31. August 2011

Ältere Lerner lernen besser als jüngere

Es gibt in der Zwischenzeit viele Studien, die den Sinn von frühem schulischem Fremdsprachenlernen in Frage stellen. Das jüngste Beispiel stammt aus Israel. Ein Grundpfeiler des schweizerischen Sprachenkonzepts mit Frühfremdsprachen basiert auf der Annahme, dass aufgrund hirnphysiologischer Vorgänge junge Lernende entscheidende Vorteile gegenüber älteren Lernenden hätten. 
Die Studie vergleicht Achtjährige, Zwölfjährige und junge Erwachsene. Nach der gleichen Anzahl von Übungseinheiten (künstliche morphologische Regeln mit Verben) waren die jungen Erwachsenen beiden jüngeren Gruppen in allen gemessenen Parametern überlegen. Dies war auch der Fall bei Aufgaben, die klar auf das implizite Lernen abzielten. Dies überrascht, da den Erwachsenen die Fähigkeit für implizites Lernen oft abgesprochen worden ist. Laut den Verfassern könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass junge Lerner einen Vorteil im Sprachenlernen hätten.
Diese Studie ging nicht darauf ein, dass junge Kinder zur Ausschöpfung ihres impliziten Lernpotentials viel Zeit benötigen. Viel mehr Zeit als in unserer Volksschule fürs Lernen von Fremdsprachen zur Verfügung steht.  
Die Studie wurde verfasst von Sara Ferman (Tel Aviv University) und von Avi Karni (University of Haifa).

Europäischer Sprachentag

Der 26. September ist der europäische Sprachentag. Im untenstehenden Link stehen Ideen für den Unterricht an diesem Tag. Die Unterrichtsaktivitäten reichen von der Primarschule bis zur Sekundarstufe II. Es können ebenfalls Poster und Sticker gratis bestellt werden.














Europäischer Sprachentag 2011  Bild: Europarat

30. August 2011

Neue Stundentafel Gymnasium Baselland in Vernehmlassung

Mit der Umstellung in der Dauer des Gymnasiums von 3.5 auf 4 Jahre ist in Baselland auch eine Revision der Stundentafel notwendig geworden. Die Verlängerung der Ausbildungszeit geht einher mit einer leichten Kürzung der Lektionenzahl in den obligatorischen Fächern. Sie soll neu 32 betragen. Die neue Stundentafel soll 2014/2015 eingeführt werden. Die Vernehmlassung läuft bis zum 18. November.
Erläuterungen zum Entwurf der Stundentafel

Streit um Sexualpädagogik geht weiter

SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer sammelt Unterschriften für eine "Petition gegen die Sexualisierung der Volksschule". In diesem Zusammenhang sollen Broschüren in der Zentralschweiz verteilt werden. Damit soll Druck auf die kantonalen Erziehungsdirektoren ausgeübt werden. Derweil wiegelt die Spitze der EDK ab. Regine Aeppli, die Präsidentin der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz, meint in einem Interview mit der NZZ, das Vermitteln von Sexualpraktiken gehöre nicht zum Lehrplan. Ausserdem werde es im Kindergarten keine Sexualkunde geben. 
Hart gegen die Petition schiesst nun der LCH: Die Forderungen bewirkten das Gegenteil von Kinderschutz. Aufgrund der aufgeheizten Stimmung bleibt das Grundlagenpapier aus der PH Zentralschweiz weiterhin unter Verschluss. Dies wirkt etwas unbeholfen, denn das Zurückhalten dieses Dokumentes wird den Petitionären um Ulrich Schlüer weiterhin kräftig Wind in ihre Segel blasen. Was hat das Kompetenzzentrum Sexualpädagogik und Schule an der PHZ zu verstecken?
Unaufgeklärte Kinder sind ausgeliefert, LCH-Stellungnahme zur Sexualpädagogik 

29. August 2011

Bernhard Bueb: Individualisiertes Lernen ersetzt Prüfungsvorbereitung

Bernhard Bueb urteilt hart über die Prüfungsvorbereitungskurse, die neu in Zürich erteilt werden. Dies seien Massnahmen, die erfunden wurden, um das System zu retten, das in der Anpassung an die Inhalte der Prüfungen das einzige Heil sehe. Bueb spricht sich im weiteren für Ganztagesschulen aus, weil diese der Vielfalt der Begabungen gerechter werden könnten. 
Kinder wollen das Glück der Anstrengung erfahren, NZZ, 29.8. Interview von Beat Grossrieder mit Bernhard Bueb .

Bernhard Bueb, Bild: dpa

63% der Eltern bezahlen für Nachhilfeunterricht

In der Schweiz herrscht Panik: Die Eltern wollen ihre Kinder unbedingt ans Gymnasium bringen. Dafür sind sie bereit, tief in die Tasche zu greifen. Bei zwei Wochenlektionen Nachhilfe führt dies rasch zu Ausgaben von 500 Franken pro Monat. 
Der Kanton Glarus ist nicht bereit bei diesem Wettlauf mitzumachen. Er hat die tiefste Maturaquote der Schweiz mit 12,3 %. Dafür führen die Glarner die Tabelle bei der Eignungsprüfung für das Medizinstudium an - Numerus Glarus! Lohnt es sich also, eine möglichst hohe Maturaquote anzustreben? In Deutschland liegt diese bei 40%, in Frankreich bei 51% und in Italien sind es sogar 76%.
In der Schweiz sind die Unterschiede in der Maturaquote zwischen den Kantonen frappant. Aber auch innerhalb der Kantone oder gar der Gemeinden gibt es je nach Quartier markante Unterschiede.
Das grosse Geschäft mit den Nachhilfestunden, NZZ, 29.8. von Beat Grossrieder

27. August 2011

Frühfranzösisch: Hemmungen abbauen

Ein Besuch in einer 3. Primarklasse in Bern. Die Schüler machen begeistert mit und haben den Plausch. Kein Wunder, seit zwei Wochen haben sie Frühfranzösisch. Das neue Lehrmittel "Mille feuilles" gerät dabei in den Fokus des Interesses. Gelingt es damit, die Schüler zu mehr Sprachkompetenz zu bringen? Der Kanton Bern lässt sich nicht lumpen: Weiterbildung der Lehrkräfte und das Einweg-Lehrmittel sind sehr teuer (26 Millionen zu Beginn und regelmässig wiederkehrende Kosten von 7 Millionen). Einschätzung des Lehrers: "Vielleicht können die Kinder damit nicht besser Französisch, aber sie verlieren die Hemmungen zu sprechen." Angesichts der Milliarde, die Bern vom Finanzausgleich garniert, haben andere ihre Hemmungen bereits verloren.




Wie Kinder im Französisch baden, ohne ins Schwimmen zu kommen von Andrea Sommer, Berner Zeitung, 27.8.



Berufswahl kein eigenes Schulfach

Die Arbeiten zum Lehrplan 21 laufen planmässig. Im Oktober sollen die inhaltlichen Strukturen der Fachbereiche von der EDK verabschiedet werden. Dabei wird der Forderung der Wirtschaft nach einem eigenen Fach "Berufswahl" nicht entsprochen werden. In einem Interview mit der NZZ informierte Regine Aeppli als Präsidentin der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren über weitere Merkmale des neuen Lehrplans. Hier kurz ein paar Eckpunkte:

  • Beurteilung von Kompetenzen statt wie bisher Lernziele. Diese sagten klarer, was Schulkinder am Ende eines Zyklus können müssten.
  • Fachberereich Naturwissenschaften statt die Unterteilung in Einzelfächer wie Physik, Chemie, Biologie
  • Überfachliche Themen: berufliche Orientierung, ICT, Gender und Demokratie. Überfachliche Themen sollen in verschiedenen Schulfächern behandelt werden. Für diese überfachlichen Themen wird es keine Standards geben.
  • Sexualerziehung: "Schule hat nicht zum Sex anzuleiten".

25. August 2011

Zürich will Naturwissenschaften und Lehrpersonal fördern

Der Kanton Zürich möchte dem Fachkräftemangel im Bereich der Naturwissenschaften entgegentreten und die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen. Dies soll mit einer Verbesserung und Förderung des Unterrichts in Naturwissenschaften auf allen allgemeinbildenden Schulstufen erfolgen. Ebenfalls erhöht werden soll die Zahl der Absolventen beim Lehrpersonal der Volksschule. Dies kann den Legislaturzielen 2011-2015 der Zürcher Regierung vom 25.8. entnommen werden. Konkrete Massnahmen sind in diesem Bericht allerdings nicht zu finden.

Weiterhin Gendertag in Baselland

Die externe Evaluation des Baselbieter Gendertags kommt zu erfreulichen Ergebnissen. So sei es gelungen, die Schüler aktiv mit den Themen Berufswahl, Geschlechterrollen und Lebensplanungsprozessen auseinander zu setzen. Deshalb wird dieser Tag auch weiterhin durchgeführt werden.
Zwischen den Zeilen liest man allerdings heraus, dass es schade sei, dass die Genderproblematik bei Ausbildungen nicht systematisch behandelt werde. Deshalb seien die Voraussetzungen "für einen geschlechtersensiblen Unterricht nicht überall gegeben". Weiter heisst es, die Schweiz stehe international "schlecht" da, weil bei uns die Berufslandschaft stark geschlechtsspezifisch aufgeteilt sei. Da kommen mir bald die Tränen. Wir haben eine sehr tiefe Jugendarbeitslosigkeit, den Mädchen stehen alle Türen offen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Schule die Mädchen stark bevorteilt. Seit Jahren versucht die Organisation des ehemaligen Tochtertags trotzdem die Mädchen zu Männerberufen hinzuführen. Offensichtlich wollen dies aber die Mädchen partout nicht! Da hilft offensichtlich nur eines: (Noch) mehr Genderunterricht an den PH, noch mehr Gendertage an der Schule. Dabei haben wir mit Blick auf die Lese- und Schreibkompetenzen der Jugendlichen durchaus wichtige Dinge an unseren Schulen anzupacken. Wenn eine Gruppe explizit gestützt werden muss, dann sind dies die Jungen. Offenbar fehlt dazu aber eine glaubwürdige Lobby.
Gute Noten für den Baselbieter Gendertag, 25.8.

Steigende Ritalin-Abgabe

Die Abgabe von ADHS-Medikamenten wie Ritalin steigt in der Schweiz stetig an. Dies zeigt eine Auswertung der Krankenkasse Helsana für die Jahre 2006 bis 2009. Demnach bezogen 2009 insgesamt 5100 Versicherte Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat, wie aus der am Mittwoch in der "Schweizerischen Ärztezeitung" publizierten Untersuchung hervorgeht. Das entspricht einem Versichertenanteil von 0,37 Prozent - 42 Prozent mehr als 2006.
Auf die Schweiz hochgerechnet nahmen 2009 rund 29'000 Personen Methylphenidat. Die meisten waren Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren. die Zunahme sei mit 33 bzw. 39 Prozent bei den Buben und Mädchen zwar deutlich, verlaufe aber noch auf moderatem Niveau. Die Verschreibungspraxis ist allerdings nicht einheitlich. Im Tessin ist die Zahl der Ritalin-Bezüger - bei ähnlichem Wachstum - fünfmal tiefer als in der übrigen Schweiz. Dass es dort weniger ADHS gebe oder eine Untervorsorgung herrsche, sei kaum plausibel. Die Forscher vermuten einen anderen Umgang mit ADHS. Auffällig ist die starke Zunahme bei Erwachsenen. Hier dürfte laut den Autoren die Grenze zwischen Therapie und Missbrauch als Aufputschmittel fliessend sein. Quelle: sda

Foto: www.seite3.ch

24. August 2011

Private Schulen wachsen

Momentan besuchen 4.25% der Volksschüler eine private Schule. Ein Hauptgrund für den Besuch einer Privatschule sind negative Erfahrungen mit der öffentlichen Schule. Laut Gerhard Pfister, dem Präsidenten des Verbands Schweizerischer Privatschulen, habe man die Privatschulen seitens der staatlichen Bildungsverantwortlichen zu lange belächelt. Das Bild der qualitativ schwachen Schulen für vermögende Minderleister stimme schon lange nicht mehr. Die Kritik an der öffentlichen Schule müsse ernst genommen werden. 
Private Schulen sind im Trend und wachsen, Karen Schärer in: Aargauer Zeitung 13.8.

Berufswahlvorbereitung bereits in der Primarschule?

Für den Schulverlag plus beginnt der Berufswahlunterricht zu spät. 
Er bringt deshalb ein Lehrmittel für den Berufswahlunterricht während der 4. bis 6. Primarklasse heraus. Die Berufswahl werde immer wichtiger, die Schüler könnten gar nicht früh genug damit beginnen. Ein Autor des dreiteiligen Lehrwerks meint: "Wir sollten nicht mehr Feuerwehr spielen am Ende der obligatorischen Schulzeit, sondern unten anfangen".
Ich bestreite den Sinn solcher Übungen und bin sehr gespannt darauf, ob sich dieses weitere Beispiel von Frühförderung auch durchsetzen wird. Der Schulverlag plus gehört übrigens den beiden Kantonen Bern und Aargau.
Bereits Primarschüler sollen sich mit der Berufswahlvorbereitung befassen.
Berufswahlkunde neu schon an der Primarschule? Bild: Colourbox.
Schulverlag lanciert Lehrmittel bereits für Primarschüler, Berner Zeitung, 24.8.


23. August 2011

Jugendbefragung: Lehrstellen einfach zu haben

Entgegen dem Bild, das oft in den Medien verbreitet wird, gelangen viele Jugendliche relativ einfach zu einer Lehrstelle. Ein Drittel der Befragten (Hauptstichprobe 47'000 junge Schweizer Männer) musste keine oder nur eine Bewerbung schreiben. Lediglich etwa 10% der Schweizer mussten mehr als 40 Bewerbungen schreiben.
Rückblickend gaben viele Befragte an, es fehlte ihnen am Ende der Schulzeit an realistischen Vorstellungen über die ihnen zugänglichen Ausbildungswege. Besonders gefehlt habe auch eine realistische Einschätzung der eigenen Neigungen und Interessen.
Die hier verbreiteten Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten. Es sind ja vor allem Jugendliche mit ausländischer Herkunft, welche am meisten Schwierigkeiten haben, eine Lehrstelle zu finden. 
Eidgenössische Jugendbefragungen, Freigegeben am 22.8.

22. August 2011

Wann beginnt die Schule?

Die Schule im Kanton Zürich beginnt laut Volksschulgesetz mit dem Eintritt in den Kindergarten oder in die Grundstufe. Aus behördlicher Sicht bedeutet der erste Schultag an der Primarschule lediglich einen Stufenwechsel. Die Kindergärten sind also definitiv Teil der Schule geworden.
Mehr zum komplexen Thema, wann denn nun der Ernst des Lebens beginnt in einem Bericht aus der NZZ, 22.8.

19. August 2011

Reizthema externe Schulevaluationen

In den meisten Kantonen beschäftigen sich von den Bildungsämtern bezahlte ex-Lehrer mit dem Messen der Schulqualität. Diese Leute ersetzten die in vielen Kantonen abgeschafften Inspektoren.  Eine solche Evaluation kostet zwischen 20'000 und 60'000 Franken. Der Mitarbeiterstab pro Fachstelle beträgt sechs bis zehn. 
Wie lässt sich dieser Aufwand rechtfertigen? Beat Zemp, Zentralpräsident LCH, meint: "Für den überwiegenden Teil der guten Schulen bringt die externe Schulevaluation nichts, beziehungsweise zu wenig". Auch Peter Steiner, Experte für Schulevaluation an der PHNW findet, es gebe noch Optimierungsmöglichkeiten.
Bericht swissinfo.ch von Jean-Michel Berthoud, 18.8.

PHZH plant erleichterte Ausbildung Sekundarstufe für Primarlehrpersonen

Der Lehrermangel bleibt auf der Traktandenliste der Bildungsadministration. Dies wegen der personalintensiven Reformen und dem ungebremsten Drang nach Teilpensen. Dazu kommt in einzelnen Kantonen noch ein prognostiziertes Wachstum der Schülerzahlen. Am deutlichsten zeigt sich der Mangel an der Sekundarstufe I. In dieser Situation lassen sich die PH einiges einfallen, um den Output an ausgebildeten Lehrkräften zu steigern.
  • Quereinsteiger-Ausbildung mit verkürzten Ausbildungsgängen für Leute mit Studienabschluss und Berufserfahrung.
  • Erleichterte Unterrichtsberechtigung für weitere Fächer an der Sekundarstufe I (PHZH)
  • Erleichterte Ausbildung für Primarlehrer zum Sekundarlehrer (PHZH geplant)
Es stellen sich dabei Fragen zur Qualität dieser neuen Ausbildungsgänge. Eine heikle Frage, denn ist die Qualität im Vergleich zur Standardausbildung gut, dann fragt man sich, weshalb man noch die Mühen eines Vollzeit-Studiums für Sekundarlehrkräfte auf sich nehmen soll. Es zeichnet sich ab, dass diese Normalvariante in Zukunft unter Druck gerät und ebenfalls verkürzt werden muss.
Nachdem bereits der Zugang zum Primarlehrerstudium entscheidend vereinfacht worden ist (Diplommittelschule plus Brückenangebot reicht aus), stellt sich die Qualitätsfrage umso dringender. Offensichtlich fährt man die Strategie: Mehr Lehrkräfte anlocken durch Vereinfachung und Verkürzung des Studiums. Die Alternative dazu scheint unter den noch immer weitgehend von Konkurrenz abgeschirmten PH nicht so beliebt zu sein: Strenge Selektion bei Antritt und während des Studiums verbunden mit einer hohen Ausbildungsqualität. Die Absolventen würden dann die gleichen Privilegien geniessen wie Spitzenleute anderer Studienrichtungen, d.h. stark verbesserte Arbeitsbedingungen und damit verbunden markant steigendes Berufs-Prestige. Die Botschaft müsste lauten: Lehrberufe sind nur etwas für die Besten! Diese Strategie wäre letzlich billiger und erfolgreicher als die seit Jahren hilflosen Werbe-Aktionen der EDK. Ein Beispiel dazu aus dem Kanton Bern.

17. August 2011

Frühfranzösisch wird ein teurer Flop!

Der Bieler Lehrer Alain Pichard ist bekannt dafür, dass er auch unbequeme Dinge ausspricht. Frühfranzösisch, das diese Woche in den Kantonen Basel-Stadt, Solothurn und Bern startete, wird zu einem grossen Flop werden. Pichard kennt all die vielen euphorischen Zeitungsartikel, die über die Segnungen der "Frühförderung" sprechen. Er aber bleibt auf dem Teppich: In der schulischen Realität sehen die Dinge halt anders aus, als es die Bildungsbürokraten vom Schreibtisch her kennen. Kopfschüttelnd nimmt er auch Kenntnis von der absurden Harmos-Geschichte, die gerade im Sprachenbereich eine noch nie dagewesene Vielfalt von kantonalen Sonderlösungen kennt.
Alain Pichards Text wurde heute im "Bund" veröffentlicht, lesen auf eigene Gefahr: Risiken und Nebenwirkungen können ihr vertrautes Weltbild erschüttern!
Die Wette gilt: Frühfranzösisch wird ein teurer Flop, von Alain Pichard in "Der Bund", 17.8.



Alain Pichard. Bild: Tagesschau SF

Unzufriedene Schaffhauser Lehrkräfte

350 Schaffhauser Lehrkräfte haben die umstrittenen Sofortmassnahmen des Regierungsrates zur Attraktivierung des Lehrerberufes einstimmig abgelehnt. Diese beinhalteten kürzere Kündigungsfristen, unbefristete Anstellungsverträge oder beschleunigte Ausbildungsgänge. Die enttäuschten Lehrer fordern eine Pensenreduktion, kleinere Klassen, Entlastung der Klassenlehrkräfte und marktgerechte Löhne. 
Dieser Forderungskatalog wurde dem Erziehungschef übergeben, der sie bis Ende Jahr umsetzen soll. 
DRS Regionaljournal, 17.8.

15. August 2011

Gedanken zur frühen sprachlichen Förderung

Unter grosser Beachtung der Medien haben die Drittklässler in den Kantonen Bern, Basel-Stadt und Solothurn ihre Frühfranzösisch-Ausbildung begonnen. Toni Koller lässt sich dazu zu einer kurzen Glosse inspirieren.
DRS Regionaljournal Bern, 15.8. von Toni Koller

Zürcher Parlament will Englisch-Lehrmittel absetzen

Die Englisch-Lehrmittel im Kanton Zürich sollen ersetzt werden. Ein entsprechendes Postulat wurde vom Parlament als dringlich erklärt. Das Lehrmittel sei zu kompliziert, überfordere die meisten, vor allem die schulisch Schwachen. Es fehle auch an geeignetem Übungsmaterial, zudem sei der Aufwand für die Lehrpersonen viel zu hoch.
Für Walter Bircher, Rektor der PHZH, sind die Lehrmittel "der Zeit voraus". Der Schiffbruch dieses Prestigeprojekts muss ihn schmerzen. Nach der andauerenden Diskussion um die Qualität der Lehrerausbildung und der Ohrfeige des Volkes in der Mundartinitiative, erlebt seine Schule nun eine weitere Schlappe. Typisch für ihn ist, dass er dabei den schwarzen Peter gleich an die Lehrerschaft weitergibt, die jeden Entwicklungsschritt mitbewilligt habe.
Die Entwicklung der Lehrmittel kostete übrigens zehn Millionen Franken. Das ist der Preis, den Zürich für die systematische Geringschätzung der Meinung von Schulpraktikern zu zahlen hat. 
Totalschaden für die Englisch-Bücher, Tages Anzeiger, 15.8. von Daniel Schneebeli

Basel-Land: Worthülsen eines Bildungsdirektors

Der kürzlich wiedergewählte Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) kann einem Leid tun. Er muss Sparbeschlüsse umsetzen, die ihm widerstreben. Ich habe ein paar Aussagen aus einem Interview mit der Basler Zeitung herausgegriffen:
  • "Ich habe auch gegenüber der Regierung klargestellt, dass ich mit der Erhöhung der Pflichtstunden für Fachlehrer nicht einverstanden bin." Wenig später sagt er:" ... umgekehrt wäre es für mich inakzeptabel, wenn andere Direktionen bestimmen würden, wo in der Bildung Abstriche gemacht werden." 
  • "Die gute Schule Baselland ist auf dem Weg, besser zu werden - zum Beispiel dank Harmos, der engen vierkantonalen Zusammenarbeit und der Investitionen, die getätigt werden können." Zur guten Schule Baselland kommen wir noch. Wüthrich scheint einer der wenigen zu sein, die Harmos als Qualitätsmassnahme sehen. Und die beschworene Zusammenarbeit bekommt in jeder Abstimmung eins auf den Deckel. In welcher Welt lebt dieser Herr Wüthrich? Die Investitionen sieht Wüthrich in einer Vorwärtsstrategie - "zum Beispiel im Bereich der Fachhochschule oder der Uni". Ist das die gute Schule Baselland?
  • Die gute Schule Baselland leistet sich für Schulversager eine Vorbereitungsschule für KV-Lehrlinge. Ausserdem soll die zweijährige Berufsvorbereitungsschule in ein einjähriges Brückenangebot umgewandelt werden. Während andere Kantone unter Lehrermangel leiden, kann Basel-Land 134 Vollzeitstellen abbauen. Wer so viel Speck am Bauch hat, muss sich nicht wundern, dass gerade in Harmos-Zeiten Vergleiche mit anderen Kantonen gemacht werden. 
Regierungsrat Urs Wüthrich ist mit einigen Sparmassnahmen in seiner Direktion nicht einverstanden.  
Der Baselbieter Bildungschef Urs Wüthrich, Bild: Basler Zeitung.
Einzelne Massnahmen sind problematisch, Basler Zeitung, 15.8. von Alessandra Paone.

14. August 2011

Wirbel um Sexualkunde an den Schulen

Im Zusammenhang mit der geplanten Sexualkunde an den Schulen kam es zu heftigen Protesten. Der Basler Erziehungschef Christoph Eymann unterscheidet dabei zwischen systematischem Unterricht und nicht systematischem Unterricht. Während der systematische Unterricht erst an der Sekundarschule beginne, sei es möglich, dass nicht systematisch bereits im Kindergarten oder in der Primarschule über Sexualität gesprochen werde.
Eymann bezeichnet den Sexkoffer als Hilfsmittel, den man für den Unterricht einsetzen könne oder nicht. Die Realität sehe aber so aus, dass viele Kinder zu Hause nicht aufgeklärt würden. Als Folge des Protests habe Eymann eine Überprüfung des Koffers angeordnet und einzelne Dinge würden nun geändert. Die Zielvorgabe bleibe aber unverändert: Den Kindern beizubringen, dass Sexualität etwas Natürliches sei.

Inhalt des Sex-Koffers mit Unterrichtsmaterialien wie Plüsch-Vagina und Holzpenissen. Bild: Blick.
Sexkoffer darf nicht mehr Sexkoffer heissen. Interview von Philippe Pfister mit Christoph Eymann, Basler Erziehungsdirektor. SonntagsBlick 14.8.

Umsetzung des neuen Bildungsgesetzes in Glarus

In Glarus beginnt morgen ein neues Schuljahr und damit die Umsetzung des neuen Bildungsgesetzes. Die Schulleitungen mussten dafür im letzten Halbjahr neue Reglemente, Formulare und Arbeitsabläufe erarbeiten. Konkret heisst dies Angebote in: Blockzeiten, Sonderpädagogik, Logopädie, Psychomotorik und Schulsozialarbeit. "Je nachdem, wo man wohnt, wird das neue Schuljahr für die Schüler und Lehrer mehr oder weniger Neuigkeiten bereithalten", fasst Martin Bilder, Leiter der Hauptabteilung Bildung in Glarus, zusammen.
In den Gemeinden mussten wegen der neuen Auflagen auch neue Stellen geschaffen werden. Angesichts des anhaltenden Lehrer- und Heilpädagogenmangels keine einfache Sache. "Der Aufwand für die Suche nach geeigneten Pädagogen war unverhältnismässig gross", berichtet Martin Staub, Leiter der Hauptabteilung Schule und Familie in Glarus Süd. In einigen Fällen mussten deshalb auch Personen ohne klassische Lehrerausbildung eingestellt werden. Auch Marie-Helene Stäger, Rektorin von Glarus Nord, bestätigt:"Wir spüren den Lehrermangel stark". 
Quelle: Südostschweiz, Regionalausgabe Glarus, 13.8.   

13. August 2011

Fundamentalkritik am Lehrplan

Normalerweise beschränke ich mich auf Meldungen und Entwicklungen aus der Schweiz. Doch heute mache ich eine begründete Ausnahme: Die Schweizer Erziehungswissenschaftler sind traditionell stark auf Deutschland fokussiert, unsere Lehrmittel stammen oft aus Deutschland und zudem sind wir in der Schweiz gerade mitten in einer grossen Lehrplan-Reform. Grund genug also für einen Blick über den Rhein und eine dort entfachte Debatte zum Wert des Lehrplans. Der Text stammt aus "Die Zeit" und ich zitiere hier ein paar Stellen daraus:

  • Deutschlands Schüler wissen zu wenig. Firmenchefs raufen sich die Haare über Berufsanfänger, die keinen simplen Brief mehr fehlerfrei schreiben können. Universitätsprofessoren sind entsetzt über die mathematischen Bildungslücken ihrer Erstsemester.
  • Immer schlechtere Ergebnisse bei immer größerem Bildungsangebot, so lautet der paradoxe Befund.
  • Bildung als großer Bluff.
  • Der Ausdruck »Bulimie-Lernen« hat sich dafür eingebürgert: kurzfristig Stoff in sich hineinzustopfen, Rezepte für schematisch vorgegebene Aufgaben auswendig zu lernen und sofort nach dem Test wieder zu vergessen.
  • Diese Pläne sind große Wunschzettel, gemacht von Fachdidaktikern, die aus der Logik ihrer Disziplin heraus eine Liste von dem aufstellen, was jemand wissen sollte  weitgehend losgelöst von der Praxis in den Schulen.
  • Schluss mit den Wunschzetteln! Hin zu definiertem und überprüfbarem Basiswissen! 
Interessiert? Der lesenswerte Artikel heisst "Das will ich nicht wissen" Zeit 12.8.

Basel: Muslime müssen Schwimmunterricht besuchen



Das baselstädtische Verwaltungsgericht entschied, dass die Verweigerung des Schwimmunterrichts nicht zulässig sei. Der Lehrplan geht vor Religion. Hier die entsprechende Meldung der sda: 
Eltern, welche die Teilnahme ihrer Kinder am obligatorischen Schwimmunterricht der Schule verweigern, sind in Basel-Stadt zu Recht gebüsst worden: Das baselstädtische Verwaltungsgericht hat den Rekurs eines muslimischen Elternpaars abgewiesen. Es hatte seine Töchter ab dem Alter von sieben und neun Jahren den Schwimmunterricht nicht besuchen lassen. 2010 sprach das Erziehungsdepartement deswegen eine Busse von 1400 Franken aus. Das Verwaltungsgericht sieht darin keinen Verstoss gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit, wie es am Freitag mitteilte. Das Gericht stützt sich vor allem auf die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichts. Die Schulpflicht bedeute, dass Eltern verpflichtet seien, ihre Kinder zur Schule zu schicken, und dass Kinder das Recht auf eine angemessene Schulbildung hätten. Dazu gehöre auch der Turn- und Schwimmunterricht, der in Basel in der Primarschule, also vor der Pubertät, gemischtgeschlechtlich sei. Dabei bestehe «ein grosses öffentliches Interesse daran, dass alle Kinder, also auch kleine Mädchen muslimischen Glaubens, den Schwimmunterricht besuchen».

Dies gelte nicht nur wegen der Möglichkeit, schwimmen zu können, sondern auch, weil Sportunterricht die Sozialisierung und Integration fördere. Auch sei für Kinder von Eltern aus dem Ausland, besonders für Mädchen, Chancengleichheit nur zu erreichen, wenn diese an allen Teilen des Unterrichts teilnähmen. Zum Recht der Eltern auf religiöse Erziehung hielt das Gericht fest, dass Eltern an einer öffentlichen Schule den Lehrplan akzeptieren müssten: Sie könnten nicht gewisse Veranstaltungen für unzumutbar erklären.
Schwimmunterricht-Busse ist rechtens, Basler Zeitung, 12.8.

12. August 2011

Integration: Kritik wächst

Nach der Kritik der Schweizer Schulleiter (http://schuleschweiz.blogspot.com/2011/07/schulleiter-grosse-muhe-bei-der.html) äussern nun auch vermehrt Eltern ihre Bedenken zum neuen Modell der Integration. In vielen Kantonen wurde die Vorlage ja kritiklos durchs Parlament gebracht. In der Praxis offenbaren sich nun die Probleme. Ein Beispiel aus der Stadt Basel zeigt, wie ein betroffenes Kind integriert und nach einem Jahr der Frustration wieder separiert wird.
Theoretisch gut, praktisch ungenügend, Basler Zeitung, 12.8. von Monika Zech

11. August 2011

Start Frühfranzösisch

In den Kantonen Bern, Solothurn und Basel-Stadt ist der Schulanfang gleichzeitig der Start für ein teures und riskantes Experiment mit unserer Schuljugend. Französisch ab der 3. Klasse soll die miserable Bilanz des Französischen ab der 5. Klasse ausbügeln. Anstatt die misslungene Übung mit dem Fremdsprachenunterricht an der Primarschule abzubrechen, gibt man Vollgas mit neu zwei Fremdsprachen, die dafür zwei Jahre früher unterrichtet werden. Wohlbekannte Beschwörungsformeln begleiten die Reform: Ausgebildete Lehrkräfte, motivierende Lehrmittel, kein lästiges Büffeln mehr! 
Die Übung wird gegen besseres Wissen durchgezogen. Ohne praktische Erfahrungen und ohne Blick auf die internationale Forschung, die sich in dieser Frage einig ist: Früher Fremdsprachenunterricht in einem Umfang von ein paar Lektionen pro Woche bringt keinen Erfolg. 
Der bekennende Frühsprachen-Turbo und Berner Erziehungschef Bernhard Pulver schwärmt hingegen vom Sprachbad (!), in das die Jungen geworfen würden. Er wird noch weiter schwärmen, denn Verantwortung wird er und seine Kollegen aus den anderen Kantonen keine übernehmen. Die liegt dann ganz auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer. 
Der Kanton Basel-Land hat die Einführung von Frühfranzösisch aus Kostengründen verschoben.
Achttausend Berner Drittklässler beginnen mit Frühfranzösisch Berner Zeitung, 11.8.
Wann platzt die Seifenblase, Urs Kalberer in der NZZ 

10. August 2011

Hauptsache, man versteht sich!


Zum Glück war Nella Martinetti keine Deutschlehrerin! Die Statt Rappeswil hat an ihrer Beisetzung in Brissago diesen Blumenschmuck bezahlt und sich bestimmt über den letzten Gruss gefreut (Screenshot aus der Tagesschau des Schweizer Fernsehens SF vom 9.8.).
Haben Sie ähnliche Beispiele von krassen Rechtschreib-Fehlern? Melden Sie sich!

Handy-Verbot für Luzerner Schüler?

Die SVP des Kantons Luzern möchte von der Regierung prüfen lassen, ob ein Handy-Verbot für die Schule sinnvoll sei. Dies aufgrund verschiedener Vorkommnisse mit Smartphones. Schüler hätten Prüfungen abfotografiert und dann auf Google nach den richtigen Lösungen gesucht. Dass diese Strategie durchaus realitätsnah und alltagstauglich ist, dürfte den SVP-Leuten entgangen sein. Betrug ist sicher ernst zu nehmen, doch hier liegt die Lösung wohl eher bei den Lehrpersonen und der Art und Weise, wie diese ihre Prüfungen erstellen.
Schüler-Handys werden zum Politikum Neue Luzerner Zeitung 10.8. von Daniel Schriber

9. August 2011

Tafelputzer Zeugnisse


Kleidervorschriften bleiben ein Thema

An der Oberstufe ist die Kleiderfrage ein wiederkehrendes Thema. Nachdem erste Versuche mit Schuluniformen keinen grossen Anklang fanden, hat nun die Oberstufe Kaisten im aargauischen Fricktal reagiert: Ab sofort werden bauchfreie Oberteile, sichtbare Unterwäsche, übermässige Décolletés, Hotpants, Miniröcke, auffälliges Make-up, übergrosser Schmuck und Parfumwolken nicht mehr toleriert. Was tut man bei Übertretungen? Für den Rest des Halbtags müssen fehlbare Schüler ein übergrosses XXL-T-shirt tragen. Danach müssen sie umgezogen zum Unterricht erscheinen. Die Schulleiterin meint, dass Schuluniformen nie ein Thema waren, dass aber ein Kleidungskodex mit gewissen Minimalanforderungen schon erwartet werden dürfe. Wir sind auf die Erfahrungen mit dieser neuen Regelung sehr gespannt.
Bei sichtbarem Tanga gibts ein XXL-T-Shirt als Strafe Aargauer Zeitung, 9.8.   




Leserbrief zur Sprachenpolitik

Den folgenden Leserbrief zur schweizerischen Sprachenpolitik gebe ich leicht gekürzt wieder.
Dass es sich beim Rätoromanischen und beim Alemannischen (dazu gehören das Elsässische und alle Deutschschweizer Sprachen) um Sprachen handelt, die schlicht ernst zu nehmen sind, sollte allgemein gewürdigt werden. Das hat überhaupt nichts mit Heimattümelei zu tun und ist keinesfalls altmodisch. Vielfalt ist ein Merkmal der Schweiz. Dass die sprachliche Vielfalt ein Vorteil ist, ist den meisten Bildungspolitikern immer noch nicht klar. Wenn ich ein 1.-August-Abzeichen kaufen muss, um den Klassenaustausch über die Sprachgrenzen hinweg zu fördern, kann ich nur den Kopf schütteln. Weshalb beschäftigen sich Bildungsbeamte lieber mit dem Ersatz regionaler Sprachen durch flächendeckende Standardsprachen als mit einer so auf der Hand liegenden Massnahme? Weshalb ist sie nicht schon längst institutionalisiert? Weshalb muss eine private Organisation dafür Geld aufbringen? Und weshalb sollen Zugewanderte vor regionalen Sprachen geschützt bzw. davon ausgeschlossen werden?
In Graubünden sind alle romanisch Sprechenden mindestens zweisprachig und ausserordentlich gewandt im weiteren Spracherwerb. Wenn Rumantsch Grischun als vorwiegend schriftliche Kanzleisprache benutzt wird, könnte das sinnvoll sein. Flächendeckende Standardisierung der romanischen Sprachen ist aber abzulehnen, weil es die einzelnen Sprachen zu Familiensprachen degradiert. Deutsch wurde zwar von Luther standardisiert. Es hat aber Jahrhunderte gedauert, bis sich daraus eine Art allgemein praktikabler Standardisierung ergab. Ein interessierter Beobachter kann die Weiterentwicklung überall erkennen. Ein kleines Beispiel: Die NZZ schreibt plötzlich «Aschewolke», während «Aschenbecher» bleibt. Das Fugen-n wäre richtig, aber der Norden weiss es vielleicht besser als der Süden? Man sollte langsam erkennen, dass Standardisierung Grenzen hat. Schliesslich ist Einfalt das Gegenteil von Vielfalt.
Liselotte Reber-Liebrich in der NZZ, 9.8.

Qualitativer Lehrermangel


Das Problem der fehlenden Lehrkräfte hat sich gemäss dem Zentralpräsidenten des Schweizer Lehrerverbands, Beat W. Zemp, zu Beginn des neuen Schuljahres etwas entschärft. Es sind wieder mehr Lehrkräfte auf dem Markt, aber diese entsprechen oft nicht dem Stellenprofil. Nach wie vor müsse von einem «qualitativen Lehrermangel» gesprochen werden, sagte Zemp auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.
Die von einzelnen Bildungsdirektionen getroffene Notmassnahme, nicht fertig ausgebildete Lehrkräfte unterrichten zu lassen, ist laut Zemp qualitätsmindernd. Aus Sicht des Lehrerverbands wäre es besser, den Lehrerberuf zum Beispiel mit höheren Einstiegslöhnen attraktiver zu machen. Einzelne Kantone haben diesen Weg beschritten. Zemp sieht eine weitere Möglichkeit in der Reduktion der Pensen.
Trotz diesen Bestrebungen sowie dem positiven Signal aus dem Kanton Aargau, wo zum Schulstart bis auf wenige Teilpensen sämtliche Stellen besetzt sind, kann Zemp keine Entwarnung geben. Während der nächsten fünf Jahre werde es weiterhin einen Lehrermangel geben, vor allem auf der Sekundarstufe I.
Agenturmeldung sda in NZZ, 9.8.

8. August 2011

Quereinsteiger und Studenten entschärfen Lehrermangel in Zürich

Im Kanton Zürich atmet man auf: Bloss 19 Stellen seien auf das neue Schuljahr noch nicht besetzt. Im Vergleich zum letzten Jahr, wo 60 Stellen unbesetzt waren, ist dies eine deutliche Entschärfung.
Dazu beigetragen haben die Quereinsteiger und Studenten, die neben dem Unterricht auch noch studieren. Ausserdem konnten verschiedentlich Teilpensen aufgestockt werden.
Nicht berücksichtigt wird, dass der Kanton Zürich noch immer eine Sogwirkung auf andere Kantone mit schlechteren Arbeitsbedingungen hat. 
Bericht DRS Regionaljournal 8.8.

St. Gallen plant Kürzung der Pflichtlektionen

Neu sollen St. Galler Lehrkräfte nur noch 27 statt der bisherigen 28 Wochenlektionen unterrichten. Dies ist eine der Massnahmen, um den Beruf attraktiver zu machen. Kernstück der Vorlage ist ein neu definierter Berufsauftrag, der die unterschiedlichen Faktoren auflistet, aus denen sich die totale Arbeitszeit zusammensetzt.
Um die Vorlage kostenneutral zu gestalten, wird auch das Pensum der Schulkinder reduziert. Zusätzlich ist geplant, dass die Weihnachtsferien überall im Kanton zwei Wochen dauern. Das hat zur Folge, dass zusätzlich zwei bis drei Ferientage dazu kommen.
Die Vernehmlassung dauert bis September. Im November berät der St. Galler Kantonsrat über die Vorschläge.
Bericht im St. Galler Tagblatt vom 8.8.

6. August 2011

Vielfalt statt erzwungene Einfalt im Bildungswesen

Mit Allan Guggenbühl mischt sich ein Psychologe in die Diskussion um die Vereinheitlichung des Schulsystems ein. Er konstatiert ein verbreitetes "group think" unter Bildungsexperten. Damit ist gemeint, dass sich Bildungsfachleute mehr und mehr abschotten gegenüber den Praktikern und gleichzeitig ihre Positionen aufeinander abstimmen. So entsteht ein Trugbild von Konsens. Ausserdem steigen Einfluss und Macht der Schreibtisch-Pädagogen durch Vereinheitlichungs-Projekte wie Harmos oder Lehrplan 21. In Wahrheit führt "group think" jedoch zu Betriebsblindheit und mangelnder Urteilungskraft. 
Guggenbühl stellt die ketzerische Frage, ob es zur Qualitätssicherung des Unterrichts denn überhaupt einheitlicher Strukturen bedürfe. Ja, sagen die Erziehungswissenschaftler, denn sonst leide die Vergleichbarkeit. Doch ist es nicht so, dass bereits innerhalb eines Kantons grosse Unterschiede bestehen (siehe dazu den Bericht über den Übertritt in die Sekundarschule im Kanton Bern)? Wie soll denn eine Vereinheitlichung zwischen mehreren Kantonen diese Unterschiede verringern? 
Die Problematik des "group think" wird in der Schweiz nicht wahrgenommen. Dabei hätte die Schweiz gute Voraussetzungen, um mit ihren unterschiedlichen Systemen einen bildungspolitischen Wettbewerb zu starten. Doch das führte zu einem Machtverlust für unsere Schuleliten in den kantonalen Ämtern und PH. 
Der Artikel ist sehr empfehlenswert und leistet sich eine Gegenposition zur vorherrschenden Doktrin der Vereinheitlichung und Standardisierung.
Vielfalt statt Einfalt, Basler Zeitung, 6.8.

Schulabgänger: Zu jung zum arbeiten

Im Vorfeld der kantonalen Harmos-Abstimmungen wurde auf ein Problem hingewiesen, das nun langsam ins Bewusstsein rückt. Durch den früheren Schuleintritt sind die Jugendlichen bei Schulaustritt gesetzlich zu jung zum arbeiten. Mit der früheren Einschulung gibt es bereits 14-Jährige, die die obligatorische Schulzeit absolviert haben. Für Jugendliche bis 15 Jahre gilt aber ein grundsätzliches Arbeitsverbot (Kinderarbeit!).
Obwohl sich im Kanton Luzern die Zahl der jungen Schulabgänger in Zukunft erhöhen wird, sieht man bei den Behörden noch keinen Handlungsbedarf. Es handle sich um Einzelfälle, für die es jedoch eine behördliche Bewilligung zum Lehrlingsstart braucht.
Bericht in der Neuen Luzerner Zeitung vom 6.8. von Thomas Oswald

5. August 2011

Grosse Differenzen beim Übertritt in die Sekundarschule im Kanton Bern

Drei Dinge fallen auf:
1. Grosse regionale Unterschiede. Im französischsprachigen Berner Jura gehen 69% in die Sekundarschule - im Obersimmental bloss 45%.
2. Der Unterschied zwischen Knaben und Mädchen ist frappant. Er beträgt im Berner Jura 13% - zugunsten der Mädchen. Im nahen Seeland ist der Unterschied mit 7% am geringsten.
3. Noch grössere Unterschiede zeigen sich im Vergleich Schweizer und Ausländer. Im Emmental schaffen es bloss 29% der Ausländer an die Sek - im Berner Jura 52%.
Über die Probleme der Beurteilung wurde hier schon verschiedentlich berichtet (Urs Moser fordert Vereinheitlichung). Was mit dem Eintritt an die Sekundarschule beginnt, setzt sich am Ende mit der Lehrlingsselektion fort (Kritischer Blick auf Multicheck). Die Zahlen aus dem Kanton Bern schockieren trotzdem. Das in der Schule gerne hochgehaltene Motto "Ohne Fleiss keinen Preis" wird hier als glatte Lüge entlarvt. Unser Beurteilungssystem ist ungerecht, denn nicht Leistung, sondern Wohnort, Geschlecht und Nationalität entscheiden über den Schulerfolg. Und zum Schluss: Angesichts der Berner Zustände stelle man sich mal das Ausmass der Unterschiede schweizweit vor!



Grafik: Berner Zeitung, anklicken zum Vergrössern

4. August 2011

St. Gallen: Neuregelung der Schulaufsicht

Der Kanton St. Gallen muss seine Schulaufsicht neu regeln. Die Regionale Schulaufsicht (RSA) wird abgeschafft und durch eine kantonale Fachaufsicht ersetzt, die allerdings nur noch zurückhaltend eingreift. Dies ist dank der autonomeren Schulleitungen möglich. Gleichzeitig vertraut man der heilsamen Wirkung von flächendeckenden Fremdevaluationen, die in diesem Blog schon kritisiert wurden (Unklare Wirkung, Schulevaluation hat einen Vorteil). Trotz der Aufhebung der RSA ist das neue Konzept kaum kostengünstiger als die bisherige Lösung.
Die Vernehmlassung läuft bis September, der Kantonsrat wird sich in der Novembersession mit dem Vorschlag des Bildungsdepartements beschäftigen.
Medienmitteilung Kanton St. Gallen
Bericht Regionaljournal DRS
Bericht St. Galler Tagblatt

2. August 2011

Weiterhin Anerkennungsprobleme bei Lehrdiplomen

Man wähnt sich in längst vergangenen Zeiten: Letzte Woche wurde ein Fall publik, bei dem einer in Luzern ausgebildeten Schulmusikerin das Diplom in ihrem Heimatkanton Tessin nicht anerkannt worden ist. Ihre schriftliche Bewerbung wurde folglich nicht zum Auswahlverfahren für eine freiwerdende Stelle zugelassen. Die Tessinerin studierte an der Musikhochschule Luzern Schulmusik II und absolvierte an der PH Zentralschweiz in Luzern eine pädagogisch-didaktische Ausbildung. 
Das Tessiner Erziehungsdepartement halte sich konsequent an die Vorgaben der EDK. Diese wiederum gibt den schwarzen Peter weiter an die Hochschulen, die es verpasst hätten, die notwendige Anerkennung einzuholen. Besonders störend ist der Fall, da der Tessin seit Jahren keine eigene Ausbildung von Musiklehrern für die obere Mittelstufe mehr anbietet. Ein Tessiner Politiker findet, bei der EDK herrsche aufgrund der vielen neuen Abschlüsse "eine gewisse Konfusion". Die Stelle wurde übrigens an eine Bewerberin aus Italien vergeben.
Bericht in der NZZ, 2.8. (Peter Jankovsky und Martin Merki)
Luzerner Musik-Diplome werden nicht überall akzeptiert Neue Luzerner Zeitung, 24.7. Politiker schalten sich ein Neue Luzerner Zeitung, 25.7.

Kritischer Blick auf Multicheck

Der Multicheck weist verschiedene Schwachpunkte auf: Die Tagesform entscheidet darüber, ob Jugendliche systematisch von einem Lehrberuf ausgeschlossen werden. Der Verfasser einer entsprechenden Studie, Michael Siegenthaler, sagt: "Die Ergebnisse meiner Masterarbeit zeigen, dass das Gesamtresultat des Berufseignungstests im Detailhandel nicht mehr aussagt, als das, was aus den Schulzeugnissen herausgelesen werden kann. Der Detailhandelstest hat keinen zusätzlichen Nutzen, ist relativ fehlerhaft, kann den Lernerfolg in der Berufsschule schlecht vorhersagen und auch einen Lehrabbruch nicht zuverlässig prognostizieren. Es scheint, dass der Test die «Berufseignung» eines Testteilnehmers nicht zu messen vermag."
Mulitcheck sollte nicht allein entscheiden Berner Zeitung, 2.8.