30. Juni 2011

Spardebatte Baselland: Streik möglich

Die Baselbieter Lehrerorganisationen wehren sich gegen die in Aussicht gestellten Sparmassnahmen (siehe frühere Posts). Damit sei Harmos in Gefahr, argumentieren die Lehrer. Besonders für Aufruhr sorgen die Pensenerhöhungen für die Fachlehrkräfte der Sekundarstufen I und II.
Vorerst werde aber das Gespräch mit den Politikern gesucht. Man kann sich aber auch Kampfmassnahmen wie Streiks vorstellen.
Bericht Regionaljournal Radio DRS
Bericht Basler Zeitung

Weniger unterrichten für Papierkram?

Philipp Gut übt Kritik an der Logik der Forderung nach einer Pensenkürzung für Lehrkräfte. Das Begehren des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (ZLV) wird mit der steigenden Belastung durch "arbeits- und zeitintensive" Nebenaufgaben begründet. Es ist falsch, so Gut, anstelle des aufwendigen Papierkrams die Unterrichtsstunden zu reduzieren.
Hier der Artikel aus der "Weltwoche" vom 30. Juni in voller Länge:

Das Ansehen der Lehrer, so scheint es, hat sich seit einigen Jahren wieder verbessert. Die Bezeichnung «Ferientechniker», einst bis zum Überdruss zu vernehmen, hört man heute kaum mehr. Auch der Eindruck, die Lehrer neigten in ihrer Mehrzahl zu weltfremden Ansichten und stünden dem Wirtschaftsleben skeptisch bis ablehnend gegenüber, hat sich etwas verflüchtigt. Wohl zu Recht.

Die Lehrer waren in den letzten Jahren ­einem Realitätstest ausgesetzt, wie ihn der Berufsstand seit der Einführung der obligato­rischen Volksschule im 19. Jahrhundert noch nie erlebt hat. Die Belastung stieg, verursacht durch zwei Entwicklungen: den wachsenden Anteil an Ausländern und sonstigen Problemschülern; und durch eine Vervielfachung der adminis­trativen und bürokra­tischen Aufgaben. Neue Lernformen, Teamteaching, Jobsharing etc. beanspruchten die Lehrer übermässig. Fast schien es, die ­eigentliche Aufgabe – das Unterrichten – rücke in den Hintergrund.
Jetzt beschreiten die Lehrer einen ungewöhnlichen Weg. Die «lieben Eltern und Erziehungsberechtigten» im schülerstärksten Schweizer Kanton erhielten kürzlich einen Brief der organisierten Lehrerschaft. Der ­Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) und die Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürichs (SekZH) baten um Unterstützung für ein politisches Anliegen: Sie fordern «eine Reduktion der Lektionenzahl».
Bei allem Verständnis für den gestiegenen Arbeitsdruck: Die Forderung erstaunt. Sie ist falsch. Und sie wirkt vollends verfehlt, wenn man die von den Gewerkschaften vorgebrachte Begründung liest.
«Seit weit über hundert Jahren» bewege sich die Unterrichtsverpflichtung im gleichen ­Rahmen, behaupten die Lehrerorganisa­tionen. Dies, obwohl die Belastungen ausserhalb des Unterrichtens stetig zugenommen hätten. Mit weniger Wochenstunden, so begründen die Lehrer ihre Lobbyoffensive, bleibe «mehr Zeit für all die neuen arbeits- und zeitintensiven» Nebenaufgaben.
Der Bürokratiekram gehe zu Lasten des Unterrichtens, sagen die Lehrer. Folglich müsse die Zahl der Unterrichtsstunden reduziert werden. Damit mehr Zeit für den Bürokratiekram bleibe. Die Logik ist, sagen wir: originell. Die Gefahr besteht, dass die Lehrer mit ihrem inkonsequenten Auftreten hart erkämpfte Sympathien wieder verscherzen.

Über 1000 Unterschriften für Manifest zur Lehrerbildung

Das Manifest für eine praxisnähere Lehrerbildung in Zürich wird von 1000 Lehrern und Studierenden unterstützt. Als direkte Reaktion auf das Begehren wird auf Veranlassung des Bildungsrates neu eine Befragung ehemaliger Studierender der PHZH durchgeführt. 
logo_ig

Mehr Informationen und wie es weiter geht.

29. Juni 2011

Interpellation zur Sprachenpolitik im Thurgau

Gestern berichtete ich von einem parlamentarischen Vorstoss zur Sprachenpolitik im Thurgau. Hier nun dessen exakter Wortlaut: 

Hannes Bär                                    Josef Brägger         
SP / Gewerkschaften                     Grüne Partei
8586 Riedt bei Erlen                      8580 Amriswil

Interpellation „Gesamtsprachenkonzept für den Thurgau“

Das Sprachenkonzept wurde im August 2003 publiziert. Am 21. Mai 2006 lehnte das Stimmvolk die Initiative „Nur eine Fremdsprache“ ab. Im Sommer 2009 wurde der Englischunterricht in allen 3. Klassen eingeführt. Zu Beginn des neuen Schuljahres 2011/12 werden neu alle 5. Klässlerinnen und 5. Klässler zusätzlich eine 2. Fremdsprache lernen.

Der Regierungsrat wird ersucht, die folgenden Fragen zu beantworten:

1.    Welches sind die Erfahrungen der letzten 2 Jahre mit dem Frühenglischen
- bei den Lehrpersonen?
- bei den Eltern?
- bei den Kindern?

2.    Wie bewähren sich die eingesetzten Lehrmittel?

3.    Wie wird garantiert, dass die Empfehlungen des Sprachkonzeptes aus dem Jahre 2003 betreffend Kindern mit Risikopotenzial in den Deutsch- und Fremdsprachunterricht einfliessen (Punkt 5.3. „Kinder mit Risikopotenzial“)?

4.    Wie wird garantiert, dass die Lehrpersonen die erweiterten Anforderungen gemäss Sprachkonzept (Punkt 13.6. „Anforderungen an Lehrpersonen“) erfüllen?

5.    Wie wird garantiert, dass auch schwächere Lernende bis zum Ende der obligatorischen Schulpflicht motiviert Fremdsprachen lernen bzw. welche Alternativen (z.B. zusätzlicher Deutschunterricht) werden bei Bedarf geprüft?

6.    Ist der Regierungsrat bereit, das Sprachenkonzept aus dem Jahre 2003 so zu überarbeiten, dass der systematische Sprachenerwerb in Deutsch und den beiden Fremdsprachen von der 3. Klasse bis zum Ende der Sekundarstufe II (inkl. Berufsschulen) garantiert wird bzw. auf Schwierigkeiten im Spracherwerb reagiert werden kann?

Begründung

Der Fremdsprachenunterricht in der Primarstufe zeichnet sich durch eine hohe Professionalität der Lehrpersonen aus. Es wurde viel Geld in die dafür nötige Ausbildung gesteckt; der Einsatz und das Engagement der Lehrpersonen sind sehr hoch. In Praxisgruppen tauschen sie die Erfahrungen aus und optimieren ihren Unterricht. Ausserdem bilden sich die Fremdsprachenlehrpersonen kontinuierlich weiter.

Problematisch sind jedoch in vielen Schulen die Klassen- bzw. Gruppengrössen sowie die extreme Heterogenität. Lehrpersonen müssen mit Kindern arbeiten, welche die unterschiedlichsten Voraussetzungen mitbringen (Englisch als Drittsprache, fehlende oder mangelhafte Deutschkenntnisse usw.). Die geforderte Binnendifferenzierung ist aus verschiedenen Gründen häufig kaum möglich. Damit sind Über- oder Unterforderung von Schülerinnen und Schülern programmiert.

Bei vielen Eltern macht sich Verunsicherung breit: die Schriftlichkeit erhält einen höheren Stellenwert, Hausaufgaben werden häufiger, regelmässige Lernkontrollen mit Noten wirken belastend. Während Eltern aus dem Mittelstand den zusätzlichen Aufwand bzw. die nötige Unterstützung garantieren können, sind viele Eltern mit unterdurchschnittlichem Bildungsstand überfordert. Die Schere zwischen den Kindern öffnet sich noch früher.

Es zeichnet sich ab, dass je länger desto mehr Kinder im Fremdsprachenunterricht überfordert sind und „abschalten“. Die Lehrpersonen haben es zunehmend mit „Sprachverweigern“ zu tun bzw. teilweise schon in der 4. Klasse so genannte Lernzielbefreiungen anordnen lassen. Die Weiterarbeit mit diesen Kindern stellt die Sekundarstufe I vor immer grössere Probleme.

Viele Schulabgängerinnen und -abgänger benötigen in der Berufsschule keine Fremdsprache mehr. Die Frage stellt sich also, ob sich bei diesen Jugendlichen der enorme Aufwand zum Sprachenerwerb gelohnt hat. Falls sie weiterhin Englisch oder Französisch als Freifach belegen möchten, müssen sie auf den Abend bzw. auf Randstunden ausweichen.

Dem Regierungsrat wird im Voraus für die Beantwortung der Fragen gedankt.

Riedt / Amriswil, 15. Juni 2011


LCH fordert mindestens 6% mehr Lohn

Als Massnahme gegen den Lehrermangel fordert der LCH auf das Jahr 2012 mindestens 6% mehr Lohn. Eine Salär-Vergleichsstudie von PricewaterhouseCoopers habe gezeigt: Verglichen mit Berufstätigkeiten mit einem ähnlichen Anforderungsprofil lägen die Löhne der Lehrerinnen und Lehrer um 10 bis 85 % tiefer. Ausserdem sollen mit der Lohnerhöhung die Rückstände im Teuerungsausgleich beseitigt werden.
Bericht Schweizer Fernsehen

28. Juni 2011

Thurgau: Interpellation zu Frühenglisch

Wir erinnern uns: Primarschüler sind wie Schwämme, die Fremdsprachen aufsaugen und spielerisch leicht lernen. So tönte die ideologisch gefärbte Propaganda der Frühförderer. In der Zwischenzeit wird immer deutlicher, dass die Sache mit dem frühen schulischen Sprachenlernen ein bisschen komplexer ist, als unsere Experten vermuteten. Zwei Lektionen pro Woche reichen eben nicht aus. 
Die beiden Thurgauer Kantonsräte Josef Brägger (GP) und Hannes Bär (SP) stellen fest, dass die Klassen- und Gruppengrössen sowie die Heterogenität der Klassen problematisch seien. Gerade im Frühenglisch müssten Lehrpersonen mit Kindern arbeiten, die die unterschiedlichsten Voraussetzungen mitbringen würden. Zudem gebe es in einzelnen Klassen regelrechte Sprachverweigerer. Die beiden Politiker stellen in ihrer Interpellation zum Frühenglisch zahlreiche Fragen zum Sprachenkonzept - insbesondere ob die Regierung bereit sei, das Konzept aus dem Jahr 2003 zu überarbeiten.

27. Juni 2011

Unklare Wirkung von Schul-Evaluationen

Hast du dich auch schon gefragt, was denn die regelmässigen Evaluationen deiner Schule überhaupt sollen? Dienen diese der Schule oder eher den Evaluatoren selbst? Ein dichtes Netz von evaluierten Schulen breitet sich aus - Fachstellen mit wachsendem Personaleinsatz ziehen durchs Land und durchleuchten die Volksschulen. Was das Ganze bringt ist unklar. Zu diesem Thema hat Sabine Windlin einen wichtigen Artikel für die NZZ verfasst, den ich allen zur Lektüre empfehle. 
Wie unabhängig sind die kantonalen Fachstellen? Wem schreiben sie ihre Fragebogen ab? Welche Rolle haben die Schulleitungen? Diese Fragen stellen sich mir. Den Lehrkräften ist aus meiner Sicht mit einer kritischen Selbstevaluation und mit freiwilliger kollegialer Hospitation besser gedient. Die Schule lässt sich nicht mit einem gewinnorientierten Unternehmen vergleichen. Ins gleiche Kapitel gehören auch weitere Massnahmen aus dem Bereich "Qualitätssicherung", wie die munter anwachsende Zahl von Vergleichstests, Benchmarking und Fragebogenuntersuchungen zeigt (siehe dazu frühere Posts).
Prüfungen ohne Ende - und mit wenig Wirkung, NZZ 27.6., von Sabine Windlin

Bildungsstatistik 2010

Der Anteil der Mädchen in den Gymnasien bleibt weiterhin hoch. Obwohl sie in der obligatorischen Schule unter 49% liegen, sind sie in den Maturitätsschulen mit über 56% vertreten. Dies zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Diese und weitere aktuellen Zahlen können hier eingesehen werden. 

Anteil der Mädchen an der obligatorischen Schule (blau) und an den Gymnasien (rot) im Verlauf von zehn Jahren.
Quelle: Bundesamt für Statistik, Grafik Urs Kalberer

26. Juni 2011

Rückzieher der EDK im Sexualkunde-Unterricht?


Philipp Gut analysiert in der "Weltwoche" vom 23. Juni die Reaktion der EDK auf die politischen Vorstösse zum geplanten Sexualkunde-Unterricht (siehe frühere Posts). 
Am Donnerstag letzter Woche versandte die Geschäftsstelle der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) eilends eine Mitteilung. Es werde im Rahmen des ­neuen «Lehrplans 21», der derzeit erarbeitet wird, «keinen Sexualkundeunterricht im Kindergarten geben», beteuerte die EDK. Anders- lautende Medienberichte seien «falsch».
Der Zeitpunkt der überraschenden Offen­sive war kein Zufall. Tags darauf präsentierten Na­tionalräte aus verschiedenen Parteien in Bern eine «Petition gegen die Sexualisierung der Volkschule». Sie fordern, dass Eltern ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht dispensieren dürfen, dass die Schüler nicht zu «Sexspielen und Sexualpraktiken» angeleitet und in ihrer «se­xuellen Orientierung» nicht beeinflusst werden. In einzelnen Kantonen laufen ähnliche Proteste. In Luzern sammelt die Junge SVP Unterschriften für eine Petition unter dem Titel «Kein Sexualkundeunterricht für 4-Jährige». Die Befürchtungen, dass schon die Kleinsten mit teils unsensiblen Methoden aufgeklärt werden sollen, weist die EDK von sich. Sie distanziert sich insbesondere von einem «Grundlagenpapier», das das Kompetenzzentrum ­Sexualpädagogik und Schule, angesiedelt ­ an der Pädagogischen Hochschule Zentral- schweiz (PHZ), entwickelt hat. Das Dokument sei «weder im Auftrag noch unter Mitwirkung der Erziehungsdirektoren-Konferenz entstanden», seine Inhalte seien «für den Lehrplan 21 nicht massgebend», so die EDK.

Wozu braucht es ein Sexualzentrum?

Das ist nur die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass die EDK dem medialen und politischen Druck schon seit längerem auszuweichen versucht. In einem «zur internen Verwendung» vorgesehenen Papier vom November 2010 heisst es: «Während Fachpersonen aus dem Institut für Sexualpädagogik in Uster und dem Kompetenzzentrum Sexualpädagogik und Schule in Luzern bereits im Kindergarten sexualpädagogische Themen aufnehmen wollen, wehren sich konservative Kreise vehement dagegen.»
Die «Fachpersonen» verlangen also Sexualunterricht bereits im Kindergarten, das gibt die EDK zu. Folglich zielen die Petitionen und Proteste nicht ins Leere. Mehr noch: Die erwähnten Institute sind nicht irgendwelche ­nebensächlichen Organisationen oder gar private Klubs, die schreiben und sagen können, was sie wollen. Wenn die EDK jede Ver­bindung mit dem Kompetenzzentrum abstreitet, verschleiert sie die Tatsachen. Es bestehen enge persönliche, institutionelle und finanzielle Verbindungen zwischen Bund, Kantonen und Sexfachleuten.
Titus Bürgisser, umstrittener Leiter und Promotor des Sexunterrichts, berät die Lehrplan-Entwickler. Sein Kompetenzzentrum ist Teil der Zentralschweizer Hochschule, und es wird vom Bund mit Hunderttausenden von Franken unterstützt. Ein Vertrag zwischen dem Bundesamt für Gesundheit – federführend ist die Sektion Aids – und der PHZ regelt die Zusammenarbeit. Das Zentrum erhielt bisher 1 343 000 Franken an Bundesgeldern, Beiträge der Zentralschweizer Kantone nicht eingerechnet. Mit dem Geldsegen ist ein klar definierter Auftrag verbunden: Se­xualpädagogik solle mit Hilfe des Kompetenzzentrums an den Schulen «flächendeckend implementiert» werden, heisst es schwarz auf weiss im Vertrag. Das weiss auch die EDK.
Es gibt im Grunde nur zwei Varianten. ­Erstens: Der Rückzieher der Erziehungsdirektoren ist taktisch – er wäre dann als Versuch zu werten, im Wahljahr politischem Druck auszuweichen. Zweitens: Es ist ihnen ernst mit ­ihren Zweifeln an der Kompetenz der eigenen Fachleute. Dann aber stellte sich die Frage, ­warum Millionen von Steuerfranken für Institute aufgewendet werden sollen, die – so formuliert es die EDK – «nicht massgebend» sind.
Philipp Gut, Weltwoche, 23. Juni 2011

Italienisch neu Gymi-Prüfungsfach in Graubünden

Die fragwürdigen Entscheide rund um den Eintritt an ein Bündner Gymnasium nehmen kein Ende (siehe frühere Posts). Nun ist neu Italienisch zum Prüfungsfach erhoben worden. Interessant dabei ist die Begründung, welche in der "Südostschweiz" (Denise Alig) vom 24.6. genannt wird: "Ein Grund für die Neuerung ist, dass die deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler, die im Jahr 2012 die sechste Klasse besuchen, seit der dritten Klasse durchgängig auch in Italienisch geschult wurden". - Genau dies trifft jedoch nicht zu. Italienisch  wurde erst seit dem Schuljahr 2009/10 ab der 3. Primarklasse eingeführt. 
Ebenfalls sonderbar ist, wie Italienisch "geprüft" wird. Als Prüfungsnote wird die Zeugnisnote des ersten Semesters verwendet. Dies hat nun problematische Konsequenzen.
1. Die Note in Italienisch wird mit der Deutschnote zu einer Sprachnote verrechnet. Damit wird die Bedeutung der Deutschprüfung dramatisch reduziert auf 1/6 der gesamten Prüfungsnote.
2. Der Druck auf die Primarlehrerinnen steigt weiter: Geben diese nämlich hohe Noten, wird der Eintritt an ein Gymnasium bedeutend einfacher - welche Kompetenzen sich hinter diesen Noten verbergen, interessiert niemanden. Konflikte mit Eltern sind so vorprogrammiert.
Ein Drittel der Prüfungsnote besteht aus der sogenannten Übertrittsnote - einem Zusammenzug der Noten aus der Primarschule. Um Konflikten aus dem Weg zu gehen, verteilt man möglichst hohe Noten. Wer kritisch und streng bewertet, macht sich nur Feinde. 
Englisch ist die einzige Fremdsprache in Graubünden, welche von allen Schülern gelernt wird. Weshalb diese nicht auch für den Übertritt ans Gymnasium geprüft wird, ist aus dem Bericht der "Südostschweiz" nicht zu erfahren. 


Die Aufnahmeprüfung ans Gymnasium wird weiter für Gesprächsstoff sorgen. Der Einfluss der Eltern auf die Entscheide der Lehrer wird zunehmen - die Objektivität der Notengebung wird abnehmen.
Informationen zu den Neuerungen vom Amt für Mittelschulen 

25. Juni 2011

LCH ist gegen "sinnlosen Wettbewerb"

Die Delegiertenversammung des LCH sprach sich gegen Bildungs-Benchmarking aus. Damit soll verhindert werden, dass Schulen entsprechend ihrem Leistungsausweis (z.B. Übertrittsquote an Gymnasien) belohnt oder bestraft werden. Bildung könne nicht mit einem wirtschaftlichen Produktionsprozess verglichen werden, meint der Zentralpräsident des LCH, Beat Zemp. Diese Präzisierung ist notwendig. Der LCH unterstützt nämlich Harmos, dessen Grundpfeiler auch ein Schulmonitoring vorsieht. Deshalb warnt der LCH zurecht frühzeitig gegen Absichten, die Resultate von Vergleichstests zur Finanzierung oder Entlöhnung einzusetzen.
Interview mit Beat Zemp, Zentralpräsident LCH, in NZZ 20.6.
Dazu ein Beitrag von Alexander Sautter (Radio DRS) mit Stimmen von Beat Zemp, Ernst Buschor und Matthias Binswanger.

Medienbildung ungenügend?

Das Konzept, dass Medienbildung in jedem Schulfach stattfindet, sei theoretisch gut. In der Praxis zeige sich jedoch, dass der Umgang mit Medien in der Schule nicht konsequent genug stattfinde. Dies sagt Thomas Merz, Medienpädagoge an der PH Zürich. Wird Medienbildung also bald zu einem eigenen Fach? Dagegen wehrt sich die Berufsschullehrerin Karin Winter. Sie findet, es sei nicht Aufgabe der Schule, gesellschaftliche Probleme, wie den Umgang mit Handy und Facebook, in der Schule zu thematisieren.
Die Frage ist aktuell, denn der Lehrplan 21 muss klären, wie stark der Umgang mit den neuen Medien in der Schule thematisiert wird.
Beitrag und Gespräch im DRS Regionaljournal Ostschweiz vom 23.6.

18. Juni 2011

Entwicklung der Schülerzahlen

Das Bundesamt für Statistik hat unter dem Titel "Bildungssystem 2011-2020 die neuesten Schülerzahlen veröffentlicht. Auf der Primarschulstufe verlieren Graubünden und Jura am meisten, während Obwalden, die Waadt und Zürich den stärksten Zuwachs zu erwarten haben.
Verlierer auf der Sekundarstufe sind wiederum Graubünden, die beiden Appenzell, Uri, Glarus, Schaffhausen, Solothurn und Jura.

Grafik: Südostschweiz, 18.6.

17. Juni 2011

Kein Sexualkunde-Unterricht am Kindergarten

Laut den Erziehungsdirektoren wird es im Kindergarten keinen Sexualkunde-Unterricht geben. Sie stützen sich dabei auf ein Grundlagenpapier der PHZ. Die Stellungnahme folgt auf entsprechende Vorstösse in den Kantonsparlamenten der Zentralschweiz (siehe Posts vom 12. und 14. Juni). 
Bericht in der NZZ online vom 17.6. 2011

Nationalhymne für Thurgauer Schüler

Bis Ende der Schulzeit sollen die Thurgauer Schüler "einige" Strophen der Nationalhymne und das Thurgauer Lied singen können. Dies fordern zwei Thurgauer SVP-Kantonsräte.


DRS Regionaljournal Ostschweiz 17.6. 2011

16. Juni 2011

Leseschwäche - Tirol handelt

Wir erinnern uns: Die Publikation der jüngsten PISA-Resultate führte zu einem Jubelgeschrei in den Medien. Der vermeintliche Erfolg wurde denn auch von der EDK und vom LCH gefeiert (Franziska Peterhans "...ein sehr gutes Zeugnis für die geleistete Arbeit"). 
Zwei Dinge werden dabei übersehen: 1. Wir haben uns gar nicht gesteigert. Die angebliche Leistungssteigerung ist statistisch nicht signifikant - sie liegt im Streubereich. Als einzige hat dies Nadja Pastega vom "Sonntag" gemerkt. Ihr wichtiges Dokument ist hier abrufbar. 2. Der Jubel und die inszenierte Freude lenken natürlich davon ab, dass wir wirklich ein Problem haben: 17% (20% der Buben) können am Ende der Schulzeit nicht lesen. Wirklich nicht! Sie erreichen von den sechs Niveaus das Niveau 1. Knapp 40% (!) liegen bei Niveau 2 oder tiefer.
Während unsere Bildungsbürokratie diese Zustände abfeiert, tut sich was in Österreich. Das Bundesland Tirol hat Massnahmen beschlossen. Ab nächstem Schuljahr sollen Leseschwächen mit Hilfe von Tests und speziellen Leseprogrammen ausgemerzt werden. Ab kommendem Semester schreiben die Lehrpläne wöchentlich 100 Minuten Lesen verbindlich vor.
Der Standard, 16. Juni 2011

Im Zweifelsfall Unterrichtsführung statt Sprachkompetenz. Ein Interview mit Rico Cathomas

Rico Cathomas ist Dozent und Lehrerbildner für Allgemeine Didaktik und integrale Sprachendidaktik an den Universitäten Freiburg und Bozen. Weiter leitet er das Projekt zur „Einführung der Standardsprache Rumantsch Grischun in den romanischsprachigen Schulen des Kantons Graubünden“ und das Projekt „Schritte in die Mehrsprachigkeit“ in den ladinischen Tälern des Südtirols.
Cathomas ist auch tätig als Kursleiter in der Mehrsprachigkeitsdidaktik.

UK: In einem Interview hast du kürzlich unterschieden zwischen zwei Arten von Sprachenlernen: Für die Schule und fürs Leben. Was meinst du damit?
RC: In der  einschlägigen Literatur wird zum Beispiel zwischen „street and school language” (Baker) oder von “BICS and CALP” (Cummins) oder zwischen “low and high Varietät” gesprochen. Dabei werden unterschiedliche Fähigkeiten verlangt, z.B. bei ersteren eher Sprachfluss,  Kompetenzen im  Hören und Sprechen und bei den anderen eher Sprachgenauigkeit und Kompetenzen im Lesen und Schreiben. Daran ist meiner Ansicht auch der so genannte kommunikative Unterricht an den Schulen mehr oder minder gescheitert, weil Kommunikation immer auch kontextsensitiv ist. D.h. wenn man in der Schule Sprache lernt, so lernt man dort auch immer für die Schule,  resp. den schulischen Alltag.
UK: Was ist falsch daran, wenn man sagt, dass Sprachen lernen an der Volksschule grundsätzlich immer direkt mit dem Alltag zu tun haben sollte?
RC:Gar nichts ist falsch daran, aber dazu  erst eine Präzisierung: Ich würde lieber von schulischem und ausserschulischen Alltag  sprechen. Und der unmittelbarste Alltag in der Schule ist die Schule selber. Der schulische Alltag ist heute mindestens so bedeutsam wie alle anderen sprachlichen Alltage, resp. Sprachdomänen. Unsere Kinder verbringen immer mehr Lebenszeit in der Schule.  Insofern ist das ihr direktester Alltag. Ich plädiere für eine Emanzipierung der Schule, als ein eigenständiger und bedeutsamer Lebensraum, der das Recht hat auf eine eigene schulspezifische Sprache, wie es andere Domänen wie Familie, Beruf, oder Kirche auch haben.
UK: Früher hat man Sprachen für die Schule gelernt – mit dem Resultat, dass man nach mehreren Jahren Unterricht sehr wenig damit anfangen konnte. Willst du zurück zu diesen Zeiten?
RC: Ganz und gar nicht. Nur sind die kommunikativen Ergebnisse des Fremdsprachenunterrichts immer noch  sehr bescheiden. Fast alle meine Studierenden sagen immer wieder, sie hätten in drei Monaten Amerikaaufenthalt mehr Englisch gelernt, als  in ihrem gesamten Schulunterricht. Und da sieht man auch einen der Brüche im heutigen Sprachunterricht: Alle sprechen von kommunikativem Unterricht, aber die meisten Prüfungen, die gemacht werden, haben wenig mit kommunikativen Fähigkeiten zu tun. Nach wie vor  wird vor allem Sprachgenauigkeit getestet und wenig die ausserschulische Alltagstauglichkeit der Sprachkompetenz der Schüler.  Ich habe dies beispielsweise in einem Artikel der BZL/2007, Heft 2 unter dem Titel: „Neue Tendenzen in der Fremdspachendidaktik  – das Ende der kommunikativen Wende“ genauer ausgeführt.
UK: Findest du nicht, es wäre besser den real existierenden Fremdsprachenunterricht zu verbessern, als mit dem (noch nicht existierenden!) Konzept der Mehrsprachigkeitsdidaktik diese Baustelle einfach stehen zu lassen?
RC:Da bin ich ganz bei dir. Meine Hauptthese als Pädagogischer Psychologe ist: „Guter Unterricht ist auch guter Sprachenunterricht“. D.h.  die Basis guten Sprachunterrichts sind allgemein didaktische Prinzipien von gutem Unterricht: Engagement, Freude, Vorbildfunktion, Motivieren können. Adaptivität und gelungene Klassenführung sind die Grundlage sowohl für wirksamen Mathematikunterricht wie auch für  guten Sprachunterricht. In meinen Schulbesuchen habe ich immer wieder festgestellt, dass viele Lehrer mehr an ihren Defiziten bspw. in der Gruppenführung oder in der Einfältigkeit ihres Unterrichts scheitern, als primär an ihrer Sprachkompetenz (wobei ein hohes Fachwissen sicherlich auch von grossem Vorteil ist).
UK: In Sachen bilingualem Unterricht meinst du, dass es für den Lernerfolg keinen Unterschied mache, ob die Lehrperson Muttersprachlerin ist oder nicht. Da bin ich ganz gleicher Meinung mit dir. Wie wichtig sind dir gute Sprachkenntnisse? 
RC: Wenn ich wählen müsste, zwischen einer engagierten Lehrperson mit  all den vorher genannten positiven Attributen, oder einer Lehrperson,  die  nur hervorragende Fremdsprachenkenntnisse hätte, würde ich erstere wählen. Im Idealfall hätte die Lehrperson natürlich zusätzlich hervorragende Fremdsprachenkenntnisse. Begeisterungsfähigkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen. Nicht zwingend ist es, die zu unterrichtende Fremdsprache perfekt zu beherrschen. Die Forschung konnte keinen Unterschied feststellen zwischen dem Lernerfolg der Lehrpersonen, welche eine Sprache unterrichten, die ihre Muttersprache ist, und solchen, die diese als Zweitsprache erworben haben. Im Gegenteil, wer eine Sprache selber lernen musste, hat evt. mehr Verständnis für die Schwierigkeiten der Schüler. Daneben sind dieselben allgemeinen didaktischen Prinzipien gefragt, wie in jedem anderen Fach.
UK: Die Fremdsprachen in der Primarschule sind umstritten. Niemand hat zwar Daten, aber es fällt auf, dass sehr viele Schüler sagen, sie könnten nach drei oder mehr Jahren praktisch kein Italienisch. Ein ähnlicher Befund lässt sich auch für die Kantone mit Französisch als Fremdsprache machen. Woran liegt das? An den Schülern? Den Lehrern?
Die gleiche Befunde würdest Du wohl auch finden, wenn Du Deutschlehrer nach den Deutschkompetenzen oder  Mathelehrer bei den Mathekompetenzen ihrer Schüler befragen würdest. Ich glaube, die Schule leidet im Moment an einer gewissen Zielüberfrachtung und draus entstand eine gewisse allgemeine Orientierungslosigkeit. Diese Verunsicherung hören wir von den Eltern, von den Schülern und von den Lehrpersonen. Von daher ist deine hier angeregte „Debatte zu Bildungsfragen“  notwendiger denn je und hat meine volle Unterstützung!

Ausführungsgehilfen

"Aargauer Ärzte dürfen Grippepatienten ab 1. Juli nur noch mit Aspirin behandeln. Eine entsprechende Volksinitiative haben die Stimmberechtigten des Kantons am Wochenende mit 54% Ja gutgeheissen." Diese Meldung dürfte uns erspart bleiben. Weiteren kantonalen Abstimmungen über den Gebrauch des Dialekts im Kindergarten müssen wir jedoch entgegensehen, obwohl sie aus Sicht einer Schule, die das Wohl und die optimale Förderung der Kinder zum Ziel hat, ähnlich sinnlos sind. Sie degradieren Lehrpersonen zu Ausführungsgehilfen, denen nicht zuzutrauen ist, dass sie ihrer Klasse und der jeweiligen Situation entsprechend die richtige Ausdrucksweise wählen.
Heinz Weber, in Bildung Schweiz 6/2011, der Zeitschrift des LCH.


Positionspapier der LCH-Stufenkommission 4bis8: "Hochdeutsch soll auch Beziehungssprache sein."

Pensenreduktion möglich, aber nur mit Steichen von Fächern

An der Delegiertenversammlung von Bildung Thurgau sagte die Thurgauer Erziehungschefin Monika Knill, über die Forderung einer Pensenreduktion könne man reden. Allerdings, so schränkte Knill ein, heisse das nichts anderes, "... als dass man dann Fächer streichen muss. Und auf die Diskussion, welche Fächer es dann sein sollen, bin ich schon jetzt gespannt". 
Das Pflichtpensum im Thurgau beträgt 29 Lektionen.
Artikel von Christoph Lampart im St. Galler Tagblatt online

Thurgau: Kritik an der Akademisierung des Lehrberufs

Die Dozenten der PHTG sollen vermehrt praktische Erfahrung haben. Laut dem Politiker Josef Brägger (Grüne) weisen 10% der Ausbildner keine Unterrichtserfahrung aus. Ausserdem kritisiert der Parlamentarier, dass die Weiterbildung an den Bedürfnissen der Lehrkräfte vorbei konzipiert sei.
Meldung von Martin Knoepfel auf St. Galler Tagblatt online

15. Juni 2011

Zum Tod von Wolfgang Bergmann

Vor ein paar Tagen kaufte ich mir Wolfgang Bergmanns Werk "Lasst eure Kinder in Ruhe! - Gegen den Förderwahn in der Erziehung". Ich las es mit der Absicht, dem Autor zu diesem aktuellen Thema ein paar Fragen zu stellen, um diese dann hier zu veröffentlichen. Als ich gestern auf seine Webseite ging, war ich verblüfft, diese nicht abrufbar zu finden. Kurz später erfuhr ich: Wolfgang Bergmann, der Autor vieler erfolgreicher Publikationen, Referent und häufiger Gast in Rundfunksendungen ist am 18. Mai verstorben. Ich habe davon in den Schweizer Medien nichts erfahren.
Ich kenne Wolfgang Bergmann, weil ich das Glück hatte, ihn für die Bündner Sekundarlehrerschaft zu einem Vortrag gewinnen zu können. Es ging um die allzu schnelle und unbedachte Ruhigstellung unserer aufmüpfigen Schulkinder. Sein trockener, norddeutscher Humor und seine geschliffene und stilsichere Ausdrucksweise haben mich begeistert. Ich spürte sein starkes Engagement für ein tieferes Verständnis der kindlichen Psyche. Seine grosse Erfahrung als Kinderpsychologe und seine fachliche Autorität machten aus ihm aber keinen pädagogischen Schreihals, sondern vermischten sich mit seinem schlichten und beharrlichen Auftreten. Vertrauen, Beziehung, Liebe - das waren seine pädagogischen Leitmotive, die in allen seinen Werken zum Vorschein kommen.
Bergmann litt an Knochenkrebs. Noch in seinem Krankenzimmer setzte er sich für seine Ideale ein. Der nachfolgende Clip erscheint mit ausdrücklicher Bewilligung seiner Stiftung "Für Kinder".




  http://www.fuerkinder.org/

14. Juni 2011

Bilden wir richtig aus? Doppelpunkt von Radio DRS

Die Schweiz ist mit einem Mangel an einheimischen Fachkräften konfrontiert, darunter auch Lehrkräfte. Im Doppelpunkt diskutieren unter der Leitung von Daniel Hitzig: 
  • Dalia Schipper, Direktorin des Eidg. Hochschulinstituts für Berufsbildung
  • Rudolf Künzli, Akademien der Wissenschaften Schweiz
Interessant sind die Links und Downloads auf der Webseite von Radio DRS.

Interview mit Beatrice Conrad, Harmos-Gegnerin aus Graubünden

Graubünden ist einer derjenigen Kantone, die Harmos in einer Volksabstimmung abgelehnt haben. In der Zwischenzeit wird intensiv am neuen Lehrplan 21 (LP 21) gearbeitet. Dort sollen die Inhalte und Ziele der Volksschule innerhalb der 21 Deutschschweizer Kantone vereinheitlicht werden. Wie reagiert man bei Harmos-Gegnern auf diesen neuen Lehrplan? Urs Kalberer (UK) befragt dazu Beatrice Conrad (BC), die Präsidentin des Bündner Bürgerkomitees „Nein zu Harmos“.

UK: Praktisch im Alleingang hat ein Bürgerkomitee Harmos gebodigt. Hat sich dadurch die politische Unterstützung seit dem Abstimmungssieg verändert?

BC: Ja, Parteimitglieder von rechts bis links unterstützen das Bürgerkomitee in ihren Bildungsanliegen. Alle Parteien und viele Interessensgruppen arbeiteten aktiv an der Vernehmlassung zum neuen Schulgesetz GR mit. Die folgenden Gespräche mit der Regierung waren offen und konstruktiv. Das Gesetz kommt nach den Sommerferien zur Genehmigung vor den Grossrat.

UK: Während es bei Harmos um Grundsätzliches wie Schuleintrittsalter und Schuldauer geht, geht es beim LP 21 um die konkreten Lerninhalte. Graubünden sagt nein zu Harmos, macht aber beim LP 21 mit. Wie will man verhindern, dass der LP 21 Harmos unterläuft und quasi hinfällig macht?

BC: Das parteiunabhängige Bürgerkomitee hat an der ersten Vernehmlassung zum LP 21 teilgenommen und ihre Stellungnahme abgegeben. Politisch haben wir leider keine Möglichkeit auf deren Inhalt Einfluss zu nehmen. Die Umsetzung bestimmt das EDK. Das Bürgerkomitee versuchte verschiedene Interessensgruppen auf die für uns kritischen Punkte aufmerksam zu machen.

UK: Welches sind die nächsten konkreten Schritte?

BC: Die Regierung wird in Kürze das neue Schulgesetz GR vorstellen. Das Bürgerkomitee “Nein zu HarmoS“ wird es aus der Sicht des Kindes kritisch prüfen,  ebenfalls sollten die Anliegen des Bürgerkomitees und der Stimmbürger berücksichtigt sein. Danach werden wir unsere Stellungnahme veröffentlichen und den Kontakt mit Grossräten und Interessensgruppen suchen.

Was lernt man an der Schule?

Die Zeitschrift Beobachter stellt bekannten Persönlichkeiten die Frage, was man in der Schule lernt. Es handelt sich dabei um den Abschluss einer Reihe zum Thema "Welche Schule wollen wir?". Auffällig sind die grundverschiedenen Ansprüche und Erfahrungen mit der eigenen Schulzeit. Für jeden/jede steht etwas anderes im Vordergrund. 
Interviewte Personen: Irene Brügger, Richard Ernst, Ruth Schweikert, Saïda Keller-Messahli, Ivo Adam, Dodo Hug, Thomas Bucheli, Peach Weber.
"Was von der Schule blieb", von Conny Schmid auf Beobachter online.

Widerstand gegen Sexualkunde nun auch in Zug

Der geplante Sexualkunde-Unterricht kommt nun auch im Kanton Zug unter Beschuss: Mit einer Motion wollen zwei Zuger SVP-Kantonsräte den Aufklärungsunterricht an der Basisstufe stoppen.
Die beiden Motionäre argumentieren, die Sexualerziehung gehöre zum elterlichen Erziehungsrecht. 
Auch im Kanton Luzern regt sich Widerstand gegen die staatliche Sexualkunde (siehe Post vom 12.6.)
Bericht in der Neuen Luzerner Zeitung online 14.6.11

12. Juni 2011

Aussensicht auf die Mundart-Initiative

Mit etwas Distanz auf den Erfolg der Mundart-Initiative ist es interessant zu lesen, was unsere nördlichen Nachbarn dazu denken. Zuerst einmal fällt auf, dass die "Süddeutsche Zeitung" ebenso oberflächlich wie viele Schweizer Medien von einem Hochdeutsch-Verbot spricht. Dann wundert man sich, dass die Süddeutsche in dieser Frage das Verhältnis der Schweiz zu Deutschland ins Spiel bringt. Ging es bei der Abstimmung etwa um eine Abgrenzung zu Deutschland? Besonders schön ist, wenn die Abstimmung von Deutschen, die in der Schweiz wohnen, ins richtige Licht gerückt wird. 
Schwyzerdütsch per Gesetz von Maria Holzmüller in der Süddeutschen Zeitung

Wer ist zuständig für Aufklärung?

In der Zentralschweiz regt sich Widerstand gegen den geplanten Sexualkunde-Unterricht. Der Luzerner Nationalrat Pius Segmüller (CVP) will mit einem Vorstoss das geplante Obligatorium der Sexualkunde stoppen. Vertreter der SVP, FDP, CVP und EDU wollen auch in anderen Kantonen aktiv werden.
Meldung von Guido Felber in der Neuen Luzerner Zeitung online.


Das Thema wurde im Blick bereits am 29. Mai thematisiert. 
Artikel von Romina Lenzlinger mit vielen Lesermeinungen.

10. Juni 2011

Bern: Zwei Jahre Kindergarten für alle

Im Kanton Bern sollen ab 2013 alle Kinder zwei Jahre in den Kindergarten gehen dürfen. Allerdings sollen Eltern das Recht haben, ihr Kind ein Jahr später zu schicken.
Ausserdem sollen die Gemeinden die Möglichkeit erhalten, eine Basisstufe (Verschmelzung von zwei Jahren Kindergarten und den ersten beiden Primarschuljahren) zu führen.


Das Geschäft kommt im November 2011 vor den Grossen Rat.


Hier der Artikel aus der Berner Zeitung (10.6.)

Englisch-Lehrmittelobligatorium soll aufgehoben werden

Bewegung im Lehrmittelmarkt: Zwei Zürcher Kantonsräte fordern in einem Postulat an die Regierung, das herrschende Obligatorium für Englischlehrmittel aufzuheben. Corinne Thomet-Bürki (CVP) und Johannes Zollinger (EVP) weisen in ihrem Vorstoss darauf hin, dass "trotz grossem Aufwand die Ergebnisse im Englischunterricht in keiner Weise überzeugen können." Weiter führen sie aus: "... obwohl bei den Lehrmitteln für die Primarschule bereits negative Rückmel-dungen zur Praxistauglichkeit vorlagen, sind offensichtlich bei der Schaffung des Oberstufenlehrmittels keine entsprechenden Lehren daraus gezogen worden."


Das Postulat kann hier eingesehen werden.

Urs Moser fordert Vereinheitlichung der Prüfungsvorbereitung

Im Zusammenhang mit der Studie aus dem Kanton Zürich fordert der Bildungsforscher Urs Moser eine Vereinheitlichung der Prüfungsvorbereitung auf die Angebote der Sek I. 
Im Interview mit Radio DRS 1 führt Moser aus, warum Lehrkräfte gleiche Leistungen unterschiedlich beurteilen.


Interview hören

Ab 2014 wieder Aufnahmeprüfungen in die Sekundarstufe I?

Die Leistungsunterschiede zwischen den sehr guten und sehr schwachen Zürcher Primarschülern nehmen zu! Trotz Fördermassnahmen und individualisiertem Unterricht öffnet sich die Schere schulischer Leistungen immer mehr. Projektleiter Urs Moser stellt eine "markante Zunahme der Leistungsunterschiede gegenüber den früheren Erhebungen" fest. Ausserdem sagt Moser:"Je privilegierter die Herkunft, desto grösser sei der Leistungszuwachs".


Im Artikel von Walter Bernet (NZZ, 10. Juni) sticht mir der folgende Satz besonders ins Auge: "Bei gleicher Testleistung in Deutsch und Mathematik werden Benachteiligte und Fremdsprachige deutlich schlechter benotet. " Es gibt also ein Beurteilungsproblem an unseren Schulen. Das könnte ein Grund sein, dass ab 2014 an den Zürcher Primarschulen wieder ein standardisierter Test durchgeführt wird. Dieser soll den Übertritt wieder transparenter machen. Dabei bleibt offen, ob dieser Test den Stellenwert der ehemaligen Aufnahmeprüfung besitzt. 


Hier geht's zur Berichterstattung der NZZ

9. Juni 2011

Basel-Land hat zu viele Lehrer!

Während im Kanton Bern gezittert wird, ob man noch genug Lehrkräfte findet (siehe Beitrag), spielt sich in der Nordwestschweiz Kurioses ab. Dort hat man viel zu viele davon. Im Rahmen eines Sparpakets streicht die Regierung 134 Vollzeitstellen. Betroffen davon sind ca. 170 Lehrpersonen der Sekundarstufen I und II. Zusätzlich wird den Fachlehrern eine zusätzliche wöchentliche Pflichtlektion auferlegt. Der zuständige Finanzdirektor Adrian Ballmer meint: "Wir bauen keine Leistungen ab, die die Attraktivität des Kantons schmälern". 
Christoph Straumann, LVB-Vize meint, dies sei ein "weiterer Schritt in die absolut falsche Richtung". Man sei "von einer realen Entlastung weiter entfernt denn je". 
Affaire à suivre ... 
(Informationen aus der Basler Zeitung, 9. Juni 2011, Georg Schmidt und Thomas Gubler)
Mehr zum Thema hier.

Bern macht sich Sorgen wegen Lehrermangel

Der Berner Erziehungsdirektor Bernhard Pulver fordert mehr Wertschätzung für den Lehrerberuf in der Öffentlichkeit. Dies sagte er angesichts des drohenden Lehrermangels im Kanton vor den Delegierten des Verbandes Lehrerinnen und Lehrer Bern (Lebe). Genau dasselbe habe ich selbst auch schon von meinen Erziehungschefs gehört. Gibt es in der EDK einen Ordner für Ansprachen zu den kantonalen Lehrerverbänden? Dann empfehle ich, diesen dringend mal zu überarbeiten. Mehr Wertschätzung würde z.B. bedeuten, dass den Lehrkräften wieder mehr Verantwortung übertragen würde, verbunden mit einem Abbau der Bildungsadministration. 


Artikel in der Berner Zeitung

8. Juni 2011

In eigener Sache: Neu auch auf dem Smartphone

Dieser Blog ist ab sofort auch auf dem Smartphone übersichtlich gegliedert abrufbar. Damit Sie in Schulfragen immer auf dem Laufenden sind. 
Ich wünsche Ihnen einen anregenden Aufenthalt in meinem Blog!
Urs Kalberer

Mundart-Initiative: Tages Anzeiger verletzt Sorgfaltspflicht

Die Initiative über Mundart im Kindergarten ist gelaufen - die Mundartbefürworter haben gesiegt (siehe frühere Posts). Dass die Kampagne des Tages Anzeigers alles andere als fair war, stellt nun auch die Gesellschaft für Medienkritik Schweiz (gfmks) in einer Stellungnahme fest. So habe die Zeitung mit ihrer Berichterstattung die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Ulrich Kündig, der Präsident der gfmks stellt fest: "Man wird den Eindruck nicht los, dass auch der Qualitätszeitung «Tages-Anzeiger» das Marketingdenken mitunter näher steht, als die journalistische Korrektheit."


Hier geht's zur Stellungnahme der gfmks


Gerade in Schulfragen vermisst man in der Schweizer Presse oft eine kritische Distanz zu den Projekten der Bildungsadministration. Allzu oft verlassen sich schwache Journalisten auf "Expertenmeinungen" ohne nachzufragen. Die arroganten Meinungsmacher des Tages Anzeigers wurden in Zürich für einmal gestoppt.

Freie Methoden bedingen freie Lehrmittelwahl

Heute wende ich mich einem Thema zu, das in Zukunft noch zu heissen Diskussionen führen wird: Sollen Lehrmittel grundsätzlich frei wählbar sein? Momentan herrscht in der Schweiz eine rigide Regelung mit fest verordneten Lehrwerken. Parallel dazu hat sich aber ein grosser Markt von inoffiziellen Lehrmitteln entwickelt. Die Frage ist nicht Lehrmittel ja oder nein, sondern bloss, wer bestimmt welche Lehrmittel offiziell  verwendet werden dürfen. Denn wer die Lehrmittel kontrolliert, kontrolliert zu einem grossen Teil, was an der Schule läuft.






Lehrmittel sind nicht bloss eine Sammlung von Lernstoffen, sie gliedern den Ablauf von Lernschritten und diktieren damit auch die Methoden. Wenn die Methodenfreiheit garantiert ist, müsste konsequenterweise auch die Lehrmittelfreiheit gesichert sein. Mit der neuen Sprachenpolitik ist beispielsweise nicht nur die Lehrmittelwahl, sondern damit auch die Methodenfreiheit stark unter Druck geraten. In den Kantonen entschieden sich Expertengremien in intransparenten Auswahlprozessen für ganz bestimmte Bücher aus ganz bestimmten Verlagen. Wenn man berücksichtigt, dass die Beurteilung eines Lehrmittels trotz den Bemühungen um Objektivität eine ausgesprochen subjektive Angelegenheit bleibt und die oft undurchsichtigen Abhängigkeitsverhältnisse im Bildungsmarkt hier mitspielten, dann bleibt bei diesen behördlichen Beschlüssen ein ungutes Gefühl zurück.


Es stellt sich also eine Machtfrage: Soll der Staat oder die einzelne Lehrkraft über die einzusetzenden Lehrmittel entscheiden? Das ideale Lehrmittel für alle existiert nicht, genauso wenig wie die ideale Methode für alle existiert. Dazu kommt, dass Lehrmittel keine spezielle Rücksicht nehmen auf Unterrichtsfaktoren wie Klassengrösse, Heterogenität oder die Kenntnisse und Fähigkeiten der Lehrperson. In den Klassenzimmern von heute sitzen nicht mehr Klassen sondern Individuen, die entsprechend ihren Stärken und Schwächen gefördert werden wollen. Dennoch werden Schulbücher kraft der Autorität des Auswahlgremiums flächendeckend als verbindlich erklärt. Weshalb diese behördliche Bevormundung, wenn gleichzeitig das Schulkind mit seinen individuellen Lernbedürfnissen immer stärker ins Zentrum des Interesses gerückt wird? Ist es nicht eher die Aufgabe der Politik und ihres Apparates, die Lernziele im Lehrplan klar und deutlich zu benennen, anstatt ohne Rücksicht auf die realen Bedürfnisse gleich auch noch die Lehrmittel vorzuschreiben?

Das geplante Bildungsmonitoring (ein folgenschwererTeil der Harmos-Vereinbarung) sammelt Leistungsdaten von Schulklassen der Deutschschweiz. Oft wird nun vorgebracht, damit die Daten nachher auch interpretiert werden könnten, brauche es identische - sprich vorgeschriebene - Lehrmittel.  Ich bestreite diese Argumentation, denn ein Leistungsvergleich hinkt an weit bedenklicheren Unterschieden als bloss den Lehrmitteln. Denken wir an Klassengrössen, Lektionszahlen oder Lehrerlöhne (siehe dazu auch mein Beitrag vom 6. Juni).


Fassen wir zusammen: Lehrmittel sind sinnvoll und notwendig. Wir brauchen aber keine Expertengremien, welche den Lehrern vorschreiben, welche Bücher sie für ihre jeweiligen Klassen zu bestellen haben. Das ist eine Entmündigung der kompetenten Lehrperson und gleichzeitig ein Verlust an gezielter Förderung. Die Forderung nach Lehrmittelfreiheit orientiert sich an der bestehenden Methodenfreiheit. Es gibt eben verschiedene Wege, um den Anforderungen des Lehrplans gerecht zu werden.












6. Juni 2011

Anzahl Schulwochen

Die Auseinandersetzung in Basel-Land um die Ferienzeitregelung bringt mich auf die Idee hier einen Vergleich der Schulwochen einzufügen. Dabei gilt es aber noch unterschiedliche Feiertage zu berücksichtigen. Ebenfalls unterschiedlich ist die Handhabung von Sport- und Projektwochen.
Stark unterschiedlich ist auch die Wochenlektionszahl für Schüler. Diese ist hier ersichtlich.
Keine Übersicht habe ich zu den Lehrerpensen. In Graubünden, wo ich arbeite, beträgt ein Vollpensum an der Volksschule 30 Lektionen pro Woche. Je nach Schulgemeinde (!) existieren verschiedene Regelungen zu Entlastungen für spezielle Funktionen.
Für einen einigermassen korrekten Vergleich der Arbeitszeit zwischen verschiedenen Kantonen müssten auch Faktoren wie die Klassengrösse, Präsenzzeit, Teamarbeit, Elternarbeit, etc. verglichen werden. Das ist praktisch nicht zu schaffen, weshalb man sich grundsätzlich einreden sollte, dass der momentane Arbeitsort der Beste von allen ist :-)



Ferienregelung Basel-Land

Der Kanton Baselland hat allen Staatsangestellten eine fünfte Ferienwoche gewährt. Diese Erhöhung der Ferienzeit gilt entsprechend auch für die Lehrkräfte. Nun sucht man nach Lösungen, wie dies umzusetzen wäre. Ein Vorschlag des Lehrervereins mit einer Verlängerung der Weihnachtsferien um zwei bis drei Tage wurde vom Gesamtregierungsrat abgelehnt. Pikant an der Angelegenheit ist, dass in Basel-Stadt die Verlängerung der Ferien für Staatsangestellte auch für die Lehrpersonen umgesetzt werden konnte.
Quelle: Basler Zeitung, 6.6.2011


Dazu hier der Kommentar von Dina Sambar




5. Juni 2011

Schweizer Fernsehen My School

Das Schweizer Fernsehen hat ein wachsendes Angebot an Sendungen für Schulen.  Neues im Angebot kann hier angesehen werden.
Ich habe z.B. schon die Berufsportraits verwendet. Alle Filme sind mit Zusatzmaterialien versehen. Es gibt aber eine Vielzahl von weiteren Themen.
Die Zufriedenheit mit der Qualität der Sendungen ist hoch. Dazu hier eine kürzlich gemachte Umfrage.

4. Juni 2011

Früher Kindergarten-Eintritt ist nicht immer besser

Rebekka Haefeli macht sich Gedanken über den frühen Kindergarten-Eintritt. Obwohl immer mehr Eltern auf einen möglichst frühen Eintritt drängen, sieht sie in ihrem Artikel auch mögliche Probleme, die damit zusammen hängen. Aus: NZZ online, 3.6.2011


Hier geht's zum Text

Monika Bütler über den Sinn von Schulprojekten ohne Evaluation

Am Beispiel von Hochdeutsch im Kindergarten ärgert sich Monika Bütler über Schulprojekte ohne entsprechende seriöse Abklärungen. Sie wundert sich darüber, dass viele Reformen kaum evaluiert werden. Aus: NZZ am Sonntag, 22. Mai 2011.


Hier geht's zum Text

1. Juni 2011

Situation in Graubünden: Dilettantische Aufnahmeprüfungen werden weiter toleriert

Die Grundregel für eine Aufnahmeprüfung lautet: Sie sollte vollständig auf dem Lehrplan basieren. Eine Selbstverständlichkeit? Mindestens im Kanton Graubünden ist man noch immer weit davon entfernt. Der Stoffumfang ist beispielsweise nur mangelhaft umschrieben. Der Hinweis, dass sich die Prüfung generell auf den Inhalt der Lehrmittel bezieht, ist besonders bei sich ergänzenden und aufbauenden Büchern keine brauchbare Angabe zu den Prüfungsthemen. Man würde doch erwarten, dass die erforderlichen Kenntnisse,  z.B. in Grammatik,  explizit aufgelistet würden. Ausserdem setzt man voraus, dass Prüflinge nach 2/3 des Schuljahres bereits den Umfang des ganzen Lehrbuches im Fach Deutsch kennen müssen. Solches ist ohne zusätzlichen Unterricht gar nicht zu schaffen. Kommt noch dazu, dass die Prüfungsautoren sich auch nicht vom Lehrplan beeindrucken lassen. Sie prüfen – trotz wiederholter Beanstandung – explizit Stoff, der fürs nächste Schuljahr vorgesehen wäre.

Obwohl die Missstände im Amt bekannt sind, tut sich nichts. Einmischung ist offenbar nicht gewünscht. Kein Wunder: Die Aufnahmeprüfung kennt keine Orientierung an Kompetenzen, sie fordert keine Minimal-Standards. Sie dient lediglich dazu, die Zuteilung zu den zur Verfügung stehenden Plätzen zu organisieren. Und sie sorgt dafür, dass kein Stuhl leer bleibt …


Vorbereitungskurse für Gymnasien? Es besteht Handlungsbedarf

Ist ein Platz am Gymnasium käuflich? Das fragt sich Walter Bernet in der NZZ (31.5.2011). Es geht um die Frage der Vorbereitungs-Kurse für Aufnahmeprüfungen an die Gymnasien. Sind sie überhaupt notwendig? Verzerren teure Kurse die Chancengerechtigkeit?

Ohne gezieltes Training geht es nicht
Immer wieder beteuern Schulämter und sogar Lehrkräfte, dass eine spezielle Vorbereitung auf eine Aufnahmeprüfung nicht notwendig sei. Welch ein Blödsinn! Wer sich nicht seriös vorbereitet, hat bei den speziellen Prüfungsformaten keine Chance – unabhängig, ob man den Stoff kann oder nicht. Es geht dabei vor allem darum, die Art der Aufgabenstellungen zu kennen und zu wissen, wie man sich „prüfungsschlau“ verhält. Auch das Zeitmanagement ist ein wichtiger Faktor. All dies kommt im Unterricht normalerweise zu kurz.


Vorbereitung ja, aber welche?
Es hat sich bei den Eltern also herumgesprochen, dass ein Vorbereitungskurs sehr wichtig für den Prüfungserfolg ist. In der Regel besucht ein Grossteil der Kinder und Jugendlichen solche Kurse, die somit zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standbein von privaten Anbietern geworden sind. Doch es ist auch an öffentlichen Schulen immer häufiger möglich, spezielle Prüfungsvorbereitungskurse zu besuchen. Allerdings nur gegen Bezahlung und ausserhalb der Schulzeit. Nun könnte man sich mit Recht fragen, ob es nicht Aufgabe der Volksschule ist, die interessierten Schüler während der Schulzeit kostenlos auf den Übertritt an eine Mittelschule vorzubereiten. Es sollte doch im Interesse aller sein, dass die guten Schüler, unabhängig vom Einkommen der Eltern, den Weg an ein Gymnasium schaffen. Wenn man zum Vergleich das Angebot von Stützkursen für spezifische Schulschwächen beachtet, erstaunt es doch, wie man die besten Schüler bei dieser wichtigen Weichenstellung einfach hängen lässt.

Stadt Zürich macht vorwärts
In Zürich hat man die Brisanz des Themas offenbar entdeckt: Ab kommendem Schuljahr erhalten alle Schüler die Möglichkeit sich zwei Lektionen pro Woche dafür vorzubereiten. Und zwar von Beginn des Schuljahrs bis zur Aufnahmeprüfung. Kostenlos für die Eltern – kostenneutral (!) für die Schule. Von dieser Massnahme verspricht man sich in Zürich mehr Chancengerechtigkeit.

Es ist störend, wenn das Geld der Eltern über den Schulerfolg entscheidet. Der Bodenpreis des Wohnortes ist noch immer der aussagekräftigste Wert zur Zuteilung von Jugendlichen an die Gymnasien. Gerade im Bereich der Mittelschulen ist das Missverhältnis zwischen den verschiedenen Schichten eklatant. Und falls man durchfällt, gibt es noch immer die Privatschulen, welche zahlungskräftige Sprösslinge mit offenen Armen empfangen. Die wichtigste Ressource unseres Landes sei die Bildung. Es tut weh zu sehen, wie viel Potential dabei ungenutzt bleibt. Die Frage ist, wie lange wir uns in Zeiten der Globalisierung eine solche Selektion noch leisten können.