25. Mai 2011

Christian Schmids Kommentar

Nach der Abstimmung zur Mundart-Initiative in Zürich und Basel-Stadt ist mir ein Kommentar besonders aufgefallen. Er stammt von Christian Schmid, dem Mundart-Spezialisten von Radio DRS. Schmid nimmt darin Stellung zu den ungerechtfertigten Vorwürfen der Gegner, die während und nach der Abstimmung publik gemacht wurden. Ein Mundart-Sprecher ist nicht a priori ein Depp! Das Niveau der Diskussion um Sprachen in der Schweiz kann erbärmlich tief liegen!


Kommentar von Christian Schmid

Leserbrief Tages Anzeiger


Der Tages Anzeiger hat sich im Abstimmungskampf zur Mundart-Initiative im Kanton Zürich stark gegen die Initiative engagiert. Die Zeitung überliess den Abstimmungskampf nicht den beiden Interessengruppen, sondern kämpfte mit ihrer Berichterstattung selbst aktiv gegen die Initiative. Dabei waren die Redakteure nicht zimperlich und weigerten sich sogar, das Initiativkomitee überhaupt zu Wort kommen zu lassen. Immerhin wurde mein Leserbrief am 27. April publiziert. Die parteiische Haltung des Tages Anzeigers brachte nichts. Am 15. Mai hat das Zürcher Stimmvolk die Initiative mit 54% Ja angenommen. 



Aha, eine deutsche Kindergärtnerin findet also, die Mundartfrage sei überbewertet. Die Initiative, die den Vormarsch des Hochdeutschen in den Kindergarten stoppen will, stört offensichtlich stark. Ebenfalls ungelegen kommt die breite Unterstützung, die die Initiative in allen politischen Lagern geniesst. Hochdeutsch im Kindergarten wurde eingeführt mit der Begründung, es sei vorteilhaft für die Sprachentwicklung und für die Integration fremdsprachiger Kinder. Beides ist wissenschaftlich nicht haltbar. Dessen ungeachtet wurde im Kindergarten der traditionelle Mundart-Gebrauch eingeschränkt zugunsten eines spitzfindigen Prozent-Modells, das dem Hochdeutschen bereits im Kindergarten zum Durchbruch verhelfen soll. Als ob die folgenden neun Jahre Volksschule nicht Zeit und Gelegenheit genug böten, Hochdeutsch zu sprechen. Als ob ausgerechnet ein Hochdeutschzwang im Kindergarten die Probleme der Volksschule lösen könnte.


Forum Kindgerechte Schule

Lehrerausbildung


Die Lehrerausbildung – wie die Erstellung von Lehrplänen -  ist traditionell ein hochpolitischer Akt: Dieses Spannungsfeld wird geprägt von politisch und pädagogisch motivierten Richtungskämpfen. So ist wohl auch unser Manifest (www.kindgerechte-schule.ch) einzuordnen, das sich stark an den pädagogischen Kriterien eines guten Unterrichts orientiert. Andererseits möchte man die Lehrkräfte möglichst an der kurzen Leine halten, bitte keine Indoktrination mit linken, grünen oder rechtskonservativen Argumenten. Deshalb möchte man Freiheiten beschränken und die Lehrer berechenbarer machen. Das Ziel ist der unkritische Ausführungsbeamte, der sich nicht mehr gewohnt ist selbst Entscheide zu treffen, sondern nur noch das tut, was ihm das Lehrmittel oder die Schulleitung vorschreiben. 


Die Ausbildung steht in diesem Spannungsfeld und es fragt sich, ob es ihr gelingt, jenes kritische Engagement für pädagogische Fragen zu wecken, das für eine erfolgreiche Lehrerkarriere unentbehrlich ist. Es besteht nämlich immer auch die Möglichkeit, dass die Ausbildung in erster Linie einschüchtert und diejenigen belohnt werden, welche keine Fragen stellen. Das Manifest für mehr Praxisorientierung in der Lehrerausbildung wird beispielsweise von den Studierenden selbst ignoriert.

Als Lehrer und Staatsbürger haben wir die Pflicht uns einzumischen. Hoffen wir, dass die zukünftigen Lehrkräfte an unserem Beispiel sehen, dass es sich lohnt.