelt, die nie und nimmer Realität sei.
Seiner Meinung nach will der Lehrplan 21 die Schulen zurechtstutzen auf politisch korrektes, normiertes Mittelmass. Doch so nehme man den Lehrkräften immer mehr Freiraum und die Lust am Unterrichten. «Wenn die Freude verdrängt wird, wird auch die Qualität verdrängt», ist Binswanger überzeugt.
Als Binswanger jedoch den Schluss zog, dass reine Kompetenzorientierung zu pseudokommunikativem Schwätzertum führe und den Schülern dafür grundlegende Fähigkeiten beispielsweise in Mathematik fehlen würden, sah sich Rudolf Künzli bemüssigt, Gegensteuer zu geben: «Der Lehrplan 21 ist eine Überforderung für die Schüler, das ist richtig. Doch er ist kein Schrott. Da müssen wir genau sein.» Allerdings sei die Überforderung der Schülerschaft und die Fülle des Lehrplans tatsächlich ein Problem.
Auch er stellte jedoch fest: «Kompetenz ist so was wie eine pädagogische Bewegung geworden.» Er ging auf die Geschichte der Bildung ein und stellte zum Schluss seines Referats fest: «Die Politik scheut die Setzung von gemeinsamen Rahmenbedingungen: Nicht einmal mit der Schulharmonisierung hätten so relevante Anliegen wie die gemeinsame Einführung von Fremdsprachen, Schulzeiten und Fächerstrukturen durchgesetzt werden können.
Zum Schluss schaltete sich auch die Zuhörerschaft in die Diskussion ein, unter ihnen viele Lehrkräfte: «Binswanger macht es sich zu einfach. Er war wohl schon lange nicht mehr in einer Schulstube», sagte einer von ihnen. Gerade mit dem Kompetenzbegriff habe man nun die Chance, von der Wortfülle wegzukommen. Doch der Lehrplan 21 erntete auch von dieser Seite nicht viele gute Worte.
«Man hat den Eindruck, dass man mit dem Lehrplan die Gesellschaft über unsere Jugend umerziehen will», sagte ein Votant, der sich als Pfarrer outete.Und er fügte hinzu: «Das Werk kommt daher wie eine Bibel.» Bedenken äusserte auch eine Primarlehrerin: «Es scheint, dass die Schüler mit dem neuen Lehrplan nicht mehr rechnen und lesen müssen, dafür aber operieren und benennen, erforschen und argumentieren.» Wissen könne man aber so kaum erlangen, da gehöre nun einfach einmal Pauken dazu.
Angesprochen wurde ein weiteres Problem: «Gerade die zahlreichen auffälligen Kinder dürften mit dem neuen Lehrplan überfordert sein», sagte eine Lehrerin. Diese seien auf klare Anweisungen angewiesen. Doch der Lehrplan 21 setze ganz klar auf das eigenständige, selbstbestimmte Lernen.
Quelle: Lehrplan 21 fördert "inhaltslose Geschätzkultur", Basler Zeitung, 20.11. von Franziska Laur